"Defrustare - Verschollen"

Missbrauch in der Kirche: Neuer "Dadord in Frangn" ist erschienen

16.11.2021, 06:00 Uhr
Krimi-Autor Roland Geisler (62) weiß, wovon er schreibt. Der Wahl-Allersberger war viele Jahre Ermittler und baut die Handlungen seiner Bücher auf den Erfahrungen eines ganzen Berufslebens auf. Im neuesten Band "Defrustare - Verschollen" widmet er sich den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Auf gut fränkisch.

© Tobias Tschapka, NN Krimi-Autor Roland Geisler (62) weiß, wovon er schreibt. Der Wahl-Allersberger war viele Jahre Ermittler und baut die Handlungen seiner Bücher auf den Erfahrungen eines ganzen Berufslebens auf. Im neuesten Band "Defrustare - Verschollen" widmet er sich den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Auf gut fränkisch.

Allmächd, der Bachmeyer Schorsch! Kennen´s den? Ein Franke, wie er im Buch steht: kernig und ehrlich, aber auch sympathisch, weil menschlich. Nicht zu vergessen: sein ausgeprägtes Faible für deftige Wirtshausmahlzeiten oder prickelnde Schäferstündchen.

Und Geschichten kann der erzählen! Von illegitimen Porno-Kollektiven, islamistischen Terrorzellen, von Satanisten-Praktiken, Tötungsdelikten aus dem Escort-Milieu oder Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche. En detail, alles vor der Haustür. Denn als Ermittler der Nürnberger Mordkommission ist der Bachmeyer Schorsch ganz nah dran.


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Und da sitzt er einem dann schließlich gegenüber in seiner modern gestylten Wohnung am Rande Allersbergs, nippt am Espressotässchen, tippt auf die stattlichen Taschenbücher, die sich vor ihm türmen, nickt, lächelt und meint: „Jawoll, so bin ich - durch und durch!“ Ein E-Biker, Kreuzfahrer, Jäger, Teamplayer, Gourmet, Romantiker...

Roland Geisler heißt er, dieser Schorsch Bachmeyer. Also im richtigen Leben. Geisler, der Autor, hat sich nämlich mit Bachmeyer, der Romanfigur, ein Alter Ego erschaffen, eine Art zweites Ich. Obwohl die Fiktion im Fall Geisler/Bachmeyer manchmal gar nicht so leicht von der Realität zu trennen ist... - Vewirrung perfekt? Okay, von vorn:

Einer von den Guten

„Ich wollte schon immer einer von den Guten sein“, lautet die persönliche Moralphilosophie des Roland Geisler, der 1959 in Schwarzenbruck das Licht der Welt erblickt. Als er Anfang der 1990er Jahre Ermittler bei der Zollfahndung Nürnberg wird, geht „quasi ein Traum in Erfüllung“. Aber Geisler will mehr, studiert, steigt in den gehobenen Dienst beim Zollkriminalamt auf, zieht nach Köln.

Die Behörde ist der Generalbundesanwaltschaft unterstellt, gibt sich demnach nicht mit „kleinen Fischen“ ab. Geisler wird im Bereich „Profileration“ tätig. Das betrifft „die Weitergabe von Atomwaffen oder Mitteln zu deren Herstellung“. Und man ahnt´s: Dieses Berufsleben - „des war scho´ manchmal Adrenalin pur“, sagt er in gefälligem Fränkisch und erzählt von weitreichenden Abhörmanövern „bis in den Iran“.

Doch ein Dienstunfall beendet die professionelle Spannung jäh. Da ist Roland Geisler gerade mal 51. Freilich frage man sich in so einer Situation: „Wie geht’s etz weiter? Enten füttern, Todesanzeigen lesen, aus dem Fenster schauen...?“ - Das kommt für den umtriebigen Mittelfranken gar nicht infrage.

Aus dem Vollen schöpfen

Stattdessen kramt er lieber eine verstaubte „Kriminalistik-Sammlung“ aus dem Keller, die er einst vor dem Schredder rettete. Inhalt: sämtliche Kapitalverbrechen in der Bundesrepublik zwischen 1956 und 1984 - vom Mord an der Edel-Prostituierten Nitribitt bis hin zu den brutalen Bluttaten des pädosexuellen Serienmörders Bartsch, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts für öffentliche Exaltation gesorgt hatten. Es ist arg betagtes Archivmaterial der Strafverfolgungsbehörden, gebunden, in Schwarz-Weiß. Geisler blättert und blättert, bis ihm dämmert: „Man kann hier echt aus dem Vollen schöpfen!“ - Kurz: Die Taten animieren ihn.

Um jetzt keinen falschen Eindruck zu erwecken, sollte man expliziter formulieren: Er beginnt zu schreiben. Krimis, was sonst?! Roland Geisler entwirft ein literarisches Ermittlerteam, in dessen Zentrum Kriminalhauptkommissar Schorsch Bachmeyer fränkisch-ambitioniert agiert, und lässt zwischen den Beamten ganz viel Platz fürs Zwischenmenschliche – obschon (oder gerade weil?) Tod, Blut und Gewalt an jeder Ecke lauern.

Das Ganze hat natürlich Prinzip. Denn: Eine gekonnt zubereitete „Mischung aus Sex, Crime und Food“ (zumal der Autor seine markige Crew nach getanem Dienst gern in die regionalen Wirtschaften schickt) „geht immer gut“, ist sich Roland Geisler von Anfang an sicher. Und er soll Recht behalten.

Die Nagelprobe glückt 2014 mit seinem Erstling „Massa Confusa und der Tote am Pulversee“. Darin werden Freimaurer-Ideologien mit der Aufdeckung eines illegalen Pornorings verwoben. Geislers „großes Plus“: Er lässt die erdachte Story direkt an der Wirklichkeit andocken. So fließt etwa die nachdrückliche Erinnerung an eine Ladung Snuff-Videos, die er tatsächlich einmal beim Zoll zu sichten hatte, in die Handlung ein. (Snuff-Videos sind Filme, in denen vorgeblich echte Tötungszenen gezeigt werden, Anm. d. Red.)

Plots im Kopf

Sowas gehe bei ihm "ruckizucki": „Der Plot ist in meinem Kopf, ich muss nicht groß nachdenken“, versichert er und rückt damit auch gleich sein „Alleinstellungsmerkmal unter den fränkischen Krimi-Autoren“ in den Raum: „Ich schreibe wahre Geschichten mit Fiktion!“ Will heißen: „Vieles von dem, was ich erzähle, stützt sich auf meine Erlebnisse als ehemaliger Ermittler.“

Drum könne er ja das Vorgehen von Tätern und Kriminalisten „nicht nur detailliert, sondern auch so authentisch“ darstellen. Für die Leserschaft sei das „total interessant“, ist Geisler überzeugt, „weil ich eben die ganzen Möglichkeiten kenne!“ - Stimmt. Reicht vom abschraubbaren Boden einer Konservendose über neue Wege des Profilings mittels DNA und Künstlicher Intelligenz bis hin zur Viren-Extraktion aus dem Darm von Leichen. Belegt wird der Wahrheitsgehalt solcher, teils abstrus anmutender Vorgänge, mittels zahlreicher Fußnoten, sodass am Ende stets die Erkenntnis prangt: In der Kriminalistik gibt es (fast) nichts, was es nicht gibt!

Das wissen Dr. Walter Kimmel, der amtierende Nürnberger Generalstaatsanwalt, und Johann Rast, ehemaliger Präsident des Polizepräsidiums Mittelfranken (ja, die gibt es wirklich!), nur zu gut. Umso mehr freut sich Roland Geisler übers vielfache Lob aus deren berufenem Mund: „Ein Meisterstück der Kriminalliteratur!“, urteilte der eine (Kimmel) über den zweiten Band aus Geislers so betitelter „Dadord in Frangn“-Reihe und „Insgesamt ein äußerst spannendes Buch!“, befand der andere (Rast) nach dem Erscheinen von Band 3. Auch Bayerns Ministerpräsident Söder und Innenminister Herrmann sollen schon mal einen „echten Geisler“ als Zwischendurch-Lektüre verschlungen haben. Sagt Geisler, stolz.

Kein Erbarmen

Apropos stolz. Soeben hat er seinen sechsten Schmöker fertiggestellt und im Eigenverlag herausgegeben. Nach Ausflügen in den terroristischen Untergrund („Retributionem – Auge um Auge, Zahn um Zahn“), in die Satanisten-Szene („Mortificantur – und der 13. Apostel“), ins Prostitutions-Milieu („Interficere und das Wartenbergrad“) sowie in ein todbringendes Jagdrevier („Agitare, der Todessschweiß“) liegt diesmal die katholische Kirche unterm Brennglas. Im jüngsten Buch „Defrustare - Verschollen“ greift Roland Geisler den sexuellen Missbrauch von Klerikern an deren minderjährigen Schutzbefohlenen auf. Beeinflusst habe ihn dabei die reale „Causa George Pell“. Der australische Kardinal und ehemalige Vatikan-Schatzmeister war nach zweimaligem Schuldspruch und einem Jahr Haft wieder freigesprochen worden.

Selbstverständlich kommen die katholischen Priester in Roland Geislers Krimi nicht so glimpflich davon. Das steht von Anfang an außer Frage. Überhaupt redet Geisler nie lange um den heißen Brei, geht gleich (heftig) zur Sache und macht Lesenden meist schon auf Seite eins deutlich, wohin die Reise führt: auf ein Terrain, das „zartbesaitete Gemüter nur mit Vorsicht betreten“ sollten, warnt er.

Dass 70 Prozent seiner Fans in Deutschland, Österreich und der Schweiz Frauen seien, spricht da wohl für sich...

INFO

Roland Geisler. Defrustare. Band 6 der „Dadord in Frangn“-Reihe ist bereits als E-Book erhältlich. Das Taschenbuch erscheint voraussichtlich ab 22. November und ist direkt beim Autor zum Preis von 14,95 Euro - auf Wunsch auch mit persönlicher Widmung - zu beziehen: Verlag@dadord-frangn.com oder im stationären Buchhandel.

Mehr Infos: www.dadord-frangn.com

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