Scala schließt nach 57 Jahren in Schwabach

2.9.2014, 08:15 Uhr
Scala schließt nach 57 Jahren in Schwabach

© Robert Schmitt

Heidi Wellein zeichnet für Filmgeschäft, Disposition und Buchhaltung verantwortlich. Ihr Mann Gerhard ist Kinotechniker. Filmvorführer, Kiosk-Verkäufer, Kassiererinnen und Reinigungspersonal arbeiten zwar lediglich als 450-Euro-Kräfte. Die meisten aber sind schon sehr lange an Bord und bilden den Kern einer echten Cineasten-Familie. „Wir sind bunte Vögel“, charakterisiert die Chefin ihre Scala-Truppe.

Doch am Sonntag Abend ist kein Platz für heitere Farben. Die bunten Vögel tragen Schwarz. Als sich im Kino eins der Vorhang öffnet und der letzte Film der Scala-Geschichte startet, fließen bei einigen aus der Belegschaft sogar die Tränen. Nun ist es endgültig: Nie mehr wird auf der Leinwand der Slogan erscheinen, der das dokumentiert hat, was das Publikum offenbar 57 Jahre lang empfunden hat und es zu treuen Stammgästen werden ließ: „Scala, so mag ich Kino.“

Im alten Scala in der Bahnhofstraße wird kein Film mehr laufen. Zuvor hatten sich die Fans zum letzten Mal im Foyer versammelt. Doch nach 57 Jahren gehen jetzt die Lichter aus.

Im alten Scala in der Bahnhofstraße wird kein Film mehr laufen. Zuvor hatten sich die Fans zum letzten Mal im Foyer versammelt. Doch nach 57 Jahren gehen jetzt die Lichter aus. © Robert Schmitt

Bald wird das Haus in der Bahnhofstraße mit dem charakteristischen Schriftzug auf dem Vordach verschwunden sein. An seine Stelle tritt ein großer Neubau mit Wohnungen. Dennoch reißt der Abschied des Scala eine bleibende Lücke. „Eine Kulturlücke“, wie Heidi Wellein findet. Denn die Kinolandschaft vereinheitlicht sich ebenso wie der Einzelhandel in den Innenstädten. „Überall Monsterkinos mit den gleichen Filmen“, sagt Wellein. „Ich bin sehr traurig.“

Die Schwabacher offenbar auch. In den sozialen Medien war die Schließung des Kinos den gesamten Sonntag über ein großes Thema. „Selbst der Himmel weint“, meinte ein Facebook-Kommentator. Andere erinnerten sich an große alte Streifen. „Ich habe hier mit meiner Mutter den ersten Sissi-Film gesehen.“

Heidi Wellein arbeitet seit 1981 im Scala. 1984 hat sie hier ihren Mann kennengelernt. Zu dieser Zeit wurde das Innenleben des Scala zum ersten Mal angepasst und ein zweiter Kinosaal eingebaut. 2005 folgte der dritte. Eigentümerin war bis zu ihrem Tod im November 2004 Gabriele Hahn-Seifert. Ihr Mann Hans-Peter Seifert ließ das Kino unangetastet und setzte weiter auf die Welleins. Er übertrug ihnen die volle Verantwortung. Als auch Seifert 2013 verstarb, war die Zukunft ungewiss. „Die Erben haben uns dann vor vollendete Tatsachen gestellt, obwohl sie versprochen hatten, vor einer Entscheidung mit uns zu reden“, versichern Heidi und Gerhard Wellein.

Modernste Technik

Ihrer Meinung nach wäre nämlich beides möglich gewesen: Ein Verkauf des Grundstücks und ein Weiterbetrieb des Kinos. Denn es gibt offenbar durchaus Interesse an alten Lichtspielhäusern. „In Fachzeitschriften werden jede Woche Kinos zum Pachten und Kaufen gesucht“, weiß Heidi Wellein. Ökonomisch hat das Scala durchaus funktioniert. „Wir konnten die Rechnungen bezahlen und ein wenig investieren.“ Technisch ist das Scala in der Tat auf dem neuesten Stand. Digitale Vorführtechnik und Dolby-Surround-Ton sorgten in allen drei Sälen für ein top-modernes Kinoerlebnis. „Aber man hat uns keine Chance gegeben“, beklagen die Welleins. Ab Januar sind die 59-Jährige und ihr 58-jähriger Ehemann nun arbeitslos.

Scala schließt nach 57 Jahren in Schwabach

© Robert Schmitt

Zur Abschiedsvorstellung sind knapp 100 Besucher ins Kino eins gekommen. Der größte Saal des Scala fasst 180 Menschen. Gerhard Wellein ist deshalb enttäuscht. „Nicht einmal heute ist voll“, sagt er. Alle Zuschauer sind Fans, die das Scala von Kindesbeinen an kennen und regelmäßig besucht haben. „Mein erster Film war Ben Hur“, sagt einer. Andere erinnern sich an Caligula, James Bond oder Titanic.

Die Hollywood-Blockbuster-Zeit des Scala liegt allerdings bereits weit zurück. Seit gut zehn Jahren konzentriert sich Heidi Wellein auf den deutschen und europäischen Film. Mit Erfolg: „95 Prozent unserer Filme wurden vom Publikum gut angenommen“, sagt Heidi Wellein. „Ich gehe schon seit Jahren nicht mehr nach Nürnberg“, habe ihr eine Frau erzählt, „weil hier so schöne Filme laufen.“ Austausch in die umgekehrte Richtung fand allerdings statt. „Zu uns kamen auch viele Nürnberger.“

Künftig könnten die schönen Filme in Wendelstein laufen. Denn von dort liegt den Welleins das Angebot vor, ein Kino zu betreiben. Fraglich ist allerdings, ob die Räume dafür geeignet und die Investitionen zu stemmen sind. Von Hilpoltstein aus wurde immerhin ein Grundstück offeriert. „Wir suchen Sponsoren“, sagt Gerhard Wellein in seiner Abschiedsrede. 100 Sekunden zwischen Werbung und Hauptfilm. „Wir könnten uns auch vorstellen, Aktien auszugeben“, präzisiert er seine Vorstellungen zur Finanzierung eines alternativen Kinos in der Region. Falls es tatsächlich soweit kommt, könnte man Schwarz wieder ablegen. Zur Eröffnungsfeier wären gewiss bunte Vögel gefragt.

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