Schwierige Zeiten für das Handwerk in Coronazeiten

14.4.2020, 18:03 Uhr
Schwierige Zeiten für das Handwerk in Coronazeiten

© Foto: Yevheniia Frömter

Die zentrale Frage: Wie dramatisch ist die Situation nach nun mehreren Wochen Zwangsschließung? "Grundsätzlich gewerkabhängig", sagt Sebastian Dörr und geht in die Details: Bis auf Friseure dürfen praktisch alle Handwerksbetriebe arbeiten, weil ihre Systemrelevanz staatlich anerkannt ist. "Friseure dürfen auch keine Hausbesuche machen", weiß Sebastian Dörr.

Tagtägliche Verschärfung

Dadurch verschärfe sich ihre Situation – es laufen ja nicht nur Ladenmieten weiter, sondern beispielsweise auch die Bezüge der Auszubildenden – tagtäglich. Zumal schon vor dem Pandemie-bedingten Erlass der Beschränkungen die Auftragsbücher immer leerer wurden: Die Furcht vor einer Ansteckung ist deutlich größer als die Sorge, mit strubbeliger Frisur herumzulaufen.

Die Angst der Kunden spüren auch andere Handwerksbranchen. "Manche Heizungsbauer gehen aus Sicherheitsgründen nicht mehr in die Wohnungen, weil sie zu oft auf unvernünftige Kundschaft gestoßen sind, welche den Sicherheitsabstand nicht einhält", erzählt Hermann Grillenberger. Im Gegenzug würden auch viele potenzielle Auftraggeber derzeit keine Handwerker holen, weil ihnen das Risiko zu hoch sei.

Dem Hoch- und Tiefbau gehe es laut Grillenberger dagegen "vergleichsweise gut", die Kommunen seien zum Beispiel angehalten, den Baubetrieb weiterlaufen zu lassen, das Staatliche Bauamt soll Baustellen zügig abrechnen und Zwischenzahlungen an die beteiligten Unternehmen anweisen. Problematisch sei auf Baustellen dagegen die Hygienesituation, beispielsweise die Vorhaltung von genügend Handwasch-Gelegenheiten und Toiletten.

Schwierig gestaltet sich die Situation derzeit für Bäckereibetriebe, die einen Geschäftsschwerpunkt auf den Café-Betrieb gelegt haben. "Die Cafés müssen geschlossen bleiben, nur der Verkauf von Backwaren ist erlaubt", führt Gerd Distler aus. Zur Erinnerung: Ein reines Bäckereigeschäft ohne Schanklizenz darf an Sonntagen nur drei Stunden öffnen, wer dagegen auch gastronomisch tätig werden darf, kann auch sonn- und feiertags länger öffnen.

Ärgerlich aus Gerd Distlers Sicht ist das aktuelle Kaufverhalten: "Die Leute kaufen lieber abgepacktes Brot beim Discounter als frische Ware beim Bäcker, weil sie es für vermeintlich hygienischer halten", moniert Distler und weist auf die in Zeiten von Corona noch einmal deutlich verschärften Hygienemaßnahmen der Bäckereien hin.


"Wahnsinn" Bonpflicht: Ausdrucken und wegwerfen.


Auch bei Bäckereien und Metzgereien sei das bargeldlose Bezahlen per Karte mittlerweile flächendeckend umgesetzt. Mit – potenziell Viren-behaftetem – Kleingeld müsse niemand hantieren, wenngleich die Bankgebühren den Gewinn spürbar schmälerten. "Wenn jemand Gebäck für 60 Cent kauft und die Bank für diese Transaktion fünf Cent einbehält, ist das einfach unverhältnismäßig", stellt Gerd Distler fest.

Unvermeidbare Umsatzeinbußen

Umsatzeinbußen lassen sich bei den Nahrungsmittelproduzenten derzeit nicht vermeiden. Wer beispielsweise Schulen und Firmenkantinen beliefert und/oder einen Partyservice betreibt, muss auf eine Menge Geld verzichten solange der "Shutdown" anhält.

Die Betriebe melden reihenweise Kurzarbeit an und haben zudem personelle Ausfälle durch Infektionen. "Da muss nicht einmal der Mitarbeiter selber krank werden, es reicht, wenn jemand im näheren Umfeld infiziert ist", gibt Sebastian Dörr zu bedenken.

Eine Verlängerung der Öffnungszeiten bis in die Nachtstunden oder außerplanmäßige Sonntagsöffnungen, wie sie in der Anfangsphase der Krise ins Gespräch gebracht wurden, lehnt die Handwerkerschaft deshalb aus guten Gründen ab: "Das wäre personell nicht zu stemmen", sagen Dörr, Distler und Grillenberger fast einstimmig.

All zu schwarz wollen die Handwerks-Funktionäre die Zukunft dennoch nicht malen. "Nach Ostern wird es besser, weil es besser werden muss", sagt Hermann Grillenberger mit entschlossener Stimme. An den Folgen werde man allerdings noch länger zu knabbern haben.

"Die Politik hat nicht darüber nachgedacht, wie groß das Rad tatsächlich ist, an dem sie dreht", sagen die drei Handwerksvertreter und erinnern daran, dass man sich in Deutschland noch kurz vor Beginn der Pandemie die Köpfe über die frisch verfügte Bonpflicht heiß redete. "Davon redet derzeit kein Mensch mehr", meint Gerd Distler nachdenklich.


Konferenz der Regierungschefs: Erste Lockerungen in der Coronakrise?


Am gefährlichsten ist in der aktuellen Stillstands-Situation wohl die unmittelbar drohende Abwärtsspirale: Handwerker mit Existenzproblemen verschieben anstehende Investitionen – beispielsweise Laden-Renovierungen – auf später, worunter dann vor allem jene Kollegen leiden, denen die entsprechenden Aufträge entgehen.

Dies lässt sich, so die einmütige Einschätzung, auch nicht von heute auf morgen kompensieren. Von bis zu zwei Jahren Erholungsfrist nach Ende der Krise ist bei den Handwerksbetrieben derzeit die Rede.

 

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