Lametta ist in Franken nur noch Geschichte

18.12.2015, 10:36 Uhr
Lametta ist in Franken nur noch Geschichte

© Foto: Oliver Berg dpa/lnw

Unser bekanntestes und beliebtestes Symbol zur Weihnachtszeit ist der Christbaum: „Der Baum muss glänzen, glitzern, funkeln, blenden, dass einem die Augen übergehen.“ Erstaunlich, dass der Brauch keine 400 Jahre alt ist. Gesichert ist, dass die in Deutschland – und hier vor allem im Raum Roth – im 19. Jahrhundert neu entstandene „Christbaumschmuckindustrie“ sehr entscheidend zur Verbreitung dieses Brauchs beigetragen hat.

Seit 90 Jahren produziert auch das fränkische Unternehmen „Riffelmacher & Weinberger in Roth unter anderem Weihnachtsschmuck. Mit dem verkündeten Ende der Sparte „Lametta“ endet in der Kreisstadt nun eine alte Fertigungs- und Wirtschaftstradition. Wurden im Unternehmen für die Lametta-Produktion einst 50 Tonnen Material jährlich verarbeitet, waren es zuletzt nur ein paar Hundert Kilo gewesen, sagte Enzenhöfer gegenüber der dpa. Mittlerweile, so der Verkaufsleiter, werde der meiste Weihnachtsschmuck in China hergestellt. „Es gibt nur noch wenige Restbestände unserer Ware im Handel.“ Enzenhöfer ist allerdings nicht allzu traurig, denn stattdessen kämen neue Weihnachtsprodukte auf den Markt —wie Kunststoff-Girlanden.

Einst gab es in Roth — und in Allersberg — mehrere Unternehmen, die Lametta produzierten. Die Stadt an Roth und Rednitz war das Zentrum der sogenannten Leonischen Industrie, in der Feinmechaniker Metalldrähte und -fäden verarbeiteten — etwa zu Schmuck und Lametta.

Die Großhändler von Lameta saßen bereits vor dem Ersten Weltkrieg in Nürnberg, schreibt Ralf Rossmeissl in seinem Buch „Glanz & Glitzer“, das dem Leonischen Christbaumschmuck aus Roth und Allersberg gewidmet ist. Die fränkische Kleinstadt Roth aber galt, weil ihr Name zunächst nicht auf den Verpackungen stand, als die unbekannte Welthauptstadt des Lametta. 1569, hält Rossmeissl fest, sei die Leonische Feindrahtindustrie von dem Lyoner Drahtzieher Anthoni Fournier und seinen Söhnen im Raum Roth begründet worden. Ihre Herkunft wurde namensgebend, denn die burgundische Metropole Lyon war seit dem Mittelalter berühmt für ihren Drahtzug und das Bortengewerbe.

Woher der Name Lametta kommt, kann auch Rossmeissl nur vermuten. Wohl von dem franzöischen Fachbegriff Lamé, dies ist eine Zusatzbezeichnung für Gewebe, die unter Mitverwendung leonischer Fäden (Metallgamen) hergestellt wurden.

Erstmal fand Rossmeissl den Begriff Lametta 1784 in einem Firmenjournal der Rother „lionischen Drahtfabriquen“ Johann Balthasar & Sohn Philipp Friedrich Stieber, nachgewiesen als Bezeichnung für einen versilberten Kupferplattdraht. 1882 präsentierte die Allersberger Firma Gilardi auf der Kunstgewerbeausstellung in Nürnberg ein „Christbäumchen, ebenso mit leonischen Drähten verziert“. Drei Jahre später tauchte der Begriff „Lametta“ erstmals in einer Auflage des Brockhaus-Lexikons auf. Die Entwicklung der Christbaumschmuckindustrie und somit auch das neue Absatzgebiet des Silberplättdrahtes „Lametta“ muss am Ort rasant erfolgt sein. 1883 wurde von Wilhelm Schindler in Roth die erste Fabrik zur Produktion von Christbaumschmuck gegründet. Weitere Firmen schossen empor. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet die Produktion ins Stocken, doch in den 1920er Jahren folgte eine weitere Gründungswelle.

Das Rohmaterial, also flach gewalzter leonischer Draht, erhielten alle Firmen von der Leonischen Drahtwerke AG. Um die Nachfrage nach Christbaumschmuck zu befriedigen, wurden zudem zahlreiche Heimarbeiter beschäftigt. Auch während des Zweiten Weltkrieges brach die Lametta-Christbaumschmuckproduktion nicht ein. So erhielt 1942 die Firma Riffelmacher und Weinberger beispielsweise vom Kommando der Marinestation der Ostseee einen Auftrag zur Lieferung von 17 000 Päckchen Lametta.

Lametta ist Sondermüll

Mit fortschreitendem Kriegsverlauf und damit einhergehender Mangelwirtschaft musste jedoch auch die Christbaumschmuckindustrie Einschränkungen in Kauf nehmen, ist dem Rother Stadtlexikon zu entnehmen. In der Produktion stieg man zudem auf das kostengünstigere Zink-Blei-Lametta um. Nach dem Krieg erfolgte erneut ein Aufschwung, weil die amerikanischen Besatzer das Lametta für sich entdeckten.

Zug um Zug eroberte jedoch die Konkurrenz aus China den Lametta-Markt, was auch immer deutlicher die Firma Riffelmacher und Weinberger zu spüren bekam. Außerdem verdrängten die bunten Kugeln zunehmend den Lametta-Schmuck am Baum.

Umweltschützer weinen dem Lametta keine Träne nach. Es enthalte giftiges Blei und müsste als Sondermüll entsorgt werden, wurde immer wieder gewarnt.

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