Bevorstehende Zwangsräumung

Abgebranntes Reichsbürger-Haus: Hat die Polizei zu spät reagiert - oder doch so schnell wie möglich?

4.10.2021, 14:54 Uhr
Von dem Anwesen, in dem der Reichsbürger gelebt hat, blieben nur Ruinen.

© Paul Götz Von dem Anwesen, in dem der Reichsbürger gelebt hat, blieben nur Ruinen.

Anja Hertlein kommt schon am Dienstagabend im Nachbaranwesen manches ein wenig komisch vor. Gegen 20 Uhr fällt ihr auf, dass das Wohnmobil ihres Nachbarn verschwunden ist. Doch im Hof und im Haus und in der Garage brennt überall Licht, und der 73-jährige Hans G., ein Einzelgänger und Eigenbrötler, werkelt geschäftig herum. Seltsam, wo doch G.s Haus am nächsten Tag zwangsgeräumt werden soll. "Als ich vor einiger Zeit erfahren habe, dass die Zwangsräumung ansteht, habe ich kundgetan, dass der Mann das Haus nicht lebend verlassen wird", so Hertlein.

Und dann: der Kompressor

Von ihrem Fenster im ersten Stock hat die dreifache Mutter einen ganz guten Blick auf das Nachbar-Anwesen. Und so sieht sie auch, dass Hans G. gegen 22 Uhr immer noch auf dem Hof unterwegs ist, inzwischen mit Stirnlampe.

Als aus der Garage nach Mitternacht plötzlich Geräusche eines Kompressors zu hören sind, greift Hertlein erstmals zum Telefon. Um 0.28 Uhr geht ihr erster Anruf bei der Polizei in Roth ein. Der Beamte habe aber nur gesagt, dass er die Meldung an die Tagesschicht weitergebe, erzählt die Büchenbacherin.

Kurz vor 1 Uhr in der Nacht zum Mittwoch beginnt der Reichsbürger, auf seinem Grundstück aus Plastikflaschen Flüssigkeit zu verspritzen. Brandbeschleuniger, wie sich später herausstellt. Wieder ruft die Nachbarin bei der Polizei an. Jetzt heißt es, man sei an der Sache dran. Ob sie die Flüssigkeit beispielsweise am Geruch identifizieren könne, fragt der Beamte. Nein, sagt Hertlein. Sie riecht nichts.

Vorsichtig ins Haus lassen

Um 1.46 Uhr erhält Anja Hertlein einen Rückruf der Polizei. Eine Zivilstreife sei im Anmarsch. Sie solle einen Beamten einlassen, ohne Licht anzumachen. So könne sich der Kollege einen Überblick über die Lage verschaffen, ohne gesehen zu werden.

Kurz vor 2 Uhr überschlagen sich die Ereignisse: Anja Hertlein lässt den Polizisten ins Haus. Doch nebenan hat Hans G., der als Corona-Leugner und Masken-Verweigerer in vielen Büchenbacher Geschäften Hausverbot hat, schon einen Brenner in die Garage geschleppt und damit das Feuer gelegt.

Mit dem Brenner läuft er anschließend von der Garage ins Wohnhaus. Erste Detonationen sind zu hören. Zwei von sieben oder acht selbstgebastelte Gasbomben explodieren. Hertlein bringt ihre drei Kinder und sich in Sicherheit. "Laufen Sie um ihr Leben", habe sie der Polizist angeschrien, erzählt sie am Telefon.

Dank an die Feuerwehr

Der Polizist meldet über Funk das Feuer, wenige Minuten später sind die ersten Einsatzkräfte der Feuerwehr vor Ort. Dass die Floriansjünger es schaffen, sämtliche Nachbargebäude zu schützen, rechnet ihnen nicht nur Anja Hertlein hoch an. "Was die geleistet haben, ist wirklich außergewöhnlich", lobt sie.

Gerne würde Hertlein auch die Polizei loben. Doch ihrer Meinung nach habe sie viel zu spät auf ihre Anrufe reagiert. Was die Nachbarin ebenfalls erzürnt: teilweise sich widersprechende Veröffentlichungen der Polizei-Pressestelle. Einmal heißt es, beim Eintreffen der Polizei habe die Garage schon lichterloh gebrannt. Dann wiederum stand zu lesen, dass der Mann das Feuer gelegt habe, als die zivilen Einsatzkräfte gerade eingetroffen waren.

Anruf bei der Pressestelle des Polizeipräsidiums. Ein Sprecher bestätigt die Zeitangaben von Anja Hertlein im Wesentlichen.

"Maßnahmen im Hintergrund"

Was er aber weiter zurückweist: dass die Polizei zu lange nichts gemacht habe. "Da läuft natürlich viel im Hintergrund ab, was nach außen hin nicht kommuniziert wird", sagt er. Der Rother Dienststellenleiter sei sofort um 0.30 Uhr informiert worden und habe sich dann auch gleich "in Dienst gestellt", wie es in der Fachsprache heißt.

Die Kollegen in Roth hätten mit zivilen Einsatzkräften in Nürnberg Kontakt aufgenommen. "Wir wussten, dass es sich um einen Reichsbürger handelt, da gibt es natürlich eine große Sensibilität." Gemeinsam habe man die Lage "bewertet, analysiert und erste Dinge eingeleitet". Man habe entschieden, dass sich eine Zivilstreife der Sache annehmen solle.

Bis die Beamten aus Nürnberg vor Ort in Büchenbach eingetroffen seien, habe es "Maßnahmen im Hintergrund" gegeben, auf die die Polizei nicht näher eingehen will. Aber: Nach dem Mord eines Reichsbürgers an einem Polizisten vor einigen Jahren im nahen Georgensgmünd seien die Sinne aber extrem geschärft.

Anwalt eingeschaltet

Anja Hertlein ist trotzdem der Überzeugung, dass die Polizei zu spät und zu langsam reagiert habe. Sie habe damit mindestens die Gesundheit der Nachbarschaft aufs Spiel gesetzt. Die Büchenbacherin hat jedenfalls die Konsequenzen gezogen. Und einen Anwalt eingeschaltet.

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