Hilfsgüter statt Ohnmacht:

Roth hilft: Yevheniia Frömter organisiert Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge

Marco Frömter

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1.3.2022, 15:54 Uhr
Die Rotherin Yevheniia Frömter verzweifelt an den Bildern aus ihrer Heimat Ukraine und an der eigenen Ohnmacht. Deshalb organisiert sie eine Hilfsaktion – die die Stadt Roth und mehrere Organisationen unterstützen.  

© Marco Frömter Die Rotherin Yevheniia Frömter verzweifelt an den Bildern aus ihrer Heimat Ukraine und an der eigenen Ohnmacht. Deshalb organisiert sie eine Hilfsaktion – die die Stadt Roth und mehrere Organisationen unterstützen.  

Fünf Tage flüchtet der Vater der Rotherin Yevheniia Frömter quer durch die Ukraine. Straßensperren, Kriegsgebiete und zerstörte Infrastruktur machen die Fahrt zu einer Tortur – natürlich stets mit der Angst im Hinterkopf, selbst in die Schusslinie zu geraten. Im Radio: Eine Schreckensbotschaft nach der anderen.

Der ukrainische Berufskraftfahrer ist einiges gewohnt. Doch diese Fahrt wird er sein restliches Leben wohl nicht mehr vergessen. Seinen Sohn musste er in Dnipro zurücklassen.

Kilometerlanger Stillstand

Im Gepäck haben die Flüchtenden weniger als das Nötigste. Es gilt, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Mit im Auto: die jüngste Tochter und die Frau des Sohns samt ihrem Baby. Die polnische Grenze scheint bereits erreicht zu sein, als die Familienmitglieder mit ihrem Fahrzeug kurz vor dem Ziel zum Stillstand kommen. Völlig unerwartet geraten sie in einen kilometerlangen Stau vor der Grenze.

Kilometerlanger Stau, tagelanger Stillstand: Die Lage der Flüchtinge an der ukrainischen Grenze verschärft sich.

Kilometerlanger Stau, tagelanger Stillstand: Die Lage der Flüchtinge an der ukrainischen Grenze verschärft sich. © Yevheniia Frömter

"Nichts geht mehr. Das Auto steckt fest. Wir kommen weder nach hinten noch nach vorne“, erklärt Yevheniias Vater vor wenigen Tagen am Telefon. Rund 50.000 Autos stecken seinen Angaben nach am Grenzübergang fest. Das Baby weint, will zum Papa. Die Schwester bekommt völlig verfrüht ihre Periode. Daran habe sie in der Eile erst gar nicht gedacht – noch weniger an Damenhygieneartikel. An Decken, ausreichend Verpflegung oder an einen großen Vorrat an Windeln für das Baby ebenfalls nicht...

Auf der Landkarte schien das Ziel so nah, die Realität entpuppt sich jedoch als körperliche und nervliche Zerreißprobe. Vier Tage steht Yevheniias Vater zusammen mit den jungen Frauen an der Grenze. Die Temperaturen sinken nachts unter den Gefrierpunkt: „Mein Vater konnte die Standheizung nicht anschalten, weil er sonst nicht mehr genug Benzin gehabt hätte“, erzählt die Rotherin. Pro Tag sei er „ganze zwei Kilometer gerollt. Mehr schien nicht zu gehen.“

Für Yevheniia sind diese Tage der „pure Horror“: einerseits die schrecklichen Bilder im Fernsehen, andererseits die „Live-Berichterstattung“ ihres Vaters. Ihre Freundin versucht die Flucht mit ihrem wehrpflichtigen Mann: „Die wurden geschnappt, kein Kontakt mehr.“

Hygieneartikel fehlen: Vor allem für Kinder ist die Situation unerträglich.  

Hygieneartikel fehlen: Vor allem für Kinder ist die Situation unerträglich.   © Yevheniia Frömter

Ohnmächtig und hilflos fühlt sich Yevheniia noch bis zum vergangenen Sonntag: „Ich sitze hier und kann nichts machen, überhaupt nichts.“ Doch diese Einstellung ändert sich am Abend von einer Minute auf die anderen: „Mir kam die Idee, die Frauen und Kinder an den Grenzübergängen vor Ort zu unterstützen – mit einfachen und günstigen Dingen, einem Stück Seife und einer Zahnbürste zum Beispiel.“

Sofort ruft sie Roths Bürgermeister Andreas Buckreus an. Der signalisiert Unterstützung. „Natürlich muss er das mit seiner Verwaltung absprechen, das war mir klar“, weiß Yevheniia. Weniger als 24 Stunden später meldet sich der Rathauschef mit „super Nachrichten“ zurück: „Für die Sammlung von Hilfsgütern überlässt mir die Stadt Roth das SchlossParkCenter in der Hauptstraße“, freut sich die Initiatorin. Zudem bestehe die Möglichkeit, 400 Handtücher von der Stadt zu bekommen.

Das Nötigste

Yevheniias Arbeitgeber reagiert ebenso spontan und hilfsbereit. „Ich bekam sofort einen Tag frei, um alles zu organisieren. Meine Kolleginnen und Kollegen finden meine Idee sehr gut und unterstützen, wo es nur geht.“

Konkret möchte Yevheniia Frömter nun Schuhkartons für Frauen und Kinder sammeln, in denen „elementare Dinge“ zu finden sein sollen. „Eine Art Erst- oder Notversorgung“, sagt sie, und ergänzt: „Meine Idee hat sich binnen weniger Stunden herumgesprochen, und ich bekomme Hilfsangebote von allen Ecken und Enden.“

Örtliche Supermärkte wie Edeka und Rewe wollen ebenso helfen wie die Raiffeisenbank, Mitglieder des Rotary Clubs oder der Werkhof Regenbogen. „Ich kann momentan gar nicht alle aufzählen“, ist Yevheniia begeistert. Sogar das Fernsehen habe sich angekündigt.

Schuhkartons mit dem Nötigsten sollen an die Grenze gebracht werden.

Schuhkartons mit dem Nötigsten sollen an die Grenze gebracht werden. © Marco Frömter

Am Donnerstag wird das Challenge-Team rund um Kathrin Walchshöfer die erste Schicht in der Sammelstelle im SchlossParkCenter übernehmen. Spenden können dort zwischen 10 und 19 Uhr abgegeben werden. Ansprechpartner für freiwillige Helfer in der Sammelstelle ist Gerd Müller, erreichbar telefonisch oder per WhatsApp unter (0172) 8633862.

Das soll in die Kartons:

Für Frauen: Zahnpasta * Zahnbürste * Bürste/Kamm * Seife, Duschgel und/oder Shampoo * Deo * Tampons/Damenbinden * Feuchttücher/Taschentücher * Cremes.
Für Kinder: Zahnpasta * Zahnbürste * Kinderhygieneartikel * Feuchttücher/Taschentücher * Kleines Spielzeug, Malbuch oder ähnliches.
Bedarfsgerecht verteilt werden sollen: Windeln * Toilettenpapier * Handtücher * Decken.

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