Kinder, Küche, Kirche war damals

30.9.2019, 16:09 Uhr
Kinder, Küche, Kirche war damals

© Foto: Anne Kleinmann

430 Mitarbeiter, die Produktion in Büchenbach, die Verwaltung in Schwabach, Verkaufsbüros in China und Indien, ein Jahresumsatz von rund 70 Millionen Euro. Der Laborgerätehersteller Memmert, einst 1947 von Willi Memmert gegründet, ist längst kein kleines Unternehmen mehr. In Familienhand ist das mittelständische Unternehmen aber auch heute noch: Seit 2007 leitet Christiane Riefler-Karpa in dritter Generation die Firma.

Zusammenarbeit war schwierig

"Meine Eltern wollten von Anfang an, dass ich irgendwann die Leitung übernehme." Für die Tochter stand das allerdings nicht immer fest: "In der Schulzeit wollte ich eigentlich Diplomatin werden." In Bayreuth macht sie zunächst ihr Vordiplom in Betriebswirtschaft, geht dann für den Master in die USA. "Ich wäre da auch gerne noch länger geblieben, aber meine Mutter wollte, dass ich wieder zurückkomme."

Wieder in Schwabach, steigt Riefler-Karpa 1995 zunächst mit in die Firma ein, leitet dort den Einkauf und Vertrieb für Südamerika. "Die Zusammenarbeit zwischen meinen Eltern und mir hat aber nicht geklappt. Da prallten einfach Ideen aufeinander", erzählt sie.

Also steigt sie aus, fängt stattdessen 1997 an, bei Nokia die Logistikabteilung zu leiten. "Mal in einem global agierenden Unternehmen zu arbeiten, also eine andere Welt zu erleben, war sehr nützlich, um Erfahrungen zu sammeln."

Erfahrungen, die sie heute als Leiterin des Familienunternehmens nutzen kann. 2007 kommt Riefler-Karpa unter der Voraussetzung zurück, die Geschäftsleitung von den Eltern zu übernehmen. "Ich wollte den Fehler nicht noch einmal machen." Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Generationen sei sehr komplex, fügt sie hinzu. "Meine Eltern hatten einen eher konservativen Führungsstil, der nicht meiner ist."

Und das strahlt die 51-Jährige auch äußerlich aus. Leger gekleidet sitzt sie lächelnd in dem großen Konferenzraum in dem Firmengebäude in Schwabach. "Also meine Mutter hat sich damals fast mütterlich um die Mitarbeiter gekümmert." Das schaffe sie heute nicht mehr, auch weil die Firma seitdem deutlich gewachsen ist. "Ich versuche dafür, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter wohl fühlen und sie Unterstützung finden, wenn sie sie brauchen."

Seit über zwei Jahren stehe zum Beispiel eine Psychologin als Ansprechpartner für die Mitarbeiter. zur Verfügung. "Und es wird mehr genutzt als ich davor gedacht hätte." Zudem würden den Mitarbeitern auch sportliche Aktivitäten angeboten. "Nachtschicht versuchen wir außerdem zu vermeiden. Ich hatte das bei Nokia teilweise und habe dadurch gemerkt, dass das der Gesundheit einfach nicht gut tut."

Die Mitarbeiter im Blick zu behalten, das ist aber nur ein Teil ihrer täglichen Arbeit. "Ich mache natürlich viel in der strategischen Führung. Also wir sitzen hier in kleiner Runde und überlegen, welche Schritte wir einleiten müssen, damit die Arbeitsplätze auch in fünf bis zehn Jahren sicher sind." Allerdings: "Wir denken hier nicht nur in Quartalszahlen." Vielleicht sei das der größte Unterschied, wenn die Leitungsposition im Unternehmen auch von der Familie besetzt sei. "Ein angestellter Geschäftsführer denkt in aktuellen Zahlen und das ist ja auch sein Job. Aber ich habe die Freiheit, den Zahlen nicht die oberste Priorität einzuräumen, sondern den Fokus eher auf Nachhaltigkeit und langfristige Werterhaltung zu legen."

Dass sie als Frau ein so technisches Unternehmen leitet, das sei bis heute ungewöhnlich. "Eine Quelle für Frauen in solchen Positionen sind Familienunternehmen. Aber Frauen, die sich hochgearbeitet haben, das ist doch eher die Ausnahme." Vor allem in vielen anderen Ländern: "Ich war am Anfang meiner Zeit hier ein Mal in Hongkong", erinnert sie sich, "saß da am Ehrentisch, aber die Zulieferer aus Japan haben mich einfach den ganzen Abend ignoriert, obwohl mein Vater mehrmals betont hat, dass ich jetzt die Chefin sei." Mittlerweile komme so etwas aber kaum mehr vor, "und wenn, dann finde ich es meistens eher amüsant".

"Meine Mutter hatte es nicht leicht"

Im eigenen Unternehmen spiele das ohnehin keine Rolle. "Meine Mutter hat davor schon die Technik und die Fertigung geleitet. Das war damals noch eine komplette Männerwelt." Dort sei ihre Mutter anfangs noch auf Widerstand gestoßen. Und auch an etwas anderes erinnert sich Riefler-Karpa: "Als ich im Kindergarten war, hieß es dort, wie die Mütter ihre Kinder nur hier abladen könnten." Kinder, Küche, Kirche, das sei damals noch sehr in der Denke gewesen. Damit heute alle Mitarbeiter Familie und Arbeit vereinen können, versucht die Chefin auch Teilzeitarbeit oder Homeoffice möglich zu machen. "Ich weiß ja, wie das ist, wenn man vor dem Kindergarten steht und dort sind die Läuse ausgebrochen." Eine gewisse Flexibilität, die nutzt sie auch selbst. "Viele denken vielleicht, ich arbeite 60 Stunden am Tag, aber eigentlich ist das hier großer Luxus, weil ich meine Zeit freier einteilen kann." Flexibilität und gegenseitige Unterstützung, das war auch für sie in ihrer Position wichtig: "Jetzt sind die Kinder groß. Aber früher, als sie kleiner waren, war ich darauf angewiesen, dass mich meine Kollegen unterstützen, wenn ich mal spontan nicht kommen konnte", betont sie. "Ich glaube, es macht auch einen Unterschied, wenn hier eine Chefin sitzt, die das selbst kennt."

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