„Unsichtbar machen“

18.4.2013, 17:22 Uhr
„Unsichtbar machen“

© Bernlocher

ROTH — „Wer hat selbst einen Hund?“, fragt Beate Tomulla die Schüler der 3a und 3b. Einige Finger heben sich. „Wer hat Freunde, Verwandte oder Nachbarn, die einen Hund haben?“ Noch mehr Finger heben sich. „Jeder von euch hat sich jetzt mindestens einmal gemeldet, denn Hunde gibt es überall. Der Hund ist ein tolles Haustier, man sagt auch, er ist der beste Freund des Menschen“, erzählt Trainerin Tomulla den Kindern.

Sie weiß, wovon sie spricht. Tomulla ist stellvertretende Leiterin und Hunde-Trainerin bei der Rettungshundestaffel des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Ingolstadt und als Hunde-Prüferin deutschlandweit im Einsatz.

Körpersprache kann täuschen

Das Projekt „Hallo Wuff“ hat sie entwickelt, weil sie als Busaufsicht bemerkte, dass viele Kinder auf ihren eigenen Hund ziemlich unbedarft zugingen. Durch ihre Arbeit weiß sie aber, dass Hunde die Körpersprache von Menschen schnell falsch deuten können, mit dem Ergebnis, dass der Hund zubeißt. Da Hunde nie ohne Grund beißen, wie Tomulla betont, beschloss sie, ein Hunde-Schulungsprojekt für Kinder zu entwickeln.

„Hunde haben manchmal auch eine böse Seite. Wer von euch wurde denn schon mal von einem Hund gebissen?“ Beate Tomulla spricht die Gefahr direkt an. Vier Kinder melden sich und wollen am liebsten gleich anfangen zu erzählen. Kein Wunder, denn auf ihre Schule geht das Mädchen, das Opfer des Hundeangriffs im Rothgrund wurde. Aber Tomulla macht weiter: „Das Wichtigste: Jeder Hund ist bissig. Beißen ist für Hunde ein völlig normales Verhalten, aber das hat auch einen Grund. Könnt ihr euch vorstellen, warum ein Hund beißt?“ „Wenn er denkt, man möchte spielen“, sagt ein Junge. Richtig, Beate Tomulla klebt ein Symbol für Spielen an die Tafel. „Wenn der Hund Angst hat“, sagt ein Mädchen. Auch richtig, Tomulla klebt noch ein Schild dazu. Bald hängen alle Situationen an der Tafel: auch wenn der Hund geärgert wird, jemand in sein Revier eindringt oder der Hund krank ist, kann es sein, dass er mal zubeißt.

Wenn Hunde streiten, gebe es schnell eine Beißerei. Dass das lebensgefährlich sei, wüssten auch die Hunde selbst, erklärt Tomulla. „Deshalb tun Hunde alles, um Streit zu vermeiden. Wenn sie sich zum ersten Mal begegnen, haben sie einige Regeln.“

Langsame Bewegungen

Hunde, die sich begegnen, gehen aufeinander zu, schauen sich dabei nicht in die Augen, werden langsamer, umkreisen sich und schnuppern, das haben die Kinder schon selbst beobachtet.

„Wenn Hunde in die Menschenwelt kommen, dann sehen sie alles mit Hundeaugen und deuten auch das Verhalten der Menschen so.“

„Was bedeutet das Zähnezeigen, also lächeln, bei Hunden?“ Die Kinder haben es sofort erfasst: Hunde verstehen das als Zähnefletschen. Der Reihe nach erfahren die Kinder, was man bei der Begegnung mit Hunden auch noch lassen sollte: Anfassen, bevor der Hund einen abgeschnuppert hat, kommt bei Hunden nicht gut an. Rennen und Kreischen auch nicht, denn das sind Signale für Spielen oder Jagd, und vor allem: den direkten Blickkontakt empfinden Hunde als Bedrohung.

Jetzt kommt Tomullas lebensgroßes Hundemodell aus Holz zum Einsatz. Ein Mädchen darf vor die Klasse und zeigen, wie es richtig geht. Jetzt wissen die Grundschüler zwar gut Bescheid, wie sie sich in der Nähe von Hunden verhalten sollen, aber nicht jeder Hundehalter hat seinen Hund im Griff. Für den Notfall verrät ihnen Trainerin Tomulla deshalb einen Trick. Sie nennt es „unsichtbar machen“. Man stellt sich reglos, mit verschränkten Armen und Blickrichtung gen Himmel hin. So sendet der Mensch keine, für den Hund interessanten, Reize mehr aus.

Die Übung fehlt auch hier nicht. Mit ihrem grauen Stoffhund geht Beate Tomulla durch die Klasse und kläfft die Kinder an, wie ein wilder Hund. Demonstrativ schauen die Schüler nach oben und verschränken die Arme. So mancher kann sich dabei ein Grinsen aber nicht verkneifen. Dass das „Unsichtbarmachen“ wirkt, kann Schulleiterin Sabine Rupprecht bestätigen: „Vor einiger Zeit hatten wir den Fall, dass sich ein Kettenhund losgerissen hatte und auf eine Gruppe Schüler losgestürmt ist. Die Zweitklässler waren geschult und haben sich ruhig hingestellt, die Drittklässler hatten die Schulung noch nicht und sind weggerannt. Einige Drittklässler wurden gebissen, von den Zweitklässlern kein einziger.“

Um den Schülern zu demonstrieren, dass ihre Tricks funktionieren, hat Beate Tomulla zum Abschluss Kurzfilme dabei, in denen sie selbst richtiges Verhalten in der Praxis zeigt. Und die Hunde im Film? Reagieren wie prophezeit und lassen sie in Ruhe. Aber auch eine Hundetrainerin macht Fehler. Einen Biss in den Hintern hat Tomulla während dem Dreh doch abbekommen. Das macht sie glaubwürdig und bei den Kindern ist die (ungefährliche) Szene ein Lacherfolg.

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