Reise in die Vergangenheit des Steigerwalds

13.12.2016, 19:17 Uhr
Reise in die Vergangenheit des Steigerwalds

© Foto: Jörg Müller

„Mit dem Iran verbinden wir ausgedehnte Salzwüsten, kahle Felsengebirge und baumarme Steppen, aber sicher keine prachtvollen Buchenwälder oder eine ziemlich kategorische Naturschutzpolitik“, meint Rüdiger Hunke. Der Vermögensverwalter des Steiner Stifteherstellers Faber-Castell schloss sich im Oktober einer Forschungsreise in die kaspischen Laubwälder des Iran an – und kam aus dem Staunen nicht hinaus.

In einem 800 Kilometer langen und 110 Kilometer breiten Band zieht sich der „Hyrcanischer Wald“ genannte Urwald zwischen den Nordhängen des Elburs-Gebirges und dem Kaspischen Meer entlang. Beeindruckende Baumgiganten reihen sich hier aneinander, vor allem aber auch viele vertraute Vertreter von Flora und Fauna: Buchen, Buchfinken und Buschwindröschen etwa.

„Wiege unserer Buchenwälder“

„Es sieht aus wie im Steigerwald“, sagt Jörg Müller. Der Forstexperte ist stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald und hat seit April auch den Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der Universität Würzburg inne. Die Würzburger betreiben eine Forschungsstation in Fabrikschleichach im Steigerwald, wo ab kommendem Jahr jede Menge Freiland- und Biodiversitätsforschung betrieben werden soll.

„Die Wälder im Iran sind die Wiege unserer Buchenwälder“, verdeutlicht Müller. „Das sind uralte Wälder, die, anders als in Mitteleuropa, nie eine Eiszeit gesehen haben.“ Und nicht nur das: Große Teile haben auch nie eine menschliche Nutzung oder Umgestaltung gesehen. So wie es in den kaspischen Wäldern aussieht, würde es also heute auch im Steigerwald aussehen, wenn nicht der Mensch und das Klima eingegriffen hätten.

Weil man viel von diesen Wäldern lernen kann, gibt es seit eineinhalb Jahren eine Forschungskooperation von Jörg Müllers Arbeitsgruppe und iranischen Kollegen. „Wir können dort erfahren, wo unsere Arten herkommen und wie nah verwandt sie mit den iranischen Arten sind. Außerdem sehen wir, was der natürliche Normalzustand ist. Dadurch wird uns erst bewusst, wie hoch die Messlatte eigentlich ist“, sagt er.

Auf 120 Probeflächen im Iran soll die Artenvielfalt erhoben und mit heimischen Wäldern verglichen werden. Dass die Unterschiede gewaltig sind, ist indes jetzt schon klar.

„Arten, die bei uns schon 1890 oder 1920 ausgestorben sind, sind dort noch allgegenwärtig. Die Artenvielfalt ist deutlich größer und vor allem kompletter. Bei uns sind aus den Arten-Sets schon ganze Ecken herausgebrochen“, meint Müller. Ein Baum mit einer Faulhöhle sei bei hierzulande etwas ganz Besonderes. „Im Iran gibt es das bei jedem dritten Baum“, verdeutlicht Müller.

Deutsche Fehler vermeiden

Aber auch die Iraner können von den Deutschen lernen. Vor allem, die Wiederholung von Fehlern zu vermeiden. Denn einerseits sind die kaspischen Wälder unter weitreichenden Schutz gestellt. „Nur ein Viertel des Holzzuwachses wird geerntet. Fast die Hälfte der Wälder bleibt gänzlich unbewirtschaftet“, erklärt Hunke.

Doch andererseits ist seit der Verabschiedung eines Gesetzes Ende 2013 die Nutzung von faulem und gebrochenem Holz erlaubt. Eigentlich wollten die Iraner damit ihre gesunden Bäume schützen. Doch ungewollt könnte die Artenvielfalt, die gerade im Totholz enorm ist, gewaltig darunter leiden. „Durch solche Maßnahmen sind bei uns in der Vergangenheit sehr viele Arten verloren gegangen. Die Iraner haben diese Schätze noch und sollen sie nicht verlieren“, warnt Müller.

Der Forstexperte hat sich an einer 2015 veröffentlichen Studie im Iran beteiligt, die die Folgen des neuen Gesetzes untersucht hat. Das wenig überraschende Ergebnis: Der Verlust wäre gewaltig. Die Wissenschaftler empfehlen deshalb den iranischen Behörden, Totholz und alte Bäume zu schützen und lieber gesunde, mittelalte Bäume schlagen zu lassen.

Auch im Steigerwald gibt es heute noch einige Areale, die ähnlich unversehrt wirken wie im Iran, etwa die Waldabteilung Kleinengelein mit ihren Riesenbuchen. „Aber dort sind es eben nur einige Teilflächen mit ein paar Hektar, im Iran sind es 1,8 Millionen Hektar“, sagt Müller.

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