"Ein Glücksfall": Neue Heimat für alte Obstsorten

24.1.2018, 13:30 Uhr

© Foto: Wilhelm

"Diese Fläche ist ein einmaliger Glücksfall", sagt Günter Grimm, "ein Reservat für Dinosaurier". Nur heißen die nicht Stegosaurus oder Tyrannosaurus Rex, sondern Weißer Astrachan, Welschisner, Roter Eiser oder – ganz regional – Leipersloher Birne. Und ausgestorben sind sie auch nicht. Noch nicht.

"Von einigen alten Obstsorten gibt es in Schwabach und Umgebung zum Teil nur noch zwei oder drei Bäume", erklärt Günter Grimm. Doch nun sind es wieder mehr.

Denn in Dietersdorf ist im Herbst auf einem bisherigen Acker eine neue Streuobstwiese angelegt worden. "Das ist die größte neue Streuobstwiese, die in Schwabach seit Jahrzehnten gepflanzt worden ist", freut sich Andreas Barthel, der Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands.

60 neue Bäume alter Sorten bilden hier ein neues Biotop: Zwetschgen und Kirschen, Nussbäume und Quitten. Der Schwerpunkt aber liegt auf Äpfeln und Birnen.

Ökologischer Ausgleich für B2

"Wir schaffen hier eine ökologische Ausgleichsfläche für den B2-Ausbau bei Wernsbach im Landkreis Roth", erläutert Lutz Engelhardt, der beim Staatlichen Bauamt Nürnberg die Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege leitet. Er hat den Landschaftspflegeverband mit der Pflege der Wiese beauftragt.

Die 1,2 Hektar große Streuobstwiese ist sogar nur der erste Schritt. "Im kommenden Herbst werden wir in der Verlängerung der Wiese drei Hektar Mischwald anpflanzen", fährt Engelhardt fort. Hinzu kommt, dass die Wiese von einem Landwirt extensiv gepflegt wird, ohne Einsatz mineralischen Düngers. "Das wird hier ein Lebensraum für 3000 bis 5000 Pflanzen und Tiere", ist Andreas Barthel überzeugt. "Streuobstwiesen sind besonders artenreich."

Den Anfang machen 20 verschiedene Baumarten. "Von jeder Art höchstens drei, das ist eine bunte Mischung", sagt Günter Grimm. "Von vielen ist nicht einmal mehr der Name bekannt." Dafür weiß der frühere Biologielehrer am Adam-Kraft-Gymnasium und jetzige stellvertretende Vorsitzende des Landschaftspflegeverbandes umso genauer, wie man mit ihnen umgeht und sie letztlich rettet.

Günter Grimms Passion

Rund 50 der 60 Bäume hat er mit Reisern der Mutterbäume selbst gezogen. Dafür hat die Stadtgärtnerei dem Bund Naturschutz eine kleine Pflanzfläche zur Verfügung gestellt. "Das ist ein Hobby von mir", sagt Günter Grimm, wird aber sofort von Andreas Barthel lächelnd korrigiert: "Das ist schon mehr eine Passion."

Ein Kulturgut

Bereits 2009 hatte der BN ein Projekt gestartet, um alte Obstsorten zunächst zu kartieren und dauerhaft zu erhalten. "Auf Flächen wie jetzt in Dietersdorf ist das möglich, ohne zu fragen, ob das Obst dem heutigen Geschmack entspricht oder die Pflanzung wirtschaftlich Sinn macht", sagt Grimm. Ökologisch sinnvoll ist sie in jedem Fall. Alte Obstbaumsorten können wichtiges Genpotential für weitere Züchtungen sein.

Und ein Kulturgut sind sie auch. Die "Leipersloher Birne" etwa ist ein schönes Beispiel einer "sehr kleinräumig" vorkommenden Sorte. "Früher hat es sie in Leipersloh oder auch in Kapsdorf und Barthelmesaurach auf jedem Bauernhof gegeben", erklärt Günter Grimm. "Heute ist sie fast verschwunden."

"Stopfer mit Hutzel"

Bis etwa 1950 diente eigenes Obst noch als wichtiges Nahrungsmittel, als Vitaminversorgung im Winter. Beliebt waren zum Beispiel die "Hutzel", wie gedörrte Birnen genannt wurden. "Stopfer mit Hutzel war ein häufiges Gericht", berichtet Grimm.

Jede Birnenart hat ihre Stärken. Die widerstandsfähige Sußbirne ist "hervorragend für Edelbrände", erklärt Grimm. Die Aarer Pfundbirne wird besonders schwer. "Zwar kein Pfund, aber doch bis 350 Gramm."

Erste Ernte in zehn Jahren

Und wann gibt es die erste Ernte? Grimm schmunzelt. "Naja, einzelne Äpfel vielleicht in drei Jahren, aber eine richtige Ernte in etwa zehn."

Bei der Baumzucht ist Geduld gefragt. Dafür haben die alten Sorten in Dietersdorf eine geschützte Zukunft. "Birnbäume", sagt Günter Grimm, "werden bis zu 250 Jahre alt".

 

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