Offener Brief

Bürgerinitiative geht Ministerpräsident Söder an: Ist der Bannwald in Harrlach Wald zweiter Klasse?

RHV-Redaktion

13.4.2022, 17:32 Uhr
Immer wieder rufen die mittlerweile recht zahlreichen Bürgerinitiativen in der Region zu Protesten gegen das geplante ICE-Ausbesserungswerk im Süden von Nürnberg auf - hier etwa Ende Januar vor dem Nürnberger Verkehrsmumseum.

© Stefan Hippel Immer wieder rufen die mittlerweile recht zahlreichen Bürgerinitiativen in der Region zu Protesten gegen das geplante ICE-Ausbesserungswerk im Süden von Nürnberg auf - hier etwa Ende Januar vor dem Nürnberger Verkehrsmumseum.

"Demnach begrüßen Sie es, wenn das ICE-Werk in der Region Nürnberg gebaut wird, sehen Sie doch andernfalls die Schaffung von 500 hochqualifizierten Arbeitsplätzen in Gefahr", heißt es in dem Offenen Brief. Und weiter:

"Wir fragen uns aber, wie das zu Ihren bisherigen Aussagen und Schreiben an Parteikollegen passt, dass staatseigener Bannwald für genau dieses ICE-Werk weder in Altenfurt noch in Feucht zur Verfügung gestellt werden soll? Auch Ihre Aussagen in Nürnberg-Birnthon waren eindeutig. Sie sagten, dass es sich auch beim Wald bei Harrlach um schützenswerten Bannwald handelt und Sie sich nur deshalb nicht aktiv für die BI Harrlach einsetzen, weil es sich hierbei nicht um staatseigenen Wald handelt.

Wie begründen Sie diese plötzliche Kehrtwende? Das Argument der Arbeitsplätze ist für uns nicht nachvollziehbar. Denn es handelt sich laut Bahnaussage nur um zirka 450 Arbeitsplätze, davon zur Hälfte Anlerntätigkeiten wie Reinigungsarbeiten. Die qualifizierten Arbeitsplätze betreffen in erster Linie Spezialisten wie bei Konzernen üblich im Rahmen einer überbetrieblichen Ausschreibung besetzt. Auf dem freien Arbeitsmarkt gibt es diese nicht – außer vielleicht im Ausbesserungswerk der Bahn in Nürnberg.

Zudem herrscht im Landkreis Roth Vollbeschäftigung mit einer Arbeitslosenquote von 2,8 Prozent. Die Arbeitslosenquote der Stadt Nürnberg ist mit 5,4 Prozent zwar höher, aber weiter fallend. Gleichzeitig nimmt die Zahl der offenen Stellen in vielen Branchen zu, insbesondere Fachkräfte werden überall händeringend gesucht. Fachkräfte müssten also von kleinen oder mittelständischen Unternehmen in der Region abgeworben werden und würden den Arbeitsmarkt eher be- als entlasten.

Auch angesichts dieser Zahlen halten wir es nicht für gerechtfertigt, in Zeiten des Klimawandels für jeden Arbeitsplatz bis zu 100 Bäume zu fällen bzw. 1000 Quadratmeter Bannwald zu roden. Im Interview machen sie die Bürger verantwortlich, geeignete Flächen für ein Werk zu finden, und zitieren angebliche Aussagen wie ,ist mir worscht, wohin das kommt, Hauptsache nicht bei mir'.

Die Bahn ist in der Pflicht

Nach unserem Verständnis ist es Sache des planenden Unternehmens, eine geeignete Fläche zu finden, und nicht die Aufgabe des potentiell geschädigten Bürgers. So benötigte selbst die Bahn mit ihrem großen Mitarbeiterstab mehrere Monate, um festzustellen, dass der Standort Altenfurt aus betrieblichen Gründen nicht geeignet sei.

Wir sind keine Ingenieure oder Stadtplaner, die dies auch nur annähernd leisten könnten. Aber sicher konnten Sie der Bahn Alternativen vorschlagen, als Sie den Standort Nürnberg-Altenfurt im staatseigenen Bannwald ablehnten. Wir von der BI haben mehrere Alternativen eingebracht, zum Beispiel Industriebrachen nutzen, das ICE-Werk modularisieren, um mehr Standortmöglichkeiten in Nürnberg zu finden, oder einen Teil des Nürnberger Hafengeländes (zirka zehn Prozent) zu nutzen.

Die Bahn und der Freistaat haben alle Bemühungen blockiert. Unverständlich, da im Hafengebiet nur wenige Unternehmen umsiedeln müssten. Diese Alternativen wären sicher besser als die Enteignung von Bürger*innen, das großflächige Abholzen von streng geschütztem Bannwald - den auch Sie schützen wollen - und damit quasi die Umsiedlung eines ganzen Dorfs vom Land an einen riesigen "Rangierbahnhof".

Zudem ist das Gelände bei Roth-Harrlach Trinkwassereinzugsgebiet der Region und der Stadt Fürth, die fast 50 Prozent ihres Trinkwassers von hier bezieht. Dieses Gebiet darf nicht gefährdet werden, eine Fehleinschätzung ist unumkehrbar! Aufgrund dieser besonderen Gefahr haben wir uns auch an die Hydrologen Prof. Dr. Martin Grambrow und Dr. Klaus Arzet im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit der Bitte um Unterstützung gewandt." Der Brief endet mit der Feststellung, ein Standort im Bannwald sei "nicht akzeptabel".

Rad-Demo geplant

Um auf ihr Anliegen erneut aufmerksam zu machen, lädt die Bürgerinitiative (BI) "Kein ICE-Werk bei Harrlach“ gemeinsam mit dem Verein „Reichswald bleibt“ und dem Bund Naturschutz (BN) für Sonntag, 24. April, zu einer Fahrraddemo zum Thema „ICE-Werk im Raum Nürnberg“ ein. Hintergrund ist, dass die BI fordert, den vom Bund Naturschutz (BN) eingebrachten Alternativstandort am Nürnberger Hafen „in das Verfahren aufzunehmen und fair und unabhängig zu bewerten“.

Die Demonstration findet als Sternfahrt statt: An verschiedenen Standorten wird gestartet, die Gruppen treffen sich jeweils am Kanal. Gemeinsam radelt man dann weiter zum Alternativstandort Hafen. Dort findet eine Veranstaltung mit Rednern des BN und der Bürgerinitiativen statt.

Für Teilnehmer aus Harrlach, Roth und den umliegenden betroffenen Orten ist geplant: Um 10.30 Uhr wird am Protestcamp/Bolzplatz in Harrlach gestartet. Nächster Treffpunkt (etwa für Mitfahrer aus Roth) ist um 10.45 Uhr die Kanalbrücke bei Meckenlohe (Kreuzung Feldweg/Abzweigung nach Schwanstetten). Um 13 Uhr findet die Veranstaltung des BN am Personenschifffahrtshafen Nürnberg statt. Es sprechen BN-Ehrenvorsitzender Hubert Weiger, der Nürnberger BN-Vorsitzende Klaus-Peter Murawski, Albrecht Röttger vom BN Nürnberg sowie Vertreter der Bürgerinitiativen aus Feucht, Harrlach und Röthenbach b. St. Wolfgang. Im Anschluss besteht die Möglichkeit zum Dialog und zum Unterschreiben von Sammeleinwendungen zum Raumordnungsverfahren.

Zudem unterstützt die BI mit der Sternfahrt die Ukraine-Spendenaktion „Roth hilft“ und sammelt dafür Spenden pro gefahrenem Kilometer. Mehr auch unter www.harrlach.com.

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