Sex und Pearl Harbor: Die Meisterspionin aus der Oberpfalz

19.8.2015, 06:00 Uhr
Eine ehemalige Geliebte von Goebbels aus der Oberpfalz spionierte für die Japaner bei Pearl Harbor. (Archivfoto)

© AFP Eine ehemalige Geliebte von Goebbels aus der Oberpfalz spionierte für die Japaner bei Pearl Harbor. (Archivfoto)

Sie half den Japanern beim Überfall auf Pearl Harbour, verdrehte amerikanischen Offizieren den Kopf. Schließlich landet Ruth Kühn in Tirschenreuth, wo sie sich erneut einen US-Offizier angelt und in die USA auswandert. Am Anfang stand ein sexueller Missbrauch: Nazi-Propaganda-Minister Joseph Goebbels hatte 1934 die Schwester seines Privatsekretärs Leopold Kühn missbraucht. Das FBI berichtet später, Ruth sei seine Geliebte, seine "Mistress" gewesen. Der Täter war 37, das Opfer 16 Jahre alt.

Als Gefahr bestand, dass die Causa Ruth Goebbels Karriere gefährden könnte, ersann er eine List. Obendrein legte seine Ehefrau Magda Wert darauf, dass die attraktive Ruth aus dem Dunstkreis des Ministers verschwinden sollte. Japan suchte damals europäisch aussehende Spione. Und dafür war Familie Kühn bestens geeignet. Ruths Stiefvater Otto Kühn, der als Ausbildung ein paar Semester Medizin und Erfahrung bei der Gestapo mitbrachte, zog mit seiner Familie im August 1936 nach Hawaii.

Sie hatten chilenische Pässe, wurden von Berlin und Tokio mit riesigen Honoraren  finanziert. Otto Kühn gab sich als Professor der Völkerkunde aus und veröffentlichte zum Schein sogar wissenschaftliche Aufsätze. Dabei waren auch Kühns Frau Friedel sowie Hans, der fünf Jahre alte Halbbruder von Ruth, der bald in einer US-Marineuniform für Kinder zum Spionieren unterwegs war.

Die Familie bezog ein Haus in Honolulu, mit Blick auf den Hafen, in dem am 7. Dezember 1941 bei einem japanischen Angriff 2400 US-Bürger ums Leben kamen. Diesen Angriff vorzubereiten, das war eine der Aufgaben von Familie Kühn. Die schöne Tochter eröffnete eine Schönheitssalon, in dem viele Ehefrauen von hochrangigen US-Militärs verkehrten. Arglos erzählten sie, wann ihre Männer mit welchen Schiffen in Pearl Harbor landeten. Die große, schlanke, Ruth, eine fabelhafte Tänzerin obendrein,  hatte bald viele Verehrer. Zu ihrer großen Freude bewahrte einer von ihnen die militärischen Geheimakten im Schlafzimmer auf, heißt es in einem Aufsatz über die junge Frau.  

Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg

Der japanische Angriff auf Pearl Harbor markierte einen Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg - etwa 2400 US-Bürger kamen am 7. Dezember 1941 ums Leben. Einen Tag später erklärte der US-Kongress Japan den Krieg, daraufhin Deutschland den USA. Zwei der damaligen Spione für die Japaner verbrachten ihren Lebensabend in der Oberpfalz.

Die Familie Kühn wurde Jahre nach ihrer Verurteilung nach Tirschenreuth abgeschoben. Das Ehepaar lebte dort bis zu seinem Tod nahezu unerkannt. Auf dem städtischen Friedhof waren Otto und Friedel Kühn bis 1984 in der Grabstelle mit der Nummer 94 begraben.

"Von 100 Menschen in Tirschenreuth kennt vielleicht einer die Spione Kühn", sagt Bürgermeister Franz Stahl (CSU). Auch bei Stadtführungen wird die abenteuerliche Geschichte der Kühns nicht erzählt. "Es ist ja auch kein Ruhmesblatt für die Stadt", betont der Bürgermeister.

Anhand von Unterlagen im japanischen Konsulat wurden die Kühns vom FBI verhaftet. Otto Kühn wurde zunächst zum Tode verurteilt, die Strafe später aber zu 50 Jahre Zuchthaus umgewandelt. Am 1. September 1945 wurde die ganze Familie nach Deutschland in die Oberpfalz abgeschoben. In Tirschenreuth starb Otto Kühn am 3. Oktober 1956, seine Frau acht Jahre später. Vermutlich hatten sie von den einst  angesparten Dollars ihren Lebensunterhalt bestritten. 1984 wurde ihr verwahrlostes Grab stillgelegt. Nichts erinnert mehr an die Spione. Tochter Ruth heiratete später einen amerikanischen Offizier und lebte mit Einverständnis der CIA in den USA.

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