Kundgebung vor dem Kreistag

Juraleitung und ICE-Werk: Rohrer und Harrlacher protestieren

7.7.2021, 06:00 Uhr
Lautes Hupen, Protestrufe, Plakate: Die Trassengegner der Juraleitung P53 und die Harrlacher Bürger, die sich gegen das angedachte ICE-Werk bei Allersberg stemmen, machen vor und während der Kreisausschusssitzung für ihre Anliegen gehörig Lärm.

© Detlef Gsänger, NN Lautes Hupen, Protestrufe, Plakate: Die Trassengegner der Juraleitung P53 und die Harrlacher Bürger, die sich gegen das angedachte ICE-Werk bei Allersberg stemmen, machen vor und während der Kreisausschusssitzung für ihre Anliegen gehörig Lärm.

Der Bürgerprotest gegen die neue Höchstspannungsleitung P53, genannt Juraleitung, ist ungebrochen. Auch der Protest der Harrlacher Bevölkerung gegen das mögliche ICE Werk in ihrer Nähe. „Unsinnig, brauchen wir nicht, ein Projekt, das negativen Einfluss auf Mensch, Tier und Natur hat“, heißt es zu beiden Projekten.

Die seit Jahren heftig umstrittene Höchstspannungsleitung geht nun ins Genehmigungsverfahren. Teil 1: das Raumordnungsverfahren. Bis zum 16. Juli können auch Bürgerinnen und Bürger ihre Stellungnahmen zum beabsichtigten Projekt abgeben. Die Kritiker bezweifeln die Sinnhaftigkeit des Projekts. Die Hochrüstung der Juraleitung sei weder für die Versorgungssicherheit Bayerns - die im Übrigen von den Befürwortern immer wieder ins Feld geführt wird - noch für die Versorgung Mittelfrankens erforderlich.

Überregionale Stromverteilungsnetze als "Dinosaurier": Die P53-Gegner setzen ganz generell auf mehr alternative und dezentrale Energieversorgung.

Überregionale Stromverteilungsnetze als "Dinosaurier": Die P53-Gegner setzen ganz generell auf mehr alternative und dezentrale Energieversorgung. © Detlef Gsänger, NN

Kritisiert wird neben vielen weiteren Punkten auch das Fehlen einer Kosten-Nutzen-Analyse. Vier umfängliche Fragen hatte Kreisrat Cornelius Voigt (Die Linke) vorbereitet, deren Beantwortung von den Projektbeauftragten nachgereicht werden soll. Unter anderem wollte er wissen, ob der prognostizierte Strommangel im Versorgungsgebiet der neuen Stromtrasse durch regional erzeugte regenerative Energie kompensiert werden könnte. „Eher nein“, hieß es vorsichtig.

Ersatz für die Kernkraft

Klar ist: Bis 2022 sollen die zwei noch in Betrieb befindlichen bayerischen Kernkraftwerke vom Netz gehen. Laut den Klimaschutzzielen der Bundesregierung wird künftig auch der Einsatz von Mineralöl-, Braun- und Steinkohlekraftwerken deutlich zurückgehen. Stattdessen soll die Versorgung mit erneuerbarer Energien zunehmen. Demgegenüber steigt der Strombedarf stetig.


Juraleitung: Start des Raumordnungsverfahrens


Die Firma TenneT beabsichtigt deshalb, die zwischen Raitersaich im Regierungsbezirk Mittelfranken und Altheim im Regierungsbezirk Niederbayern bestehende 220-Kilovolt-Leitung, die sogenannte „Juraleitung“, nach den Vorgaben des Bundesbedarfsplangesetzes durch eine leistungsstärkere 380-Kilovolt-Leitung zu ersetzen.

Der Stand: TenneT will die neue 380-kV-Leitung im Norden Schwabachs bauen und sich dabei an der bereits bestehenden 220-kV-Leitung orientieren. Für das bevorstehende Raumordnungsverfahren wurde ein entsprechender „Raumordnungskorridor“ eingereicht. Dieser 100 Meter breite Streifen ist noch keine detaillierte Planung, macht aber deutlich, wo TenneT die aus ihrer Sicht bestmögliche Trasse entlangziehen will.

Nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens wird vor der Umsetzung des Vorhabens noch ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt. Dieses wird auf Antrag der Firma TenneT eingeleitet und von der jeweils zuständigen Regierung durchgeführt. Im Planfeststellungsverfahren wird dann die endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens getroffen. Dabei erfolgt dann auch die Feintrassierung der Leitung und die Bewertung privatrechtlicher Belange.

„Auf der Hut bleiben“

Die auf rund 160 Kilometer Länge durch die Regierungsbezirke Mittelfranken, Oberbayern, Oberpfalz und Niederbayern verlaufende neue Leitung soll überwiegend entlang der bereits bestehenden Leitung als Freileitung geführt werden. Für drei Abschnitte (Katzwang, Ludersheim und Mühlhausen) ist der Einsatz von Erdkabeln vorgesehen. Nach Inbetriebnahme des Ersatzneubaus ist ein Rückbau der Bestandsleitung geplant.

Aufatmen können diejenigen Gemeinden im Landkreis Roth, die von der Südtrasse betroffen gewesen wären. Hier wird eine tiefere Prüfung im Raumordnungsverfahren jetzt nicht mehr durchgeführt. „Wir müssen aber auf der Hut bleiben“, merkte auf Anfrage Büchenbachs Bürgermeister Helmut Bauz an.


Juraleitung P53: Tennet plant Erdverkabelung in Katzwang


Östlich der Bundesstraße 2 schwenkt der Korridor wieder nach Norden zur Bestandstrasse und führt von Wolkersdorf nördlich der Sandgrube in Richtung Katzwang. Dort soll die Erdverkabelung beginnen. Von dort sollen entlang der Bestandstrasse die Bahnlinie, das Rednitztal, Katzwang und der Kanal „unterbohrt“ werden, so der TenneT-Sprecher. „Eine neue Freileitung durch Katzwang ist wegen der dichten Bebauung nicht möglich“.

TenneT geht davon aus, dass das Raumordnungsverfahren etwa ein Jahr dauert. An dessen Ende steht die „Landesplanerische Beurteilung“ durch die Behörden. Sie ist die Grundlage für das dann folgende Planfeststellungsverfahren. Erst dieses sorgt für Baurecht. Der Übertragungsnetzbetreiber erwartet den Beginn des Planfeststellungsverfahrens 2023. Baubeginn werde wohl 2026 sein.

Enormer Flächenbedarf für die Bahn

Gegen die Abholzung des Bannwalds für das potenzielle ICE-Werk wendet sich unter anderem die Harrlacher Bürgerinitiative.

Gegen die Abholzung des Bannwalds für das potenzielle ICE-Werk wendet sich unter anderem die Harrlacher Bürgerinitiative. © Detlef Gsänger, NN

So weit wie das Vorhaben Stromtrasse ist die Standortsuche für ein neues ICE-Werk noch lange nicht. Aus einem Kreis mit 70 möglichen Standorten haben sich mittlerweile neun Standorte herauskristallisiert, an denen sich die Bahn vorstellen kann, das Projekt zu verwirklichen. In einer ersten Stufe wurden neun Standorte nach betrieblichen Gesichtspunkten der Bahn ausgewählt.

Im zweiten Schritt wird für diese neun Standorte untersucht, welche Auswirkungen die Ansiedlung eines ICE-Werks auf die Menschen und die Natur hat. Dafür werden von der Bahn Studien und Untersuchungen der Natur und der Umgebung für alle neun Standorte in Auftrag gegeben.


ICE-Werk: Harrlach hat viele Fragen an die Bahn


Die Ergebnisse sollen im November 2021 zum Start des Raumordnungsverfahrens vorliegen. Beim Raumordnungsverfahren prüft die Regierung Mittelfranken, wie raumverträglich die Standorte sind. Anschließend werden die Pläne in einem Planfeststellungsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht und das Baurecht beantragt. Die Inbetriebnahme ist auf Ende 2028 terminiert.

Die ICE-Flotte der Deutschen Bahn wächst. Statt der derzeitigen 330 sollen binnen fünf Jahren 420 Hochgeschwindigkeitszüge fahren. Das soll die Großstädte in einem deutlich dichteren Takt verbinden. Irgendwann einmal soll eine Flotte aus 600 ICE-Zügen in Deutschland unterwegs sein, so die Vision.

Juraleitung und ICE-Werk: Rohrer und Harrlacher protestieren

© NN-Grafik

Ein kilometerlanges Werk

Im ICE-Werk werden Züge von innen und außen gereinigt. Außerdem können Schäden identifiziert und repariert werden. 25 Züge sollen täglich gewartet werden. Für den Bau des Werks gibt es zwei Varianten. Je nach Fläche oder Lage zu den Schienen kommt eine der beiden Varianten für den Standort infrage. Die eine Variante braucht eine Fläche von 4,5 Kilometern Länge und 300 Metern Breite, die andere 3,2 Kilometer in der Länge und 450 Meter Breite. Kernstück ist die Werkhalle über sechs Gleise und mit einer Länge von etwa 450 Metern. Hinzu kommen Betriebsgleise sowie Sozial- und Bürogebäude.

Ein möglicher Standort wäre der Bereich Allersberg/Pyrbaum mit direkten Auswirkungen auf Harrlach. Sowohl aus diesem Ort als auch aus Allersberg kommen kritische Stimmen. Jüngst hat sich auch Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer in die Diskussion eingeschaltet. Zusammen mit den Gewerbegebieten I und II entstünde in Allersberg ein gigantischer Komplex auf der grünen Wiese, beziehungsweise mitten im Bannwald.


Edelhäußer gegen ICE-Werk bei Allersberg


Ein für die Harrlacher besonders wichtiges Thema ist der Lärm, zu erkennen schon an den Plakataufschriften „130 Dezibel“ bei der Demo vor der Tür. „Wenn der Wald weichen muss, dann fehlt die natürliche Barriere zwischen Ort und Autobahn und Bahnlinie.“ Für den Projektleiter der Bahn ist das Thema Lärm kein Thema. „Das ist gut beherrschbar.“

Für Landrat Herbert Eckstein ist die Lautstärke der Demonstranten nicht entscheidend, sondern die fachlichen Kriterien. Die Entscheidung für die letztendliche Auswahl eines Standortes müsse objektiv und nachvollziehbar sein. Da bislang noch keine Unterlagen vorliegen, könne er keine Bewertung abgeben. Allerdings könne er nicht verstehen, dass die Bahn einst im Zuge der Privatisierung ein geeignetes Gelände in Nürnberg am Rangierbahnhof verscherbelt hätte. Ein Gelände, das jetzt für die Neuausrichtung fehle. Dafür müsse nun Wald gerodet und eine Infrastruktur neu geschaffen werden.

Keine Kommentare