Die besseren Krisenmanager

21.3.2020, 08:00 Uhr
Die besseren Krisenmanager

© Foto: Esther Grebien

Nein, ihre Speisekammer sei keineswegs aus viralen Gründen so gut gefüllt. Bevorratung verstehe sich doch von selbst, sagt  Hannelore Täufer. Die 65-Jährige aus Roth-Pfaffenhofen ist gelernte Hauswirtschafterin und Meisterin der Hauswirtschaft.  Seit Mitte der 1990er Jahre engagiert sie sich ehrenamtlich im bayerischen Landesverband des Evangelischen Frauenbundes, wo sie in der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Haushaltsführungskräfte für mehr gesellschaftliches Ansehen des hauswirtschaftlichen Sektors kämpft.

Die besseren Krisenmanager

© Foto: Esther Grebien

Auch wie sich aus einem übrig gebliebenen Kohlstrunk und anderen Gemüseresten ein feines Süppchen zubereiten lasse, wäre für Hannelore Täufer "keine Frage, kein Problem!" Ausgebildete Hauswirtschafterinnen sind offenbar die besseren Krisenmanager. Doch am heutigen "Welttag der Hauswirtschaft" geht es der Hauswirtschaftsmeisterin und ehemaligen Fachlehrerin nicht ums Quarantäne-Management. Sie fordert beruflich und privat: "Mehr Wertschätzung für die Hauswirtschaft!"

 

"Das bisschen Haushalt ist doch kein Problem ..." hat Johanna von Koczian 1977 geträllert. Erinnern Sie sich, Frau Täufer?

Ich hab´s noch im Ohr …

 

Wenn Sie die Dame am "Welttag der Hauswirtschaft" träfen, was würden Sie ihr sagen?

Dass da immer noch dieser verbreitete Irrglaube besteht, Hauswirtschaft kann doch jede und jeder! Aber um einen guten Haushalt zu führen, braucht´s vor allem Fachlichkeit, damit er flutscht.

 

Wollen Sie andeuten, dass man für eine gute Haushaltsführung erst über entsprechende Qualifikationen verfügen muss? So wie beim Führerschein?

Ich will vor allem daran erinnern, dass die Vermittlung hauswirtschaftlichen Wissens früher fest in den Schulen verankert war. Heute ist das Fach nur noch in der 7. Klasse der Mittelschule Pflicht. Das zeugt von keinem sehr hohen Stellenwert.

 

Und trotzdem ist Kochen in.

Ja, aber schauen Sie sich die Rezeptvorschläge im Internet an. Dabei wird schnell klar, wie viel Wissen inzwischen auf der Strecke geblieben ist. Methoden wie Dünsten, Schmoren oder Braten werden oft wild durcheinander geschmissen. Und die Leute haben immer weniger Ahnung von Arbeitsplatzgestaltung oder effektiven Abläufen. Allerdings besitzen sie auch ein Herz für die Essenszubereitung, stimmt. Das ist schon mal eine gute Voraussetzung.

 

Wofür?

Für eine höhere Wertschätzung, die dem hauswirtschaftlichen Bereich – ob auf professioneller Ebene oder im privaten Bereich – unbedingt wieder entgegengebracht werden muss.

 

Laut einer Studie von Oxfam – das ist ein internationaler Verbund verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen – heißt es, dass weltweit zwölf Milliarden Stunden unentgeltlicher Hausarbeit verrichtet würden. Täglich.

Eine unglaubliche Zahl, oder? Würden diese Leistungen nicht erbracht, könnten viele Menschen nicht zur Arbeit erscheinen. Sie müssten hungern, würden ohne gewaschene Wäsche herumlaufen und daheim im Chaos versinken. Um es mal drastisch zu formulieren: Da würde so einiges in unserem System zusammenbrechen. Umso bemerkenswerter ist, dass diese häuslichen Tätigkeiten in keinem Bruttosozialprodukt der Welt Niederschlag finden. Trotz des genannten Kontingents an aufgewendeten Stunden.

 

Aber woher rührt die geringe Wertschätzung fürs Putzen, Waschen und Kochen?

Das hat zum einen mit überkommenen Rollenmustern zu tun: "Frau" erledigt das schon – am besten schnell, unauffällig und nebenbei ...

Zum anderen hängt es wohl mit einer Art Sisyphos-Effekt zusammen: Nach getaner Hausarbeit sieht schließlich keiner mehr, was im Vorfeld alles passiert ist. Das leckere Essen wurde verspeist, der Tisch abgedeckt, die dreckigen Klamotten sind in der Maschine, Boden und Fenster glänzen, der Kühlschrank ist voll... – und dann geht das Spiel von vorne los. Alles ganz selbstverständlich!?

Deshalb mein Tipp: Hängen Sie doch mal einen großen Kalender auf und notieren jeden Tag Ihre Haushaltsbilanz – "Heute zwei Stunden in der Küche produktiv, eine Stunde gewaschen, zwei Stunden geputzt, eine Stunde eingekauft" – da käme etliches zusammen, inklusive "Aha-Effekt".

 

Gibt es denn aktuelle Bestrebungen, das Image der Hauswirtschaft aufzuwerten?

Ja, da wird jetzt ein Aspekt wieder aufgegriffen, der zu Beginn der Frauenbewegung eine große Rolle gespielt hat: Die hauswirtschaftliche Qualifizierung kehrt zurück in den Fokus – ganz vorsichtig zwar – aber es tut sich was ...

 

Beispiel?

Auf Bundesebene – sowohl beim zuständigen Ministerium als auch bei mehreren hauswirtschaftlichen Verbänden und an diversen Unis – wird über die Einführung so genannter "Haushaltsnaher Dienstleistungen" in Form eines staatlichen Gutscheinmodells nachgedacht. Das Ziel: Junge Familien und Alleinerziehende sollen entlastet werden. Dazu erhalten sie Anspruch auf ein gewisses Kontingent an Leistungen – etwa für die Grundreinigung ihrer Wohnung, fürs Waschen der Wäsche oder für die Nahrungszubereitung. Das kann nach Bedarf individuell vereinbart werden. Fakt ist: Da kommt regelmäßig eine oder einer, die oder der diese Arbeiten verrichtet. So bleibt die Berufstätigkeit der Unterstützten gewährleistet.

 

Und inwiefern verhilft das zu einem besseren Image?

Vor dem Hintergrund einer solchen Institutionalisierung würde die Hauswirtschaft nicht nur in ein positiveres Licht gerückt, sondern es ließe sich damit bestimmt auch das Problem der Schwarzarbeit im Bereich der Raumpflege besser lösen. Und: Mit dem Begriff "Haushaltsnahe Dienstleistung" kommt das Berufsfeld Hauswirtschaft ins Gespräch ...

 

… das bis jetzt eher ein Schattendasein führt?

Ja, leider! Dabei erwerben Frauen, die zuhause bleiben, Kinder hüten und den Haushalt schmeißen über die Jahre hinweg unschätzbare hauswirtschaftliche Kenntnisse. Die gilt es zu nutzen. Dieses Wissen lässt sich nämlich durch entsprechende Qualifikation beruflich anerkennen.

 

Wo und wie?

Das Amt für Landwirtschaft bietet dazu Kurse, die mit dem Gesellenbrief als Hauswirtschafterin abgeschlossen werden. Es gibt aber auch Fachschulen für Hauswirtschaft, die sogar über 40-Jährige noch besuchen können. Ich selbst habe mit 39 Jahren meine Ausbildung zur Fachlehrerin für Ernährung und Gestaltung begonnen.

Ich kenne etliche Frauen, die sich nach einer langen Familienpause in diese Richtung weitergebildet haben. Denn es bringt natürlich Unabhängigkeit mit sich, wenn vorhandenes Wissen und Können schließlich eine Berufstätigkeit ermöglichen. Das ist ein "Schatz", der mit Geld, später dann mit einer Rente quittiert wird.

Und um nochmal den Bogen zurück zu den "Haushaltsnahen Dienstleistungen" zu schlagen: Damit würden viele Menschen, vor allem Frauen nach der Familienphase, sofort eine Berufsmöglichkeit haben – sofern sie sich denn qualifizieren ...

 

Was machen Sie eigentlich heute am "Welttag der Hauswirtschaft"? Hamsterkäufe?

Nein, ganz sicher nicht. Ich steh´ ungern in der Schlange. Und ich hab´ alles, was ich brauche. Vorausschauende Planung ist nämlich elementar für hauswirtschaftliches Denken. Vielleicht wirft die aktuelle Situation in diesem Kontext ja tatsächlich ein neues Licht auf das Feld der Hauswirtschaft. Ich werd´ jetzt jedenfalls was Schönes kochen ...