Ungewollte Penisbilder: So können sich Betroffene wehren

29.5.2022, 12:02 Uhr
Jede Menge Frauen erleben sexuelle Belästigung in sozialen Netzwerken. Dazu zählen auch Penisbilder, die Männer meist ungefragt an die Frauen verschicken. Es ist eine Straftat, doch zur Polizei gehen bis jetzt nur wenige Betroffene.

© pixabay / firmbee Jede Menge Frauen erleben sexuelle Belästigung in sozialen Netzwerken. Dazu zählen auch Penisbilder, die Männer meist ungefragt an die Frauen verschicken. Es ist eine Straftat, doch zur Polizei gehen bis jetzt nur wenige Betroffene.

Wie eine Umfrage der Kinderrechtsorganisation Plan International in diesem Jahr ergab, erlebten 51 Prozent der 14.000 weltweit befragten Mädchen und jungen Frauen sexuelle Belästigung im Internet. Etwa 35 Prozent der 15- bis 25-Jährigen erhielten demnach sexuelle Bilder. Dazu zählen auch Dickpics.

Mit dem englischen Wort Dickpic bezeichnet man umgangssprachlich ein Foto vom Geschlechtsteil, das Männer – meist ungebeten – an Frauen senden. "Ich fand es absurd, dass ein Mann so etwas tut, und habe das Foto gleich gelöscht", erinnert sich Rauscher.

Als sie nach einer Weile wieder ein Penisbild auf Instagram bekam, hat sie den Absender gesperrt, seinen Kanal Instagram gemeldet und ihrer Empörung auf Facebook offen Luft verschafft. "Darüber muss man reden. Bei Männern gelten Dickpics oft als Kavaliersdelikt. Es betrifft so viele Frauen, aber sie schweigen oft."

"Bei Männern geht es oft um Macht"

Das bestätigt Kerstin Lindsiepe von der Frauenberatung Nürnberg für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen. Die Geschäftsführerin hat immer wieder Klientinnen, die sich außerhalb der Beratung nicht trauen, mit jemandem über die erhaltenen Penisbilder zu sprechen. "Sie empfinden Scham und Schuldgefühle und fragen sich, ob sie vielleicht etwas falsch gemacht haben", sagt die Expertin und fügt mit Nachdruck hinzu, "Das haben sie nicht." Für sie ist klar: "Bei Männern geht es dabei oft um Macht."

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Für viele Frauen ist die digitale Gewalt "fast normal" geworden, so Lindsiepes Beobachtung. "Die Frauen kommen zu uns mit anderen Anliegen und erwähnen nur nebenbei, dass sie auch solche Bilder bekommen. Viele haben das Gefühl, sie müssten das ertragen." Dickpics sind aber alles andere als harmlos, warnt die Geschäftsführerin: "Bei Frauen mit Gewalterfahrungen können solche Fotos Retraumatisierungen auslösen." Auch bei Frauen, die keine Gewalt erlebt haben, können die Bilder einiges anrichten, weiß Lindsiepe: Manche Betroffene bekommen über einen längeren Zeitraum die Fotos, wissen nicht, wann und von wem diese kommen. Sie sind in durchgehender Anspannung. Schlaf- und Konzentrationsstörungen können die Folge sein.

Keine harmlose Angelegenheit

"Vielen Frauen ist nicht klar, dass es sich bei den Bildern um eine Straftat handelt", erläutert Lindsiepe weiter. Sie rät dazu, so schnell wie möglich zur Polizei zu gehen: "Es ist keine gute Idee abzuwarten. Wir erleben, dass die sexuelle Belästigung dann nur länger dauert. Die Frauen müssen eine klare Grenze ziehen." In ihrer Einrichtung, die nun verstärkt auch zu digitaler Gewalt berät, gibt es inzwischen eine IT-Kraft, die Frauen bei technischen Fragen zur Seite steht. "Man muss alles dokumentieren und die Bilder sichern", betont Lindsiepe. Zu oft aber löschen die Frauen vor lauter Ekel impulsartig die Bilder.


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Zur Polizei gehen bis jetzt nur wenige Betroffene. "Die Anzeigeerstattung ist eher selten", so Wolfgang Prehl, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Mittelfranken. Wie die Frauenberatung machen auch die Polizeibeamten die Erfahrung, dass Frauen die Penisbilder nicht direkt thematisieren: "Im Rahmen anderer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden teilweise Dickpics auf den Mobiltelefonen der Geschädigten festgestellt, die diese mehrheitlich nicht zur Anzeige gebracht haben."

Anzeige in weniger als einer Minute

Eine Internetseite will den Betroffenen Mut machen, diesen Schritt zu gehen. Wer www.dickstinction.com aufruft, bekommt nicht nur Informationen rund um die Problematik. In weniger als einer Minute können die Frauen eine Strafanzeige dort erstatten, verspricht das Dickstinction-Team, das ehrenamtlich arbeitet. "Viele Seiten der Staatsanwaltschaft sind nicht sehr aufschlussreich oder den Opfern nicht bekannt. Wir wollen mit unserer Webseite diese Informationslücken schließen", betont Konstantin Königsbauer vom Dickstinction-Team.

Das Interesse am Hilfsportal und dem Thema ist groß, berichtet seine Kollegin Bianca Neumair: "Aus Gründen des Datenschutzes findet kein Tracking auf der Webseite statt. Aber grob geschätzt hatten wir in den vergangenen 30 Tagen etwa 8000 Besuche. Der Instagram-Post dazu, wie man eine Anzeige stellt, hatte über 25000 Klicks. Viele Frauen wissen nicht, wie das geht. Es ist wichtig, zu vermitteln, dass die Frauen sich wehren können und sich solche Bilder nicht gefallen lassen müssen."

Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis

Nicht viele, aber einige Verfahren wegen Dickpics – sie erfüllen den Straftatbestand "Unerlaubte Verbreitung pornografischer Schriften" – konnte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bereits verzeichnen, erläutert die Pressesprecherin Antje Gabriels-Gorsolke. Die ermittelten Täter müssen wegen ihrer Penisbilder mit "Geldstrafen oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr" rechnen.

Das Dickstinction-Team will auch auf dem Nürnberg Digital Festival Remote, das vom 9. November bis zum 17. November stattfindet, zeigen, wie Frauen sich gegen ungefragte Penisbilder wehren können. Das Team gestaltet am Dienstag, 10. November, um 15 Uhr eine Session dazu.

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