Die regionale Agenda-Gruppe

11.2.2012, 09:13 Uhr
Die regionale Agenda-Gruppe

© Iannicelli

Zehn Jahre, über 25 Bürgersolaranlagen, über 1700 Kilowatt/peak installierte Leitung, rund 1,5 Millionen Kilowattstunden jährlicher Stromertrag. Ist bei ihnen allmählich ein Sättigungsgrad erreicht?

Brunner: Nein, denn die Energiewende ist ja längst nicht abgeschlossen. Natürlich müssen alle Akteure weiterarbeiten. Mit unseren Bürgersolaranlagen schlagen wir drei Fliegen mit einer Klappe. Wir tun etwas für die Umwelt, weil wir die Sonne anzapfen und damit Kohlendioxid einsparen. Wir haben einen sozialen Ansatz, weil wir die Stromerzeugung demokratisieren. Und wir haben einen wirtschaftlichen Ansatz, weil wir vor Ort kleine Strom-Produktionseinheiten gründen.

Die nächste PV-Anlage auf dem Dach. Der Ausbau dieser Art der Stromerzeugung ging auch 2011 unvermindert weiter.

Die nächste PV-Anlage auf dem Dach. Der Ausbau dieser Art der Stromerzeugung ging auch 2011 unvermindert weiter. © ArchivKronau

Funktionieren denn alle Bürgersolaranlagen noch reibungslos?

Brunner: Ab der Nummer zwei haben wir keine Probleme. Unsere Pilotanlage, die wir 2002 auf dem Kindergarten im Eichwasen installiert haben, die inzwischen aber schon umgezogen ist, läuft zwar. Aber die Erträge sind eher mäßig. Da werden die Investoren am Ende wohl höchstens mit einer Rendite von einem Prozent rechnen können. Ansonsten peilen wir ja immer drei Prozent an, vielleicht auch vier.

Sonnenstrom ist zuletzt wieder ins Gerede gekommen. Die vergleichsweise hohe, auf 20 Jahre garantierte Einspeisevergütung, die es dank des Erneuerbaren Energiengesetzes gibt, ist umstritten. Denn: In die Photovoltaik fließen die höchsten Subventionen. Doch ihr Beitrag zum Stromertrag ist, im Vergleich zur Windkraft, eher mäßig.

Brunner: Zunächst einmal: Das Erneuerbare Energiengesetz hat die Grundlagen für die Energiewende geschaffen. Und die Grundlagen dafür, dass auch Leute wie Sie und ich uns an der Energieproduktion beteiligen können. Vorher war das doch den Multis vorbehalten, den ganz Großen der Branche. Durch das EEG ist also Bewegung in die Energieerzeugung gekommen.

Auch ich sage: Ja, die Einspeisevergütungen für PV-Strom müssen sinken. Die Kosten für die Anlagen haben sich in den vergangenen zehn Jahren ja auch mehr als halbiert. Was mir in der Politik fehlt, ist die Verlässlichkeit. Das Bundesumweltministerium sagt hü, das Bundeswirtschaftsministerium sagt hott. Teilweise gab es vor der nächsten Absenkung der Vergütung nur einen Vorlauf von wenigen Monaten. Das fördert nicht gerade das Investitionsklima. Und das erschwert die Planbarkeit vor allem größerer Anlagen enorm. Diese Unsicherheit bekommen auch die deutschen Hersteller der Kollektoren zu spüren.

Einige von ihnen sind schon pleite, anderen geht es nicht gut.

Brunner: Ein wunder Punkt. Auch wir, das ist für uns als lokale Agenda-Gruppe gewiss schmerzlich, kaufen seit 2009 keine Kollektoren mehr aus deutscher Produktion. Wir vertrauen zwar nach wie vor deutschen Firmen. Doch ihre Fertigungsstraßen haben die längst in China. Das widerspricht natürlich unserer Idee von regionalen Wirtschaftskreisläufen. Aber dann könnte eine Bürgersolaranlage kaum noch wirtschaftlich betrieben werden.

Apropos regional: Sie verstehen sich zwar als lokale Agenda-Gruppe, haben ihre Fühler aber inzwischen weit über die Stadtgrenzen hinaus ausgestreckt. Sie betreuen zwei Bürgersolaranlagen in Hilpoltstein, eine in Spalt und eine große Freiflächenanlage auf einer ehemaligen Mülldeponie in Betzenstein.

Brunner: Und demnächst kommt noch ein Projekt in Georgensgmünd hinzu (siehe eigenen Bericht auf Lokalseite3, Anm. d. Red.). Aber es ist nicht so, dass wir durch die Lande ziehen und sehen, wo sich etwas auftut. In Hilpoltstein hat das Ganze die SPD-Sprecherin im Kreistag Christine Rodarius initiiert. In Spalt habe ich einen Anruf von Bürgermeister Udo Weingart erhalten, in Georgensgmünd von seinem Kollegen Ben Schwarz. In Betzenstein war es ähnlich. Wir haben gezeigt, dass wir es können, und die Leute kommen auf uns zu und bitten um Unterstützung.

2011 war, wegen der Freiflächenanlage in Betzenstein, das erste Jahr, in dem wir außerhalb der Stadt mehr Zubau hatten als in Schwabach.

Haben Sie in der Stadt neue Projekte in der Warteschleife?

Brunner: Wir haben Ideen, spruchreif ist es noch nicht. Wir müssten wieder, um auf eine wirtschaftlich gute Größe zu kommen, mehrere Dächer gewissermaßen zusammenspannen. Wenn es aber klappt, würden wir die bisher größte Bürgersolaranlage Schwabachs bauen mit einer installierten Leistung von über 400 Kilowatt/peak. Damit könnten wir rechnerisch rund 100 Einfamilienhäuser mit Strom versorgen. Zum Vergleich: Unsere bisher größte Einzelanlage, die PV-Anlage auf dem Parkhaus am Bahnhof, hat etwa 100 kW/p. Unsere Bürgersolaranlage 2011 mit sieben verschiedenen Dächern vom Gemeindezentrum St. Lukas bis zur Realschule hat eine installierte Leistung von rund 280 kW/p.

Zehn Jahre Bürgersolaranlagen in und um Schwabach. Mal ganz ehrlich: Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Brunner: Überwiegend positiv. Wir waren damals sicher Vorreiter, haben aber ganz viele Nachahmer gefunden. Das begrüße ich ausdrücklich. Denken Sie an die Stadtwerke. Vor zehn Jahren hatten die Werke mit erneuerbaren Energien nichts am Hut. Inzwischen bieten sie auch Bürgerbeteiligungsmodelle an, bei denen es, anders als bei uns, sogar eine fest versprochene Rendite gibt. Das ist klasse. Auch das Energiebündel Roth-Schwabach investiert und setzt auf ein genossenschaftliches Modell. Jeder neue Mitspieler ist willkommen.

Ökologisch ist die Bilanz ebenfalls gut. Wir erzeugen mit unseren Anlagen pro Jahr zwischen 1,5 und 1,7 Millionen Kilowattstunden Strom, so viel, wie in 400 Einfamilienhäusern verbraucht wird. Dadurch werden jedes Jahr 800 Tonnen weniger Kohlendioxid in die Luft geblasen.

Wichtiger Ansatzpunkt unserer Arbeit ist es, die Energieproduktion auf möglichst viele Schultern zu verteilen. 242 Frauen und Männer haben sich bei unseren Bürgersolaranlagen beteiligt. Das ist nicht schlecht. Könnte aber noch besser sein.

Wer über Ihre Agenda-Gruppe spricht, der denkt zuerst an Photovoltaik. Wie sieht es mit anderen erneuerbaren Energien in Schwabach aus?

Brunner: Mit Strom aus Wasserkraft haben wir uns beschäftigt. Aus ökologischen Gründen sind wir gegen ein Zerteilen der Flüsse mit neuen Wehren und Staustufen. Aber wir könnten uns sogenannte Durchströmungsturbinen, die ohne allzu großen baulichen Aufwand gewissermaßen in den Fluss gehängt werden, vorstellen. Für die Schwabach haben wir das durchrechnen lassen. Da reicht die Wassermenge nicht. In der Rednitz könnte so etwas aber durchaus realisiert werden. Zumal die als Teil des Überleitungssystems von Süd- nach Nordbayern das ganze Jahr über ausreichend Wasser verfügt.

Und was ist mit Wind?

Brunner: Innerhalb der Stadtgrenzen schwierig. Erstens gibt es in Schwabach wenig Wind. An der Grenze zur Rentabilität könnte höchstens eine Anlage in der Brünst sein. Doch dieses Waldgebiet ist eines der wenigen städtischen Naherholungsgebiete, das dazu noch nah an der Wohnbebauung liegt. Tendenz also eher nein. Alleine aus optischen Gründen.

Wie sieht es außerhalb der Stadt aus?

Brunner: Man muss ja nur einmal entlang der Autobahnen die Augen aufmachen. Dort schießen die Windparks nur so aus dem Boden. In windreichen Gebieten, und die sind ja nicht sehr weit weg von Schwabach, werden wir einen deutlichen Zuwachs erleben, überall wird derzeit eifrig diskutiert. Wichtig: Bürgermodelle ähnlich der von Photovoltaikanlagen gibt es auch bei Windkraftanlagen. Die haben den Charme, dass sie in der Bevölkerung eher akzeptiert werden.

Grundsätzlich gilt: Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben. Das gilt finanziell für die Photovoltaik, deren Einspeisevergütung wir über den regulären Stromtarif mitzahlen. Das gilt aber auch für Windkraftanlagen, für neue Netz-Trassen und für neue Pumpspeicher-Kraftwerke. Zu einem gewissen Grad wird sich die Optik unserer Landschaft in den nächsten Jahren verändern. Das ist der Preis.

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