Hexenjagd per Gesetz führte zum Tod vieler Unschuldiger

30.8.2012, 00:00 Uhr
Hexenjagd per Gesetz führte zum Tod vieler Unschuldiger

© Beatrix Frank

Margaretha hockt in einer Ecke des Kellerverlieses auf dem Boden und hat die Arme um ihre Beine geschlungen. Licht dringt nur spärlich in den Raum. Sie zittert am ganzen Leib. Nun, es ist kühl und feucht in diesem Kellerloch. Aber das ist nicht der eigentliche Grund, weshalb ihr ganzer Körper so bebt. Bevor man sie in diese Zelle sperrte, teilte ihr der Inquisitor mit Bedauern in der Stimme mit, dass sie morgen Früh einer peinlichen Befragung unterzogen werden würde.

Hexenjagd per Gesetz führte zum Tod vieler Unschuldiger

Sie hat schon davon gehört. Unter dieser Befragung gestand jeder, was die Obrigkeit hören wollte. Margaretha hat entsetzliche Angst. Sie war immer gottesfürchtig und auf ihr Seelenheil bedacht gewesen. Seit ihr Johann vor zwei Wintern auf dem Weg zum Markt erschlagen worden war, musste sie allein zurechtkommen.

Zum Glück hatte sie viel von der Mutter gelernt, die sich gut in der Heilkunst auskannte. Die Leute im Dorf und in der Umgebung schätzten sie und ihre Arbeit, egal ob eine Frau in den Wehen lag oder eine Kuh Probleme beim Kalben hatte. Nun wirft man ihr Buhlschaft mit dem Teufel vor, und den Brunnen im Dorf soll sie vergiftet haben. Dabei wurden darin tote Ratten und Mäuse gefunden.

Man schreibt das Jahr 1591. Was Margaretha nicht ahnt: Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits unrettbar verloren und nur noch „verbranntes Fleisch“.

Margaretha Kurz aus Mildach lebte in einer Zeit, die durch Seuchen, Kriege, Bauernaufstände, Raubrittertum und Verelendung der Bevölkerung gekennzeichnet war. Die Kleine Eiszeit, besonders hart zwischen 1450 und 1715, verursachte oftmals lange Winter und nasse, kurze Sommer. Das Korn schimmelte auf den Feldern. Hungersnot und Krankheiten waren die Folge.

Gleichzeitig betrieb die katholische Kirche Ablasshandel und Vetternwirtschaft. Päpste und Kardinäle führten ein Leben in Luxus. Aus Liebschaften gingen zahlreiche uneheliche Kinder hervor. Damit verlor die katholische Kirche immer mehr an Glaubwürdigkeit. Es war die Zeit der Reformation, Martin Luthers, Galileo Galileis und des fränkischen Raubritters und Bauernführers Gottfried „Götz“ von Berlichingen.

Schlimme Drohungen

1484 verfasste Papst Innozenz VIII. die sogenannte Hexenbulle. Mit dieser Verfügung erlangte die Hexenverfolgung vor allem in Deutschland ungeahnte Dimensionen. Jeder Zweifel an der Existenz von Hexen hatte die Androhung der Exkommunikation, den Ausschluss aus der Kirchengemeinde, zur Folge.

In Anlehnung an die Hexenbulle erstellte Dominikaner und Inquisitor Heinrich Institoris 1486 den „Hexenhammer“. In diesem Schriftstück forderte er, mit vermeintlich wissenschaftlichen Argumentationen, die Ausrottung von Hexen und Hexern sowie die aktive Mithilfe der Bevölkerung. Der „Hexenhammer“ richtete sich hauptsächlich gegen Frauen, die nach Institoris’ Ausführungen „ein Übel der Natur wären, Defizite im Glauben hätten und sexuell unersättlich“ seien.

In der „Carolina“, der „Kaiserlichen Halsgerichtsordnung“ aus dem Jahr 1532 unter Kaiser Karl V., galt Hexerei als Kapitalverbrechen. Dafür gab es nur ein Urteil: den Tod.

Im August 1591 befahl der Ansbacher Markgraf Georg Friedrich (1556–1603) „die Ausrottung von hochschädlichen Personen, die mit Zauberei oder teuflischem Trutenwerk (Trudenwerk) behaftet“ wären.

Brutal hingerichtet

Im November 1591 wurden Margaretha Kurzin (Kurz) aus Miltau (Mildach) und Ottilia Kunin (Kuhn) aus Kammerstein als Hexen angeklagt, in Schwabach der Folter unterzogen und 1592 hingerichtet. Seit 1554 gab es in Kammerstein keinen Rechtspfleger, sodass Ereignisse aus dieser Zeit nur unvollständig belegt sind. Ottilia Kunin aus Kammerstein gestand sehr bald unter der Folter und wurde am Samstag, 1.April 1592, in Schwabach auf dem Scheiterhaufen öffentlich verbrannt. Margaretha Kurzin aus Mildach wurde mehrfach „peinlich befragt“ (gefoltert). Sie ereilte, so vermutet man, das gleiche Schicksal.

Häufig geschah es, dass ein Nachbar zum Denunzianten wurde. Waren es Streit, Missgunst oder Pech, weil die Kuh plötzlich starb und man einen Schuldigen brauchte oder auch verschmähte Liebe? Gründe gab es viele für Denunziantentum.

Tobte der Hexenwahn Europas am heftigsten in Deutschland, so waren Franken und Westfalen die unrühmlichsten Regionen.

2002 schlug Helge Schnütgen, ehemaliger Schulleiter und Kirchenvorstand aus Kammerstein, nach einem Artikel über Hexenverfolgung und einem Themenabend des evangelischen Frauenkreises vor, in Gedenken an den Tod von Ottilie Kuhn eine Gedenktafel anzubringen. Eine Spendenaktion im Frauenkreis und ein Gespräch mit Bürgermeister Walter Schnell folgten. „Damit wurden offene Türen eingerannt“, erinnert sich Schnell. „Die Demokratie und das Erreichte nach dem Krieg in Richtung offene und tolerante Gesellschaft ist sehr zerbrechlich“.

Ausgrenzung von Menschen finde auch noch heute statt. Besonders furchtbar sei der Gedanke, dass ein Kammersteiner damals Ottilie Kuhn denunziert haben könnte. „Wir machen einen Fehler: Wir reden unsere Welt schlecht.“

Am 24. November 2002 wurden Ottilie Kuhn in Kammerstein und am 23. November 2003 Margaretha Kurz in Barthelmesaurach, stellvertretend für die zahlreichen anderen Opfer, rehabilitiert. Diese Rehabilitation wurde von der Kommune und der Gemeinde durchgeführt, vertreten durch Bürgermeister Walter Schnell und die ehemaligen Kirchenvertreter, Pfarrer Martin Bek-Baier und Pfarrer Gerhard Winter.

Im Jahr 2000 gestand Papst Johannes Paul II. öffentlich, als erster Papst, Fehlverhalten und Irrtümer der katholischen Kirche ein. Er meinte damit die Verfolgung Andersgläubiger, Folter und Inquisition.

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