Altmühlfranken setzt auf Jitsi

4.2.2021, 06:05 Uhr
Bei Videokonferenzen hat man zuerst in Treuchtlingen auf Jitsi gesetzt (im Bild eine Bürgerversammlung zum Bubenheimer Spielplatz), inzwischen hat auch der Landkreis die Vorteile der quelloffenen Software erkannt und betreibt einen eigenen Server.

© Foto: Screenshot/Lidia Piechulek Bei Videokonferenzen hat man zuerst in Treuchtlingen auf Jitsi gesetzt (im Bild eine Bürgerversammlung zum Bubenheimer Spielplatz), inzwischen hat auch der Landkreis die Vorteile der quelloffenen Software erkannt und betreibt einen eigenen Server.

Treuchtlingen ist in Sachen EDV ein bisschen der Exot im Landkreis. Die Altmühlstadt setzt nämlich auf Linux und nicht auf Windows. Linux gilt als deutlich sicherer, günstiger und besser anpassbar im Vergleich zu Windows. Die Linux-Oberfläche steht der Windows-Bedienung heute in nichts nach, aber sie kommt im Zweifelsfall mit schwächeren (also auch günstigeren) PCs aus.

Doch was hat das nun mit den Videokonferenzen in Altmühlfranken zu tun? Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 wurden auch in Treuchtlingen Hals über Kopf Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, Teams getrennt, und trotzdem sollte es mehr Kontakt als nur das Telefon geben.

"Wir brauchten eine schnelle Lösung", schildert EDV-Sachbearbeiter Heinz-Markus Gräsing, der auch kommissarischer Digitalisierungsbeauftragter der Stadt ist. Das Problem: Aus Datenschutzgründen durfte es keine Anwendung sein, die einfach im Browser läuft.

Schwarmintelligenz merzt Fehler aus

So fiel die Wahl auf Jitsi. Das ist keine asiatische Kampfsportart, sondern eine sogenannte Open-Source-Software. Das heißt der Programmcode ist für jeden Interessierten einsehbar. Die Schwarmintelligenz sorgt in der Regel dafür, dass Sicherheitslücken schneller gefunden und ausgemerzt werden als bei kommerziellen Projekten.


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Für den Anwender macht es wenig Unterschied, ob er nun Zoom, Teams, Meet oder eben Jitsi für die Videokonferenz nutzt. Er macht sich in der Regel auch keine Gedanken, welch enorme Rechenleistung im Hintergrund erforderlich ist, damit jeder der Teilnehmer Bild und Ton auf den Rechner bekommt.

Denn für einen Windows-Nutzer muss das Bild anders übertragen werden als für jemanden, der vor einem Apple-Computer sitzt, und wenn noch Smartphones ins Spiel kommen, wird es sowieso ganz kompliziert. "Das Audio- und Videoprocessing hat es wirklich in sich", sagt EDV-Spezialist Gräsing.

Der große Vorteil von Jitsi ist nun, dass es öffentliche und private Server gibt, über die man seine Videocalls laufen lassen kann. Wer ganz auf der sicheren Seite sein will, baut seinen Jitsi-Server selbst und hat dann die absolute Kontrolle über alle Daten, die darüber laufen. Genau das hat im vergangenen Frühjahr zu Beginn der Corona-Pandemie die Stadt Treuchtlingen getan.

Und es läuft seitdem tadellos. Nicht nur für die interne Kommunikation nutzt man Jitsi, es finden auch immer wieder virtuelle Treffen mit Firmen oder anderen Verwaltungen auf dem städtischen Server statt. Man musste die eigenen Computer zwar auch für die bekannten kostenpflichtigen Plattformen öffnen, weil manche Unternehmen Jitsi nicht kannten und nicht so recht trauten. Dennoch ist man in Treuchtlingen äußerst zufrieden. Gräsing: "Bei uns im Haus ist es ein großer Erfolg."


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Und von diesen positiven Erfahrungen berichtete der Computerfachmann bei einem Treffen auf Landkreisebene im Sommer vergangenen Jahres. Die IT-Abteilung des Landratsamtes zeigte sich sehr interessiert, doch es fehlte die Erfahrung mit solchen Servern. Treuchtlingen bot Hilfe an und so entstand das gemeinsame Jitsi-Projekt.

Viel Eigeninitiative gefordert

Der Landkreis kaufte einen geeigneten Computer, Gräsing sorgte dafür, dass alles reibungslos lief. Eine interkommunale Zusammenarbeit, wie sie oft in Politikerreden als Wunsch genannt wird. Und noch dazu eine, bei der man es sich bewusst nicht einfach gemacht und auf eine kommerzielle Lösung gesetzt hat. Vielmehr war es eine, die verhältnismäßig günstig, aber mit viel Eigeninitiative der Verantwortlichen in Treuchtlingen und im Weißenburger Landratsamt umgesetzt worden ist.

Das System ist modular aufgebaut. Reichen Bandbreite, Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit nicht mehr, lassen sich weitere identische Computer zusammenschalten, dann wäre es denkbar, die Plattform für weitere Nutzer, beispielsweise andere Städte und Gemeinden, zu öffnen. "Theoretisch könnten über den Server Videokonferenzen mit bis zu 80 Teilnehmern laufen", erläutert Gräsing. Praktisch ist das aber noch nicht getestet worden. Aber mit bis zu 30 Leuten im Videocall ist alles stabil.

Auch andere Anwendungen als Abstimmungsgespräche der Mitarbeiter sind denkbar. Gräsing nennt die direkte Hilfe des Sachbearbeiters beim Ausfüllen eines Formulars als Beispiel. Letztlich könnte jede Kommune selbst entscheiden, was über Jitsi möglich ist und was nicht.

Kommen weitere Server?

Allerdings wäre es bei einer Ausweitung des Angebots auch sinnvoll, mehrere Server-Standorte im Landkreis aufzubauen. Die drei großen Städte böten sich an, und das Glasfasernetz des Landkreises bietet die Basis dafür.

Für den Distanzunterricht in den Schulen ist Jitsi allerdings aus Sicht Gräsings nicht das Mittel der Wahl. Da wäre eine andere ebenfalls quelloffene Software namens "BigBlueButton" geeigneter, und man kann zwischen den Zeilen hören, dass es ihn reizen würde, diese zu testen.


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Wenn demnächst die Microsoft-Teams-Lizenz für die Schulen in Bayern ausläuft und die Mebis-Plattform immer noch zickt, könnte Kultusminister Michael Piazolo sich mal in Treuchtlingen und in Weißenburg erklären lassen, wie man eine datenschutzkonforme Open-Source-Lösung aufsetzt. Er müsste dazu noch nicht einmal vorbeikommen. Das ginge auch per Videokonferenz - natürlich über Jitsi.

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