Schwabach: Kein Corona-Einbruch bei Ausbildungen

1.9.2020, 15:29 Uhr
Schwabach: Kein Corona-Einbruch bei Ausbildungen

© Foto: Günther Wilhelm

Sina Wendland war sicher eine der ersten. Für die 17-jährige Schwabacherin hat der Start ins Berufsleben an diesem 1. September schon um 5 Uhr morgens begonnen. Wobei man in ihrem Fall korrekter sagen muss: erst um 5 Uhr. "Am ersten Tag durfte ich noch etwas später kommen", erzählt sie lächelnd. Ab dem heutigen Mittwoch startet ihr Arbeitstag schon um vier.

Denn Sina Wendland hat eine Ausbildung in einem Beruf begonnen, der große Nachwuchssorgen hat: Sie will Bäckerin werden. Das frühe Aufstehen schreckt viele Jugendliche von diesem Handwerk ab. Sina nicht. "Da gewöhnt man sich dran", sagt sie zuversichtlich. Denn ihre Berufswahl ist alles andere als eine Notlösung.

"Das liebe ich"

"Bei uns in der Montessori-Schule haben wir schon ab der fünften Klasse Praktika gemacht. Ich war zweimal in einer Bäckerei, zuletzt in der Bäckerei Sproßmann. Schon in der Schulküche wollte ich immer den Hefeteig machen. Das liebe ich. Und die Praktika haben mir sehr gut gefallen", erzählt sie.

"Die Sina will das, sie hat Leidenschaft. Das merkt man sofort", sagt Bäckermeister Martin Sproßmann. Sein Unterreichenbacher Familienbetrieb hat große Tradition. Seit 1911 sorgt er für feines frisches Brot.

"Es ist schwierig geworden, guten Nachwuchs zu finden", weiß Sproßmann. "Für uns aber heuer nicht. Wir haben uns unheimlich über Sinas Bewerbung gefreut."

Zum Einstieg durfte sie schon mal den Teig wiegen und die ersten Laugenbrezeln knoten. "Schon im Praktikum hat sie erste Handgriffe gelernt. Und sie hat nichts verlernt", lobt sie Martin Sproßmann. "Bei uns lernt sie die ganze Bandbreite kennen: vom Brotteig bis zur großen Hochzeitstorte." Sina freut sich schon darauf: "Mir gefällt, dass hier noch so viel mit der Hand gemacht wird."

"Wir sind zufrieden"

Die 17-Jährige ist eine von vielen jungen Nachwuchskräften, für die am 1. September ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat. An diesem Tag startet klassischerweise die Ausbildung. Ein Stichtag aber ist es nicht. Mindestens bis Jahresende werden weitere Verträge abgeschlossen, je nachdem, wie Ausbildungsbetrieb und Bewerberinnen und Bewerber zusammenfinden.

Dennoch ist der 1. September eine Marke, an der eine erste Bilanz gezogen wird. In diesem Jahr stand vor allem eine Frage im Raum: Welche Auswirkungen hat Corona?

Landkreis Roth: "Wir hatten schon die Sorge, dass uns der Ausbildungsmarkt einbricht, aber das tut er nicht", sagt Ute Ernst. Die "Teamleiterin Arbeitgeberservice" der auch für den Landkreis Roth zuständigen Agentur für Arbeit Ansbach-Weißenburg hat engen Kontakt zu den Firmen. "Es gibt bei einzelnen Betrieben schon eine Zurückhaltung", hat sie festgestellt. "Aber an den Zahlen lässt sich das nicht ablesen."

Im Landkreis Roth wurden seit Oktober 2019 1339 Ausbildungsstellen gemeldet. 36 mehr als im Jahr davor. Unbesetzt sind davon noch 423. Denen stehen noch 121 unversorgte Bewerber gegenüber. "Rechnerisch hat also jeder die Auswahl aus 3,5 Ausbildungsplätzen", so Ute Ernst.

Ihr Fazit: "Insgesamt sind wir mit den Zahlen zufrieden."

Stadt Schwabach: Ähnlich beschreibt auch Matthias Ringler, der Pressesprecher der Agentur für Arbeit Nürnberg, den Ausbildungsmarkt in Schwabach: "Wir haben die Zahlen sehr genau durchgesehen: Es gibt keinen Corona-Effekt. Wir haben einen normalen Jahrgang. Das ist überraschend positiv." In Schwabach waren 304 Azubi-Stellen gemeldet. Nur neun weniger als im Vorjahr. 90 Davon sind noch unbesetzt. Unversorgte Bewerber gibt es aktuell 57, das sind 16 weniger als vor einem Jahr. "Bewerber haben also durchaus noch eine Chance", betont Ringler.

"Vorbildliche Unternehmen"

Wie wird die Lage auf dem Ausbildungsmarkt von Vertretern der Wirtschaft eingeschätzt? Ein Stimmungsbild.

Stefan Kastner, Leiter der Berufsbildung der Industrie- und Handelskammer Mittelfranken: "Es gab ja den Tenor, dass die Betriebe wegen Corona nicht ausbilden. Doch das ist überhaupt nicht so. Es gibt aber viele Betriebe, die bekommen keine Bewerbungen. Wir kämpfen um jeden, der sich bewirbt. In Mittelfranken haben wir rund 500 offene Stellen, so viele wie noch nie."

Sebastian Dörr, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mittelfranken Süd: "Das Handwerk sucht händeringend Nachwuchs. Trotz Corona sieht es im Großen und Ganzen immer noch gut aus. Die Ausbildungsbereitschaft ist ungebrochen."

Thomas Dann, Vorsitzender des IHK-Gremiums Schwabach: "Ausbildung muss man langfristig denken, völlig losgelöst von Corona. Da wirft man als Firma sein Konzept nicht einfach über den Haufen."

Stefan Köhn, stellvertretender Vorsitzender des IHK-Gremiums Roth: "Die Unternehmer sind sich ihrer Verantwortung bewusst, sowohl für ihre Firmen als auch für die jungen Menschen. Wer kann, bildet auch aus."

Felix Lehnhoff, stellvertretender Geschäftsführer der Unternehmerfabrik Roth: "Wegen Corona haben wir im Sommer eine Umfrage unter Unternehmen gemacht. Von 900 haben 154 geantwortet. Davon bilden 89 Prozent weiter aus, elf Prozent waren unentschlossen, nur vier Prozent bilden nicht aus. Corona ist natürlich eine riesige Herausforderung. Aber der Umgang der Unternehmen mit der Krise ist vorbildlich. Da entlässt keiner mal einfach schnell seine Leute. Alle wissen: Irgendwann ist die Krise vorbei. Deshalb versuchen alle, ihre Mitarbeiter zu halten und junge Leute auszubilden."

Infos für Bewerberinnen und Bewerber:

Wer noch keinen Ausbildungsplatz hat, oder Hilfe bei der Orientierung braucht, kann sich bei der Berufsberatung melden. Jugendberufsagentur Nürnberg (auch für Schwabach zuständig): (0911) 529 1234. Die kostenlose Hotline der Agentur Weißenburg: 0800 4 5555 00.

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