Experten beraten am Telefon

Tabuthema Drogensucht: Manche trifft es erst im Alter

Silke Roennefahrt

Lokalredaktion

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24.10.2023, 18:59 Uhr
Manche Menschen rutschen erst im fortgeschrittenen Lebensalter in eine Drogenabhängigkeit, beispielsweise vom Alkohol. Die Gründe dafür sind vielfältig. 

© imago images/photothek/Ute Grabowsky, NN Manche Menschen rutschen erst im fortgeschrittenen Lebensalter in eine Drogenabhängigkeit, beispielsweise vom Alkohol. Die Gründe dafür sind vielfältig. 

Bei manchen ist es der Eintritt in die Rente, bei anderen der Verlust des Partners, bei wieder anderen die Diagnose einer schweren Erkrankung: Nicht selten rutschen Menschen erst im fortgeschrittenen Lebensalter in eine Drogenabhängigkeit hinein. Gesprochen wird darüber ungern, das Thema ist tabu. Und Angehörige oder Freunde sind oft ratlos und wissen nicht, wie sie mit dem veränderten Verhalten ihrer Lieben umgehen sollen. Dabei gibt es Möglichkeiten, zu helfen. Am Mittwoch, 25. Oktober, stehen deshalb am Lesertelefon von 16 bis 18 Uhr vier Expertinnen und Experten für Suchtfragen Rede und Antwort zu sämtlichen Fragen rund ums Thema.

Belastende Lebenssituationen können den Konsum von Alkohol, Drogen oder Medikamenten fördern. Der Übergang zu einer gesundheitsgefährdenden Dosis ist fließend und für Angehörige oft schwer erkennbar. Auch in der Öffentlichkeit und im professionellen Bereich habe der Missbrauch von Alkohol, Tabletten oder Drogen im höheren Lebensalter lange Zeit zu wenig Beachtung gefunden, kritisiert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Mittlerweile ist einiges in Bewegung gekommen, der altersspezifische Ausbau des Beratungs- und Behandlungsangebots ist angelaufen. Auch der mittelfränkische „Arbeitskreis 40 plus/60 plus“, in dem unter anderem Stadtmission, Diakonie, Caritas, der Bezirk Mittelfranken, Lilith und Mudra vertreten sind, nimmt sich dieses Themas an.

Der Bedarf sei enorm, sagen die Fachleute. Allein schon aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft gewinne das Thema an Bedeutung. Doch nicht nur Menschen, die erst im Alter in eine Drogenabhängigkeit rutschen, sind betroffen. Auch alle, die schon in jüngeren oder mittleren Lebensjahren zu viel Alkohol, Drogen oder Pillen konsumiert haben, werden heute trotz ihrer Abhängigkeit deutlich älter und stellen zum Beispiel Pflegeheime vor neue Herausforderungen. Die Zahl der Betroffenen können Experten nur schätzen, denn die Dunkelziffer ist groß – auch deshalb, weil die ältere Generation in statistische Erhebungen zum Thema häufig nicht mit einbezogen wird.

400.000 Alkoholabhängige über 60

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen geht nach einer vorsichtigen Schätzung davon aus, dass etwa 400.000 Menschen über 60 Jahren alkoholabhängig sind. Zwischen acht und 13 Prozent der Generation 60 plus (etwa 1,7 bis 2,8 Millionen ältere Menschen) weisen einen problematischen Medikamentenkonsum auf. In stationären Einrichtungen ist der Psychopharmaka-Gebrauch laut DHS besonders hoch: Die Fachleute vermuten, dass etwa 25 Prozent der über 70-jährigen Bewohner in Alten- und Pflegeheimen von Psychopharmaka abhängig sind.

Für Angehörige ist eine Abhängigkeit oft nur schwer zu erkennen, weil es nicht auffällt, wenn sich zu den dringend benötigten Medikamenten auch noch andere gesellen, weil sich Betroffene zum Beispiel durch einen Wechsel der Ärzte mehrere Rezepte besorgen. Symptome wie sozialer Rückzug, schwindendes Interesse an liebgewonnenen Gewohnheiten, Stürze oder ein schwankender Gang werden von Familie oder Freunden oft eher mit dem Alter in Verbindung gebracht als mit einer möglichen Alkoholsucht.

Manchmal wollen Angehörige das Problem auch nicht wahrhaben. Dabei brauchen ältere Menschen aus der Sicht von Fachleuten eine besondere Fürsorge, weil ihr Körper auf Suchtmittel mit zunehmenden Jahren anders reagiert. Ziel müsse nicht immer eine Abstinenz sein, möglicherweise könne auch schon ein kontrollierter Konsum die Situation verbessern. Wo es Hilfe gibt und wie Patientinnen und Patienten zu einem möglichst selbstbestimmten Leben zurückfinden können, darum geht es bei der Telefonaktion.

Wie können Angehörige helfen? Und wie können sie sich selbst unterstützen lassen, wenn sie mit der Situation überfordert sind? Bei solchen und ähnlichen Fragen hilft Beate Schwarz weiter. Sie ist Sozialpädagogin im Suchthilfezentrum der Stadtmission und Initiatorin des Arbeitskreises "40plus/60plus". Zu erreichen ist sie unter der Rufnummer (09 11) 216 21 95.

Silke Woityschyn ist Mitarbeiterin im Suchtberatungsteam der Diakonie Ansbach, sie ist die richtige Ansprechpartnerin, wenn es um das Thema Alkoholabhängigkeit im Alter in Verbindung mit anderen psychischen Problemen, wie zum Beispiel Depressionen, geht. Die Psychologin hat die Rufnummer (09 11) 216 21 96. Doch was ist, wenn die Betroffenen nicht nur zu einem Suchtmittel greifen, sondern von mehreren Substanzen abhängig sind? Mit den besonderen Belastungen dieses Mischkonsums kennt sich Günther Engel am besten aus, der Sozialpädagoge arbeitet beim Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Fürth, er gibt Auskunft unter der Telefonnummer 09 11 216 21 97.

Wenn ältere Menschen von illegalen Drogen abhängig sind, stellen sich wieder andere Fragen - zum Beispiel die nach einer Substitution. Ob und was Angehörige tun können und wie den Betroffenen geholfen werden kann, weiß Christine Clemens, Sozialpädagogin bei der mudra Drogenhilfe. Sie hat die Telefonnummer 09 11 216 21 98.

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