DDR-Zeitzeuge berichtete über seine politische Verfolgung

29.10.2014, 09:00 Uhr
DDR-Zeitzeuge berichtete über seine politische Verfolgung

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Angesichts des bevorstehenden 25. Jahrestags des Mauerfalls am 9. November lud CSU-Kreisvorsitzender Karl Freller Lutz Quester zu einem Zeitzeugengespräch nach Schwabach ein. Freller sieht eine zunehmende Gefahr zur nostalgischen Verklärung der kommunistischen DDR-Diktatur. „Man darf nie vergessen, dass das SED-Unrechtsregime über vier Jahrzehnte seinen Bürgern die Freiheit verwehrte, politisch Gefangene machte und für mindestens 138 Maueropfer verantwortlich war.“ Deshalb sei er Zeitzeugen wie Lutz Quester dankbar, die mit ihren Lebensgeschichten anschaulich das Unrecht aufzeigen.

„Ich sah nur einen Ausweg für mich: Die DDR verlassen!“ Diesen Gedanken hatte Lutz Quester schon früh in seiner Jugend gefasst. Nach unzähligen Ausreiseanträgen hatte er sich 1984 zu einer spektakulären Aktion entschlossen, um von der BRD als politisch Verfolgter wahrgenommen zu werden. Dafür wurde er von der Stasi verhaftet und kam zehn Monate hinter Gitter.

Bewusstlos geprügelt

Schon in der Schule begegnete Quester der allgegenwärtigen kommunistischen Ideologie mit großer Skepsis. Die Jugendorganisation FDJ empfand er als Zwang und seine Zeit bei der Nationalen Volksarmee bekräftigte seine Haltung. „Ich wollte in meinem Leben etwas sehen und mir nicht vorschreiben lassen, was ich zu tun und was ich zu glauben hätte. Da konnte ich mich einfach nicht verbiegen.“

Nach den ersten Ausreiseanträgen Anfang der 1980-er Jahre begannen die Repressalien: Einschränkungen bei der Arbeit, Überwachung, Drohung mit Gefängnis. Doch Quester ließ sich nicht einschüchtern, stellte alle vier Wochen einen Ausreiseantrag. Vergeblich. So entschied er sich im November 1984 zu einer gefährlichen Aktion. Seine Hoffnung: die Häftlingsfreikäufe von politisch Verfolgten durch die BRD.

Sein Plan: „Ich musste etwas Spektakuläres machen, um wahrgenommen zu werden.“ Mit einem Freund stellte er sich in Ost-Berlin vor die „Ständige Vertretung der Bundesrepublik in der DDR“ und hielt ein Plakat in die Kamera vor dem Eingang: „Ich, Lutz Quester, 25 Jahre, und meine Familie fordern die Ausreise in die BRD.“ Keine 30 Sekunden später nahm in die Volkspolizei fest und prügelte ihn bewusstlos. Zur Besinnung kam er erst wieder in der Gefängniszelle.

Haft in fünf Gefängnissen

In zehn Monaten war er in fünf verschiedenen Gefängnissen — zusammen mit Mördern und anderen Schwerverbrechern. Inhaftiert war er auch im berüchtigten Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen, wo die meisten Regime-Kritiker festgehalten wurden.

„Besonders schlimm war, nicht zu wissen, wie lange man im Gefängnis bleiben wird“, erzählt Quester. Aber auch seine Familie war nicht mehr vor Sanktionen sicher: Seine Frau etwa verlor ihre Arbeit.

Im August 1985 wurde Quester unvermittelt aufgefordert, in einen Bus einzusteigen und sich absolut ruhig zu verhalten — es war seine Fahrt nach Westdeutschland. Die BRD hatte ihn als politisch Verfolgten von der DDR freigekauft. „Das war ein unbeschreiblich tolles Gefühl, als wir die Grenze überquert hatten.“

30 DM Begrüßungsgeld erhielt Quester — er hat es noch am gleichen Abend ausgegeben. Einige Wochen später durfte seine Familie — die über die ganzen zehn Monate nicht genau wusste, was mit ihm geschehen war — nachreisen.

Heute lebt Lutz Quester in Nürnberg. Bayern sei seine Heimat, sagt er. Und: „Wir können wirklich froh sein, dass wir in einem freien Land leben. Das ist keine Selbstverständlichkeit!“

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