Unrühmliche Kapitel der Geschichte intensiv beleuchtet

6.1.2009, 00:00 Uhr

Der «Arbeitseinsatz« von Ausländern in Deutschland zählt mittlerweile zu den am besten erforschten Bereichen der Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Vor allem die Diskussion um die Entschädigung von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen hat der Forschung einen kräftigen Schub verliehen.

Noch bis 17. Mai 2009 wird im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim die Ausstellung «Zwangsarbeit im ländlichen Franken 1939 bis 1945« gezeigt. Zu der Ausstellung ist nun ein ausführlicher Katalog erschienen, in dem auch Ereignisse geschildert werden, die in Orten des heutigen Landkreises Roth passiert sind.

Etwa 200 000 bis 250 000 ausländische Zivilarbeiter und zahlreiche Kriegsgefangene mussten zwischen 1939 und 1945 in Franken arbeiten, darunter ein sehr großer Teil in der Landwirtschaft. Das neue Buch wirft Schlaglichter auf den Lebens- und Arbeitsalltag der Zwangsarbeiter auf den Bauernhöfen, aber auch auf den brutalen und gnadenlosen Repressionsapparat des NS-Regimes im Umgang mit den zwangsverpflichteten Ausländern.

Doch auch die Nachkriegszeit ist ein Thema, als die Betroffenen in Lagern auf ihre Rückkehr in die Heimat warteten, und ihrer lange vergeblichen Erwartung auf Entschädigung erst vor wenigen Jahren mit Gründung der Bundesstiftung «Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« entsprochen wurde.

Im Beitrag «Arbeitsverweigerung, Arbeitsflucht, Widerstand« von Herbert May wird ein Bericht über die Flucht sowjetischer Kriegsgefangener aus einem Lager in Kleinnottersdorf, einem heutigen Ortsteil von Greding, wiedergegeben. So schreibt der damalige Hilpoltsteiner Landrat am 12. Oktober 1942 an die Bürgermeister und Gendarmerie-Posten: «Sämtliche flüchtigen Sowjetrussen waren immer fleißig und haben nie zu Beanstandungen Anlass gegeben, sodass eine Flucht bei ihnen am wenigsten zu erwarten war… Es muss daher in Zukunft verlangt werden, dass alle Unterkünfte, in denen mehr als ein sowjetrussischer Arbeiter untergebracht ist, auch nachts dauernd bewacht werden.«

Beschämende Vorgänge

In seinem Beitrag «Terror, Schikanen, Mord – Zwangsarbeiter, die als Opfer ihr Grab in Franken fanden« weist Ralf Rossmeissl auf beschämende Vorgänge hin, die sich in verschiedenen Orten im heutigen Landkreis abspielten. So wurde am 19. Dezember 1941 in Allersberg der Pole Stanislaus Waligora (geboren am 31. Mai 1912) im Gemeindewald Allersberg wegen «Rassenschande« durch ein Hinrichtungskommando des KZ Flossenbürg gehängt, wobei Zwangsarbeiter als Erfüllungsgehilfen gezwungen wurden.

Nach der Hinrichtung mussten rund 130 Zwangsarbeiter zur Abschreckung an dem Gehängten vorbeilaufen. Ein Porträtfoto des jungen Polen aus dessen Arbeitskartei befindet sich heute im Staatsarchiv Nürnberg; es ist im Buch abgedruckt.

In Abenberg wurde am 4. Mai 1943 der Pole Waclaw Babelewski (geboren am 2. September 1920) im Gemeindewald ebenfalls wegen «Rassenschande« gehängt. In Obermässing wurde ein Russe wegen angeblichen Diebstahls einer Uhr erschossen (Name des Opfers und Zeitpunkt der Hinrichtung sind nicht mehr bekannt). Besonders tragisch: Der Vorwurf des Diebstahls hat sich nach der Hinrichtung als falsch erwiesen.

Ralf Rossmeissl beschreibt die unglaubliche Lynch-Justiz von Obermässing so: «Ein junger russischer Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangener von zirka 21 Jahren namens ,Wassil’, der auf einem Hof am Hofberg eingesetzt war, wurde Anfang 1945 verdächtigt, eine Uhr gestohlen zu haben. Aufgrund einer Denunziation erfuhren die örtlichen Nazigrößen davon und auf ungeklärte Weise wurde dann dessen Hinrichtung in dem abgelegenen Hohlweg beschlossen, von wem sei nicht bekannt.

Es sei so etwas wie ein ,Militärgericht’ gewesen, unter Beteiligung des ,scharfen’ Kreisleiters aus Hilpoltstein (Kreisleiter des Altlandkreises Hilpoltstein war damals der Lehrer Karl Minnameyer, geboren 1891). Die anderen russischen und serbischen Zwangsarbeiter der Umgebung waren wohl zur Abschreckung dabei. Die Ausführenden waren vier bis fünf abgeordnete Soldaten, die als Bewachungspersonal in einer, als Lazarett für Zwangsarbeiter, umgenutzten örtlichen Schreinerei Dienst taten.

Einen der Soldaten plagten noch nach Ende des Krieges Gewissensbisse – so die Aussage zweier Zeitzeugen. Ein Gewehr sei vom Offizier mit einer Platzpatrone geladen gewesen, damit keiner gewusst habe, wer den Delinquenten erschossen habe.

Der junge Russe, der die Tat bis zum Ende vehement bestritt und im Angesicht des Todes ein Gebet sprach, musste sich seine Grube selbst schaufeln und sich dann mit verbundenen Augen davor aufstellen.

Nachdem die Schüsse gefallen waren, haben die anderen Zwangsarbeiter das Grab sogleich zuschaufeln müssen. Einige Tage nach der Hinrichtung hat sich dann die gestohlen geglaubte Uhr wieder gefunden: Sie war nur verlegt worden.

Die Zeitzeugen berichten, das Grab werde seit einigen Jahren wieder vom örtlichen Kriegerverein gepflegt und «häufig von Wanderern aufgesucht.«

ROBERT UNTERBURGER

Zwangsarbeit im ländlichen Franken 1939-1945. Herausgegeben von Herbert May. Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim, Band 54, herausgegeben im Auftrag des Bezirks Mittelfranken von Konrad Bedal. Bad Windsheim 2008, 333 Seiten, ISBN 978-3-926834-69-0,  www.freilandmuseum.de