Weißenburger BergwaldGarten
Fußballabend mit Didi Hamann - und mit Foti, Niko und ihrem großen Traum
13.08.2021, 11:31 Uhr
Es ging viel um Fußball an diesem Abend im Bergwaldtheater, um große Ziele und geplatzte Träume. Doch letztlich blieb auch hängen: Man kann auch als Fliesenleger oder Versicherungsvertreter glücklich werden. An manchen Tagen sogar glücklicher als ein Profifußballer.
Ein lauer Abend im BergwaldGarten, die Buchhandlung Meyer hat zu zwei Halbzeiten Fußballdiskussion mit vorprogrammierter Verlängerung geladen. Besser kann man eine Buchvorstellung kaum besetzen. Fast alle Protagonisten und der Autor sind auf der Bühne, zur zweiten Halbzeit kommt ein bekanntes Fernsehgesicht: Didi Hamann.
Renommierter Sportjournalist
Der Weißenburger Fotios Katidis und der Stopfenheimer Niko Reislöhner sind zwei der drei Jungs, die der renommierte Sportjournalist Ronald Reng bei ihrem großen Traum Fußballprofi begleitet hat. Erfüllt hat er sich nicht, ihren großen Auftritt haben die beiden trotzdem bekommen.

Als sie der Moderator auf die Bühne holt, winken sie ins Publikum. Verhalten, fast schüchtern, aber doch mit einem Lächeln. Klar, da sind keine 75 000 wie in der Allianz-Arena, aber doch immerhin 200 Zuschauer, die wegen ihnen gekommen sind. Und ein kleines bisschen auch, um Didi Hamann zu sehen.
Zum Anpfiff erforschte Moderator Bogdahn die Fanverteilung im Publikum. Bei Fürth blieb es komplett still, am lautesten wurde es beim „Weltclub“ DJK Stopfenheim. Fast die ganze Fußballmannschaft und gefühlt das halbe Dorf war gekommen, um Mitspieler Niko Reislöhner zu sehen. Auch einige Protagonisten aus dem Buch waren im Publikum. Michael Bischoff etwa, ein früherer Jugendtrainer, und Peter Kwapil, der Sportpsychologe von Niko. „Ohne einen Sportpsychologen hält man in dieser Branche kaum stand“, meinte Reislöhner. Nur einer fehlte: Marius Wolf, der Profi und dritte Junge aus dem Buch von Reng.

Wolf ist der einzige der drei Jungs, der es geschafft hat. Er bereitet sich gerade mit Borussia Dortmund auf die neue Saison vor. Dafür sind seine Eltern Heike und Martin Wolf aus der Nähe von Coburg nach Weißenburg gekommen. Die Familien belegen die erste Reihe. Ein Katidis-Tisch, ein Reislöhner-Tisch und ein Steinhöfer-Tisch, auch mit Ex-Profi Markus Steinhöfer. Seine Mutter, „die Petra“, wie sie im Buch genannt wird, ist der Grund, warum die Jungs heute auf der Bühne stehen.
Schulsystem „Vier gewinnt“
Vor acht Jahren sprach Petra Steinhöfer Ronald Reng bei einer Lesung zu dessen Buch über Trainer Heinz Höher an. Die Mutter von einem Fußballprofi will junge Talente beraten, Reng erkannte sofort das Potenzial der Geschichte. Über acht Jahre begleitete er Niko, Foti und Marius. In seinem Buch beschreibt er präzise und spannend das System Nachwuchsleistungszentrum (NLZ).

Darüber berichteten dann auch Foti Katidis und Niko Reislöhner auf der Bühne – von durchgetakteten Tagen, dem Schulsystem „Vier gewinnt“ und Mitspielern, die man irgendwann nur noch als Konkurrenten sieht. Warum es bei den beiden am Ende nicht ganz gereicht hat, kann auch Reng nur vermuten.
„Bei Foti war viel Talent da, aber die Trainer konnten es nicht aus ihm herauskitzeln. Bei Niko hatte ich das Gefühl, dass die Trainer sich immer mehr an seinen Schwächen aufgehalten haben.“ Die Geschichte der drei Jungs entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der Einzige, der früh aus einem NLZ weggeschickt wurde, nämlich Marius Wolf vom 1. FC Nürnberg, ist am Ende Profi geworden.

Zur zweiten Halbzeit kam Didi Hamann auf die Bühne und kritisierte das System NLZ scharf. Wenn es nach dem Ex-Profi und Sky-Experten geht, werden die Kinder zu früh ins NLZ geholt. „Die müssen sich entwickeln können und sollen Spaß haben.“ Das gehe nicht, wenn man permanent Angst haben muss, aus der Akademie zu fliegen. Hamann plädierte dafür, die Nachwuchskicker auf jeder Position zumindest einmal spielen und auch andere Sportarten ausprobieren zu lassen.
Niko Reislöhner: Bessere Passquote als Didi Hamann
Reng hielt in der Diskussion dagegen und zeigte auch die Vorteile auf. „Die Jungs erleben zwischen zwölf und 18 Jahren etwas Besonderes.“ Und vor allem: „Von den objektiven Kriterien her sind es die besseren Spieler.“ Beispiel gefällig? Die Passquote. Didi Hamann hatte meist eine von 80 Prozent, heute gilt man damit als schlechter Passspieler. „Niko hatte 88 Prozent, er hat besser gepasst als du“, stichelte Reng. Hamann parierte souverän: „Dann bin ich froh, dass ich 25 Jahre vor Niko geboren bin.“ Vermutlich wäre er heute durch das Raster gefallen.

Zum Schluss zollte Hamann Reislöhner Respekt für seine Entscheidung, mit 20 auszusteigen und bat um einen kräftigen Applaus für die zwei Jungs, „die einen Traum hatten und jetzt wunderbare junge Männer sind“. Während Fotios Katidis und Petra Steinhöfer mit dem Fußballgeschäft abgeschlossen haben, spielt Reislöhner bei seinem Heimatverein in Stopfenheim. Und was, wenn sein ehemaliger Trainer Stefan Leitl, der mittlerweile Greuther Fürth in der Bundesliga betreut, bei ihm anruft? „Rangehen würde ich schon, aber wechseln nicht.“ Laute Jubel-Rufe aus der roten Stopfenheim-Fraktion.
Am Ende bekamen Foti Katidis und Niko Reislöhner dann doch noch ihre Autogrammstunde. Mit Ronald Reng unterschrieben sie „ihr“ Buch. „Schön, dass ihr da wart“, meinte Niko nach jeder Signatur. Zu den zwei Jungs kann man nur sagen: Schön, dass Ihr Eure Geschichte erzählt habt.
Drei Fragen an Didi Hamann

Was hat Sie ins Bergwaldtheater nach Weißenburg verschlagen?
Ich hatte mit dem Ronnie (Ronald Reng, die Red.) in England als Liverpool-Spieler viel zu tun, er war dort Korrespondent. Wir sind immer in Kontakt geblieben. Vor einigen Wochen hat er mir von seinem neuen Buch und der Veranstaltung erzählt. Ich habe sofort zugesagt, weil das eine Sache ist, die mir am Herzen liegt. Wir müssen die Kinder besser schützen.
Was haben Sie gelernt, was Sie vorher noch nicht gewusst haben?
Ich prangere die Zustände in den Akademien schon länger an. Man kriegt das immer von den Eltern mit, eher selten von den Jungs. Heute haben Niko und Foti das toll gemacht auf der Bühne. Wenn der Niko erzählt, dass er vor dem zweiten Probetraining in Burghausen keine Lust mehr hatte, mit 19, zeigt mir das doch, dass irgendetwas an dem System nicht stimmen kann. Meiner Meinung nach werden die Jungs zu früh in die Nachwuchsleistungszentren geholt.
Niko ist heute Fliesenleger, Foti Versicherungsvertreter. Was hätten Sie gemacht, hätte es nicht geklappt?
Wahrscheinlich eine Banklehre. Mit Zahlen war ich ganz gut und die Börse hat mich immer interessiert, vielleicht wäre ich jetzt in New York (lacht). Fragen: bm
Drei Fragen an Ronald Reng

Welcher von den drei Jungs wäre der beste Buchautor?
Foti. Er kann sehr spannend erzählen, merkt sich viele Details und hat eine sehr gute Beobachtungsgabe. Wobei ich Niko ein bisschen zum Autor erzogen habe. Am Anfang hat er sehr kurzatmig geantwortet, mit der Zeit hat er von sich aus immer mehr Details erzählt, zum Beispiel, wie man Fliesen verlegt.
Was haben Sie durch die Jungs über den Fußball gelernt?
Wie abhängig man als feiner Fußballer von äußeren Faktoren ist. Früher habe ich das oft abgetan und gesagt: Wer es nicht schafft, ist vielleicht doch nicht talentiert genug. Für mich als Vater eines Fußball spielenden Kindes habe ich gelernt, mich nicht zu sehr reinzusteigern.
Im Lauf der Recherche mussten Sie sich manchmal auf Ihre Beobachterrolle zurückbesinnen. Warum fiel Ihnen das bei den Jungs so schwer?
Bei meinen anderen Büchern habe ich mir fast alles nacherzählen lassen, diesmal habe ich viel selbst miterlebt. Ich mag die Jungs unheimlich gerne und war von ihnen überzeugt. Darum habe ich mich manchmal eingemischt. Aber für die Dramaturgie war der Karriereverlauf perfekt. Wenn alle drei Profis geworden wären, wäre nicht so viel Spannung drin gewesen. Fragen: bm
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