Auszeichnung für das Inklusionsteam des Dekanates Schwabach

10.12.2019, 15:09 Uhr
Auszeichnung für das Inklusionsteam des Dekanates Schwabach

© Foto: Stefanie Graff

Manchmal sind es ganz kleine Maßnahmen, die gar nicht viel Geld kosten. Wie ein heller Klebstreifen an einem dunklen Podest. Man muss nur einfach daran denken. Anderes muss man sich leisten wollen und können. Wie eine fest gebaute Rampe zu einem Bestandsgebäude. Immer aber braucht es Menschen, die Probleme erkennen, benennen und konstruktiv nach Lösungen suchen. Das Inklusionsteam des evangelischen Dekanats Schwabach zeigt eindrucksvoll, wie eine Basisbewegung gesellschaftliche Veränderung bewirken kann. Ihr Ziel: "Alle sollen in der Kirchengemeinde selbstbestimmt dabei sein können."

Egal ob körperlich, geistig, seelisch oder – wie der Inklusionsbeauftragte der Rother Kirchengemeinde und des Dekanats Schwabach Dr. Paul Gerhard Rösch es ausdrückt -"ganz normal behindert". Der Sozialraum Kirche soll für alle Menschen offen und erreichbar sein. Und zwar nicht nur in räumlicher Sicht.

Die Haltung macht den Unterschied

Natürlich geht es um Barrierefreiheit, aber eben nicht nur. Es geht auch um die Haltung, dass jeder Teil des lebendigen Ganzen sein kann, egal woher er oder sie kommt und wie er oder sie ist. Für dieses Bemühen wurde das ehrenamtliche Inklusionsteam, zu dem Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher aus fast allen Gemeinden des Dekanats Schwabach gehören, dieser Tage mit dem Ehrenamtspreis der evangelischen Landeskirche ausgezeichnet.

Den Preis überreichte im Rathaussaal Cham der Regionalbischof des Kirchenkreises Regensburg Klaus Stiegler, der bis vor wenigen Monaten noch Dekan in der Goldschlägerstadt war. Er hat die Inklusionsarbeit in seinem Wirkungsbereich stets unterstützt und nach Kräften mit angetrieben.

Anstoß für andere

Neben dem kirchlichen Inklusionsnetzwerk wurden drei weitere kirchliche Projekte als "vorbildliche ehrenamtliche Initiativen" ausgezeichnet. Sie alle präsentierten sich im Rahmen der Preisverleihung einem größeren Publikum und hofften dadurch, als Vorbilder auch in andere Dekanate und Gemeinden hineinwirken zu können. Deshalb ist neben dem Preisgeld in Höhe von 1000 Euro der professionell gemachte fünfminütige Imagefilm, der für jeden Preisträger in den zurückliegenden Wochen erstellt wurde, ein wichtiger Teil der Auszeichnung. Weniger zur Selbstdarstellung, sondern als Mutmacher und Anstoß über den eigenen Tellerrand hinaus.

Einen ganzen Tag lang hat sich das Filmteam zusammen mit Mitgliedern des Inklusionsteams im Dekanat umgeschaut, sich angehört um was es geht, gefragt, was wichtig ist und sich Beispiele für gelungene Arbeit zeigen lassen. Die Filmemacher waren auch dabei, als das Inklusionsteam die Fahrt zur Preisverleihung besprochen hat: Wer kann dabei sein? Wer braucht welche Unterstützung, vielleicht eine Assistenz, welches Fahrzeug ist geeignet?

Profis in eigener Sache

Die 24 Mitglieder des Inklusionsteams sind alle Profis in eigener Sache. "Authentisch" nennt Rösch das beim Film-Interview. "Wir sind alle irgendwie selbst oder als Angehörige betroffen." Das, betont er, sei "der Schatz, den wir hier haben". Die Idee ist von der Basis aus gewachsen. "So was kann nicht von oben kommen." Mit einem symbolträchtigen und mit tollen Angeboten gefüllten Boot statt mit einem klassischen Infostand präsentierte sich das ausgezeichnete Projekt in Cham. Der Name "inklusissimo" ist erst im Zuge der Preisverleihung entstanden und geht allen Beteiligten noch einigermaßen schwer über die Lippen.

Das Inklusionsteam hat sich in den zurückliegenden sechs Jahren aus den Kirchenvorständen der dekanatszugehörigen Gemeinden zusammengefunden. Im Januar 2013 wurden bei einer Kirchenvorstehertagung erste Kontakte geknüpft. Wenige Wochen später lag bei der Dekantssynode der Antrag vor, einen Inklusionsbeauftragten zu benennen. Der war wenige Monate später gefunden und lud im September des gleichen Jahres zu einem ersten Treffen nach Roth ein.

Fast überall gibt es einen Beauftragten

Das Thema fiel auf fruchtbaren Boden: Bis heute haben 24 von 26 Gemeinden einen Inklusionsbeauftragten benannt. Alle bringen sich aktiv ein. "Darauf sind wir sehr stolz", betont Dr. Paul Gerhard Rösch. Zweimal im Jahr treffen sich die Inklusionsbeauftragen zum Erfahrungsaustausch. Die regelmäßigen bunten Inklusionsgottesdienste, die reihum in immer anderen Kirchen stattfinden, sind Höhepunkte und Fundament der gemeinsamen Arbeit zugleich.

Mit einer "Strategie der kleinen Schritte" arbeitete sich das wachsende Inklusionsteam vor und hat erreicht, dass die Dekanatssynode 2015 zur "Inklusionssynode" gewidmet und im Haushalt Mittel für die Inklusionsarbeit bereitgestellt wurden. Im Januar 2016 startete die Zusammenarbeit mit dem Kompetenz-Zentrum für Barrierefreiheit Capito und die systematische Evaluierung in den Gemeinden begann.

Baustellen gibt es mehr als genug. Beim Vortreffen für die Preisverleihung stehen zahlreiche Kärtchen mit Themen auf dem Boden des Gemeindehaus-Saales in der Kreisstadt. Viele rote Häkchen belegen: Es ist schon einiges geschafft. Es wurden Rampen gebaut, Handläufe befestigt, Markierungen angebracht, Wegweiser angebracht, Gesangbücher in Brailleschrift angeschafft, akustische Unterstützungssysteme installiert, Anschlagtafeln kontrastreich gestaltet, Konzepte überprüft. In Roth absolvierte mit Felizitas Böcher die erste gehörlose Vikarin in Bayern ihr Vikariat und arbeitet jetzt als Pfarrerin in Barthelmesaurach.

Bewusstsein geschaffen

Vor allem aber wurde und wird im gemeindlichen Alltag Bewusstsein für besondere Bedürfnisse geschaffen. Dafür, dass man immer genau hinschauen muss, wo Altgewohntes zur Barriere werden kann. Dazu gehört auch, die Gestaltung von Gottesdiensten, Gemeindefesten und Kirchenvorstandswahlen und Besprechungen durch die Inklusionsbrille zu betrachten. Was braucht es, damit alle sich beteiligen können? Bis hin dazu, dass beim Abendmahl glutenfreie Oblaten für Allergiker bereitstehen und auf Wunsch selbstverständlich Saft statt Wein gereicht wird. Das zweijährige inklusive Sportfestival sportissimo, das 2017 in Schwabach und heuer in Roth stattfand, setzte überörtlich Zeichen für ein gelingendes Miteinander. Ein aktuelles Thema ist Barrierefreiheit in Kitas. Leichte Sprache wird ein Schwerpunkt 2020 sein.

"Wir waren hartnäckig"

Gibt es auch Widerstände? "Wir waren hartnäckig und wir haben uns immer bemüht, alle mitzunehmen. Deshalb erleben wir eine große Offenheit für unsere Anliegen", berichtet Rösch. Manchmal, vor allem bei Bauangelegenheiten, wären bessere Zuschussmöglichkeiten durchaus hilfreich.

Viel wichtiger aber sei, dass der Inklusionsgedanke von möglichst vielen mitgetragen und unterstützt wird. "Mit dem Netzwerk öffnen wir kirchliche Räume – auch Denkräume – , sodass die Verschiedenheit aller Menschen in unseren Gemeinden zur Normalität werden kann." Alle in einem Boot.

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