"Sie will die Welt retten"

Veganerin gewinnt Spanferkel beim Schafkopfen - Veranstalterteam verspeist tierischen Preis selbst

Alice Vicentini

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Minh Anh Nguyen

Online-Redaktion

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4.4.2023, 07:20 Uhr
Beim Schafkopfturnier verschenkt der SC-Verein bei Tirschenreuth viele Prämien. Der Trostpreis ist ein gegrilltes Spanferkel.

© Christine Roth via www.imago-images.de Beim Schafkopfturnier verschenkt der SC-Verein bei Tirschenreuth viele Prämien. Der Trostpreis ist ein gegrilltes Spanferkel.

Jedes Jahr seit Jahrzehnten veranstaltet der Skiclub Stein bei Tirschenreuth ein Preisschafkopf-Turnier. Insgesamt 2500 Euro spendiert das Veranstalterteam - aufgeteilt auf mehrere Gewinne, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. Der oder die Vorletzte des beliebten Kartenspiels hat Anspruch auf ein Spanferkel. Dies kam bisher immer gut an, bis auf das letzte Mal, als die Gewinnerin die Veranstalter auf ihrem Preis sitzen ließ.

Am 18. November 2022 konnte das Schafkopfturnier nach drei Jahren Pause wieder stattfinden. Über 500 Euro durfte sich Andreas Höfler freuen. Patrick Scherer vergnügte sich mit 300 Euro. Für die Restplatzierten blieben andere Preise übrig, wie eine Tonne Holzpellets oder eine Gratis-Zahnbehandlung. Das Spanferkel als Trostpreis ging dieses Jahr an Vanessa Vogel, darüber berichtete zuvor die "Frankenpost".

Veganerin gewinnt das Spanferkel - was nun?

Bereits vor der Preisverleihung sei klar gewesen, dass die Vorletztplatzierte überzeugte Veganerin ist, teilt der erste Vorsitzende des SC-Vereins Gerhard Bauer unserer Redaktion gegenüber mit. Trotzdem habe sie sich auf den Preis gefreut, wie ihr Grinsen auf dem Siegerfoto zeige, erklärt er. Sie habe vorgehabt, das Spanferkel ihrem Vater zum Geburtstag zu schenken. "Damit war es geklärt", glaubte Bauer.

Doch danach habe sie über den Metzger versucht, das Spanferkel lebend herauszubekommen - allerdings ohne mit dem Verein ins Gespräch zu kommen, so der Vorsitzende. Um die Wogen zu glätten, habe Bauer Frau Vogel laut eigenen Angaben einen 50-Euro-Gutschein für einen Bio-Laden angeboten. Das habe sie aber abgelehnt.

Da das Spanferkel auch nie abgeholt wurde, habe das Veranstalterteam beschlossen, es selbst zu verzehren. "Man kann ja heutzutage in Zeiten von Energiekrise und Inflation keine Lebensmittel wegwerfen", erklärt Bauer.

Eine Geschichte mit zwei Wahrheiten

Die Geschichte ging in kürzester Zeit viral. Mehrere Medienhäuser berichteten darüber. Vanessa Vogel erzählt ihre Seite vor allem auf ihrem Facebook-Account. Ihre Absicht bei der ganzen Sache sei immer eine gewesen: Das Ferkel noch am Leben zu halten und auf den Erdlingshof runterbringen zu können. Das habe der Vorsitzende des Vereins auch gewusst. "Von einem lebendigen Schwein war in mehreren Telefonaten sehr wohl die Rede, lieber SC Stein [...] das hat sich niemand aus den Fingern gesaugt", schreibt sie in einem Facebook-Post. Diesbezüglich wiederholte Bauer unserer Redaktion mehrmals das Gegenteil: "Es wurde nie ein lebendes Schwein versprochen."

Dass die Veranstalter das Ferkel selber gegessen haben, "nachdem man sein Wort brach, zeugt weder von Charakterstärke noch emotionaler Intelligenz", fügt sie hinzu.

Spanferkel bleibt als Trostpreis bestehen

Am 17. November 2022 machte der SC-Verein Werbung für das Schafkopfturnier auf Facebook. Darunter sammelten sich zwei Kommentare, die Vogels Sichtweise anscheinend unterstützten. "Ein Spanferkel als Preis! Wie abartig ist das denn!", schreibt eine Userin. "Ein Spanferkel als Preis, wie originell! Und am besten natürlich frisch getötet! Fällt euch da wirklich nichts besseres ein?", kommentiert ein anderer Nutzer.

Auf die Frage unserer Redaktion, ob das Spanferkel weiterhin als Trostpreis bei den nächsten Schafkopfturnieren verschenkt wird, antwortete Bauer: "Jedes Jahr ist der Trostpreis das Spanferkel, das gegrillt nach Hause geliefert wird [...] Und das wird auch dieses Jahr der Preis sein. Wir werden uns an unserer Schafkopfpolitik halten."

Frau Vogel wolle die Welt retten, indem sie dem Schwein das Leben rettet, sagt Bauer weiter. Das habe nichts mit der Realität zu tun. Nur in Deutschland würden jedes Jahr Millionen Schweine geschlachtet. Für Vogel habe das Ganze einen emotionalen Aspekt: "Es ging nie darum, die Welt zu retten. Es ging darum, „mein“ Ferkel zu retten, welches mir mehrfach lebendig zugesagt und versprochen wurde!" Ein Ferkel zu retten hätte bedeuten können, einem Schlachttier die Möglichkeit zum Weiterleben zu geben, betont Vogel.