Tödliches Erbe: Warum Blindgänger so gefährlich sind

19.2.2019, 05:50 Uhr
Tödliches Erbe: Warum Blindgänger so gefährlich sind

© SZ Photo/Rue des Archives

 Auch Jahrzehnte nach ihrem Abwurf sind Bombenblindgänger eine tödliche Gefahr. Seit der Jahrtausendwende hat es in Deutschland und in Österreich mehrere spektakuläre Selbstdetonationen gegeben, und immer wieder kommt es zu Unfällen.

2014 zum Beispiel war ein Baggerfahrer im nordrhein-westfälischen Euskirchen gerade damit beschäftigt, Bauschutt zu zerkleinern, als die Schaufel seines Gefährts auf eine Fliegerbombe stieß. Bei der Explosion wurde der Familienvater getötet, 13 weitere Personen wurden verletzt.


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Das tödliche Weltkriegs-Relikt könnte laut Einschätzung von Fachleuten in einem Betonblock versteckt gewesen sein. Früher wurden die Blindgänger nämlich häufig mit Beton übergossen, weil man sie nicht abtransportieren konnte.

Tödliches Erbe: Warum Blindgänger so gefährlich sind

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Besonders tückisch sind Fliegerbomben mit Langzeitzündern, bei denen aufgrund der fortschreitenden Korrosion einiger Bauteile die Gefahr einer Selbstdetonation im Laufe der Zeit eher steigt als sinkt. Und immer wieder gibt es Blindgänger, die man aufgrund solcher Korrosionsprozesse oder mechanischer Deformationen nicht entschärfen kann und deshalb direkt am Fundort kontrolliert sprengen muss. Zum Beispiel im August 2012 eine 250-Kilo-Bombe in München-Schwabing, wodurch an einigen umliegenden Häusern große Schäden entstanden.

Oft muss ein Blindgänger auch gar nicht explodieren, um schwere körperliche Schäden zu verursachen. "Viele Sprengkörpern enthalten krebserregende Chemikalien oder weißen Phosphor, der selbstständig mit dem in der Luft enthaltenen Sauerstoff reagiert", weiß Sprengmeister Michael Weiß, der auch bei der jüngsten Aktion in Nürnberg im Einsatz war. Wenn sich dieser Phosphor entzünde, können er schwerste Brandwunden verursachen.

"Pfoten weg und sofort die Polizei verständigen, wenn Sie eine Bombe oder andere Kampfmittel wie Handgranaten oder Munition finden", sagt denn auch sein Kollege Andreas Heil. Neuere Untersuchungen von gealtertem TNT, dem gebräuchlichsten Sprengstoff des Zweiten Weltkriegs, belegen zum Beispiel, dass dieser im Laufe der Jahrzehnte wesentlicher schlagempfindlicher wird und schon durch geringfügige mechanische Belastungen zur Explosion gebracht werden kann.

Manche Menschen glauben dennoch, dass Bombenblindgänger mittlerweile harmlos sind. Heil erinnert sich unter anderem an eine alte Frau, die ihre Wohnung trotz der direkt daneben laufenden Bombenentschärfung partout nicht verlassen wollte. "Sie sagte, dass sie gerade einen Hefeteig angesetzt habe."

Auch heute noch liegen unter Nürnberg und vielen anderen bayerischen Kommunen ungezählte Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Knapp zwei Millionen Tonnen Bomben warfen die Alliierten innerhalb von fünf Kriegsjahren über Deutschland ab, Experten schätzen, dass etwa zehn Prozent der damals abgeworfenen Sprengkörper nicht explodiert sind.

Angesichts dieser Dimensionen geht Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) davon aus, dass ein Ende der Kampfmittelthematik nicht abzusehen ist. "Vor allem dort, wo es zu Kriegszeiten Bombardierungen gab, etwa im Umfeld ehemaliger Rüstungsbetriebe oder in städtischen Arealen, muss auch weiterhin mit Bombenblindgängern gerechnet werden", sagte Herrmann 2018, als er die jährliche Bilanz der Kampfmittelbeseitigung präsentierte. Im Jahr zuvor war der Kampfmittelbeseitigungsdienst über 1100 Meldungen aus ganz Bayern nachgegangen.

Die Zahl der gefundenen Bombenblindgänger ist auch deshalb in den vergangenen Jahren wieder merklich gestiegen, weil viele Nachkriegsbauten mittlerweile abgerissen werden und neue Gebäude auf den Grundstücken entstehen. Wenn dann der Untergrund erneut aufgegraben wird, lauert so manche böse Überraschung im Erdreich — auch deshalb weil sich die technischen Möglichkeiten erheblich verbessert haben. Inzwischen können Fachleute tiefer und genauer sondieren als noch gegen Ende des vergangenen Jahrtausends.

Mittlerweile habe sich das Bewusstsein gewandelt, weiß Andreas Heil, Betriebsleiter der Firma Tauber, die auch für die gestrige Aktion verantwortlich war. "Bis Ende der 1970er Jahre hat man Bomben oft nur in eine Ecke verfrachtet, Erde drübergeschüttet und alles überbaut." Heutzutage gehe der Großteil der Bauherren nicht mehr so sorglos mit diesem Thema um.

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