Protestaktion

ICE-Werk: Harrlach hat viele Fragen an die Bahn

28.5.2021, 07:00 Uhr
Während die Vertreter der Deutschen Bahn vor dem Rother Stadtrat über ihre Pläne für ein ICE-Ausbesserungswerk berichteten, demonstrierten vor der Kulturfabrik die Harrlacher dagegen.  

© Marco Frömter, NN Während die Vertreter der Deutschen Bahn vor dem Rother Stadtrat über ihre Pläne für ein ICE-Ausbesserungswerk berichteten, demonstrierten vor der Kulturfabrik die Harrlacher dagegen.  

Bei der Suche nach einem möglichen Standort für das geplante ICE-Ausbesserungswerk hat die Deutsche Bahn einen weiteren Punkt auf die Landkarte gesetzt. Und damit den Widerstand um ein paar Töne angereichert.

Zu einem der neun möglichen Standorte, die für das Ausbesserungswerk infrage kommen und geprüft werden, gehört jetzt auch ein Teil von Roth. Genauer gesagt, Harrlach, ein kleiner Ortsteil ganz im Osten des Stadtgebietes. Ursprünglich war seit der Bekanntgabe der Orte vor vier Wochen von „Allersberg/Pyrbaum“ die Rede. Aber durch den Verkauf des Gewerbegebietes in Allersberg an den Projektentwickler P3 muss die Fläche, die die Bahn für ihr Werk im Auge hat, ein Stück nach Norden rutschen, und jetzt grenzt das Areal, das nach etlichen Kriterien auf seine Verträglichkeit untersucht wird, an Harrlach an.

Demo vor der Kulturfabrik

Grund genug für die Harrlacher, pünktlich zur Stadtratssitzung vor der Kulturfabrik mit Trillerpfeifen, Rasseln und Plakaten gegen den Plan zu demonstrieren. Und Gelegenheit für die Harrlacher Ortssprecherin Sonja Ehemann, vor dem Stadtrat die gesammelten Fragen und Bedenken der Anwohner an die beiden DB-Vertreter loszuwerden.


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Bisher, so betonen Karlheinz Holzwarth und Carsten Burmeister vom Bahn-Konzern, werden die neun möglichen Standorte für das 400 Millionen Euro teure Werk, das Ende 2028 in Betrieb gehen soll, lediglich geprüft. Eine Liste mit 33 Kriterien sei dafür maßgeblich. Gebraucht wird ein Gelände, das 3200 Meter lang und 450 Meter breit ist oder 4450 Meter lang und 300 Meter breit. Die Nähe zum Nürnberger Hauptbahnhof, zu einem Hauptgleis der Bahn, eine zweigleisige Zufahrt und vor allem die für 300 Meter lange Züge nötige Länge sind unabdingbar.

Dazu kommen Fragen etwa zum Lärm, zu Altlasten, Bannwald, Artenschutz, Wasser, Erholungsfunktion, Bodenfruchtbarkeit oder Landschaftsbild. Aus all den Punkten werde ein Bewertungsranking erstellt. Erst dann stelle man für die dann verbliebenen Standorte den Antrag auf Raumverträglichkeit.

Transparente Dialoge

Gleichzeitig, so betont die Bahn, will man „bewusst nicht im Stillen“ planen, sondern „transparent Themendialoge anbieten“ und „Zwischenstände vorstellen“. „Gern kommen wir zu einer Bürgerversammlung“, versprach Projektleiter Carsten Burmeister denn auch der Harrlacher Ortssprecherin auf ihre Frage. Sonja Ehemann hatte aber nicht nur diese Einladung und eine umfangreiche Unterschriftenliste gegen das Projekt mitgebracht, sondern konfrontierte die DB-Vertreter auch mit einer ganzen Reihe von Fragen.

Zum Beispiel: Was sei von den Ausschlusskriterien Naturschutzgebiet, Reichswald, Landschaftsschutz- und Vogelschutzgebiet zu halten, wenn Harrlach trotzdem untersucht wird? Laut Bundesnaturschutzgesetz fallen die Gebiete aber nicht darunter, korrigierte Burmeister. In der nächsten Stufe zwei würden diese Besonderheiten des Standortes aber berücksichtigt.


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Was ist mit der Wasserver- und Abwasserentsorgung? Müssen neue Brunnen gebohrt werden? Sei dann die Wasserversorgung überhaupt noch gesichert, wenn noch mehr Wasser aus dem Grundwasser gezogen werde? Die Dürre 2018 habe schon für erhebliche Schäden gesorgt, erinnerte die junge Frau. Nein, bei Wasser, Abwasser und Strom gehe man davon aus, dass das Werk an die Versorgung vor Ort angeschlossen werde, entgegnete Burmeister. Für die Reinigung der Züge werde Wasser aufbereitet, Frischwasser werde vor allem für duschende Mitarbeiter und das Auffüllen der Wassertanks in den Zügen benötigt.

Natürliche Barriere fehlt

Ein für die Harrlacher besonders wichtiges Thema ist der Lärm, zu erkennen schon an den Plakataufschriften „130 Dezibel“ bei der Demo vor der Tür. „Wenn der Wald weichen muss“, so Ehemann, dann fehlt die natürliche Barriere zwischen Ort und Autobahn und Bahnlinie. Ältere Harrlacher berichten aus der Zeit, als der Wald noch jung war, von extrem hohem Lärmpegel. Ehemann fragte: „Gibt es Pläne, wie der Lärm reduziert werden kann?“

Lärmschutzgutachten werden für alle infrage kommenden Standorte erstellt, beschied der Projektleiter und versicherte: „Die Situation darf hinterher nicht schlimmer sein als vorher“. Leider müsse in einem Ausbesserungswerk an bestimmten Stellen immer noch gehupt werden, das könne auch für den Betriebsbeginn im Jahr 2028 nicht sicher ausgeschlossen werden. Aber dafür werde es Lösungen geben – etwa mit einer Lärmschutzwand.

Die Anfahrt zum Werk auf der Straße werde bestimmt von Süden geplant, wo ja auch das Allersberger Gewerbegebiet erschlossen werde. Auch die Autobahnabfahrt Allersberg liegt im Süden, also sei Harrlach davon nicht tangiert. Zwei Straßen von Harrlach Richtung Osten werden dabei auch überplant. „Ja, die müssten wir untertunneln oder verlegen“, gab Burmeister zu.

"Was ist mit dem Flächenausgleich?", wollte Ehemann außerdem wissen. „Wir haben nur sehr begrenzt Flächen, niemand ist begeistert, wenn seine Flächen dann als Ersatz herhalten müssen.“ Auch darüber mache man sich „Gedanken“, sicherte der Projektleiter zu. Von einer Wertminderung der Flächen, wie man in Harrlach befürchtet, gehe man bei der Bahn „grundsätzlich nicht aus“. Die geplanten 450 Arbeitsplätze – etwa zur Hälfte Techniker, zudem Lokführer, Ingenieure, Werksleitung, Planung und zu zehn bis zwölf Prozent Reinigungspersonal – sehe man als Mehrwert für die Region und wolle sie auch aus der Region besetzen.

Harrlach soll im Namen stehen

Nach der ausführlichen Fragestunde gab sich Sonja Ehemann mit den Antworten und der Zusicherung der Bahn, zur Bürgerversammlung zu kommen, zufrieden. Aber eins war ihr doch noch wichtig: Das Areal nur als Allersberg/Pyrbaum zu bezeichnen, sei verwirrend. Wenn Harrlach dabei ist, dann soll das Projektgebiet doch bitte auch so genannt werden.


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„Duschen, ohne nass zu werden, geht nicht.“ So kommentierte der Rother Bürgermeister Ralph Edelhäußer die Pläne. „Wenn ich A zur Schiene sage, muss ich auch B zum Ausbesserungswerk sagen.“ Aber die Ängste der Bürgerinnen und Bürger in Harrlach sollten ernst genommen werden. „Denn sie wissen nicht, was da auf sie zukommt.“ Der Rother Stadtrat werde die Pläne „kritisch, aber nicht unfair“ begleiten – aber „wissend, dass wir sie nur am Rande beeinflussen können“.

Nein zum Instandsetzungswerk

Vor der Kulturfabrik wurde währenddessen demonstriert: Ein klares und deutliches „Nein!“ verkündeten rund 50 Bürgerinnen und Bürger des Ortsteils Harrlach im Rahmen einer kurzfristig anberaumten Demonstration vor der Stadtratssitzung. Erst vor wenigen Tagen sei ihnen bekannt gemacht worden, dass die Deutsche Bahn ein großes ICE-Instandsetzungswerk vor deren Haustüren plane. Entsprechende Voruntersuchungen und das Planungsverfahren seien bereits in vollem Gange, heißt es in einem Schreiben, das dieser Tage an Politik, Verwaltung und Presse versandt worden war.

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„Wir leisten Widerstand und wehren uns gegen dieses Vorhaben“, erklärte Jürgen Amrhein lautstark durch das Megafon vor der Kulturfabrik. „Wir sind alle gegen dieses Projekt.“ Es soll nun alles unternommen werden, um den Bau des Instandsetzungswerks zu verhindern: „Und wenn ich mich an einem Baum festbinden muss“, wetterte Amrhein.

Sollte es tatsächlich so weit kommen, dass die Deutsche Bahn in den Wäldern vor Harrlach zu bauen beginne, müsse dies unbedingt im Dialog mit den Anwohnern erfolgen, so eines der geforderten Ziele. „Wollte ich Industrie in der Nachbarschaft, dann hätte ich auch ins Ruhrgebiet ziehen können.“ Deshalb zierten Aussagen - wie „Rettet Harrlach“ oder „Wir wollen kein ICE-Werk“- zahlreiche Schilder der demonstrierenden Harrlacher.

Erst am Freitag informiert

Die Demonstration zum Zeitpunkt der Stadtratssitzung durchzuführen, sei mit der „heißen Nadel gestrickt“ worden: „Wir wissen erst seit Freitag von den Plänen der Bahn.“ Selbst die Stadtverwaltung sei erst letzte Woche informiert worden, erklärte Bürgermeister Ralph Edelhäußer im Dialog mit den Ortsteilbewohnern. Wohl wissend, dass dieses Thema auf der Tagesordnung des Gremiums stehen würde und Vertreter der Deutschen Bahn anwesend seien, habe man schnell reagiert und eine Demonstration organisiert.

„Wir finden es bemerkenswert, dass ein Projekt, das so erheblich und nachhaltig in die Lebensqualität unserer Ortschaft eingreift, heimlich an uns vorbeigehen soll und wir vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wir haben ein Recht auf Unterrichtung.“ Die Anwohner tragen Sorge, dass die intakte Natur – und nicht zuletzt Harrlach selbst – Schaden davontrage.

Eine Verschlechterung der Lebensqualität sei vorprogrammiert. „Betriebslärm, erheblich steigender Durchgangsverkehr und viele Nachteile, die wir zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht benennen können, sehen wir mit größten Bedenken.“ Eine Bürgerversammlung und die Beantwortung eines an die Verantwortlichen gerichteten Fragenkataloges bleibt nun abzuwarten.

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