Reiseunternehmen: "Das schlimmste ist die Salamitaktik"

18.4.2020, 05:51 Uhr
Reiseunternehmen:

© Foto: Miriam Zöllich

Kaum oder kein Umsatz, Kurzarbeit, Produktionsstopp, Schließungen: Viele Branchen sind von der Corona-Krise hart getroffen. Im Reisesektor aber ist die Frustration momentan besonders groß. Reisen bis Ende April wurden storniert und umgebucht, bereits bezahlte Beiträge an Kunden zurücküberwiesen und Provisionen an große Reiseveranstalter zurückbezahlt. Man habe viel Arbeit, aber keinerlei Gewinn. "Im Prinzip arbeiten wir derzeit also umsonst", fasst Birgit Engeler die Situation zusammen.

Die Firma Engeler mit Sitz in Treuchtlingen hat vier Standbeine: den Linienverkehr, die Reisevermittlung, eigene Reisen als Veranstalter und Busfahrten wie etwa Vereinsausflüge oder Messefahrten. "Von diesen vier Standbeinen sind drei auf einmal komplett weggebrochen, wir haben momentan nur noch den Linienverkehr", fasst Edwin Engeler die Lage zusammen. Und selbst den nur halb, weil derzeit der Ferienfahrplan gilt.

Auf Null heruntergefahren

Für das kleine Reisebüro Frenzi Tours in Weißenburg gibt es solche Resteinnahmen aus dem Linienverkehr nicht. "Uns ist von einem auf den anderen Tag alles weggebrochen", sagt Susanne Schlupf. "Wir Reisebüros sind zwischen den großen Veranstaltern und den Kunden eigentlich das schwächste Glied in der Kette. So eine Lage hätte ich mir früher niemals vorstellen können." Sie könne den Schlag zwar noch "ganz gut abfedern", aber der ungewissen Zukunft sieht sie trotzdem mit gemischten Gefühlen entgegen.

Die Firma Rombs aus Weißenburg kann zum Glück auch noch Einnahmen aus der öffentlichen Hand durch den Linienverkehr generieren. Alles andere ist quasi auf null heruntergefahren. "Flixbus, für die wir mit zwei Bussen eine feste Route zwischen München und Duisburg fahren, hat von heute auf morgen alles eingestellt", berichtet Juniorchef Rudi Rombs. Und dann muss man auch noch schauen, dass man als Veranstalter von Reisen, die man selbst durchgeführt hätte, von den gebuchten Leistungen wieder etwas zurückbekommt. Zu den abgesagten Passionsspielen nach Oberammergau wären Hunderte Kunden gefahren; die volle Rückerstattung der Karten und Hotelkosten erforderte einiges an Diskussionen. Schließlich kämpft momentan die ganze Branche um jeden Cent an Einkünften.

Reiseunternehmen:

© Foto: Miriam Zöllich

Einen Plan B gibt es derzeit nicht. Urlaubsreisen sind in den meisten Fällen eine mittel- und langfristige Angelegenheit, sowohl von Anbieter- als auch von Kundenseite. Die Anbieter müssen Transport, Hotels und weitere Serviceleistungen mit entsprechendem Vorlauf planen und einkaufen. Falls also Auslandsreisen weiterhin nicht stattfinden dürfen, wenn die Grenzen dicht bleiben, könnte man zwar durchaus ein abgespecktes Programm mit inländischen Reisezielen anbieten, sagt Rombs. Aber dafür bräuchte er Planungssicherheit.

"Das Schlimmste ist diese Salamitaktik der Politik, dadurch haben wir wenn überhaupt nur einen 14-Tage-Horizont." Auch Edwin Engeler klagt: "Wir können immer nur von einer Woche auf die nächste planen." Und seine Frau ergänzt: "Wir sind ein Unternehmen, können aber derzeit aufgrund der Ungewissheit keine unternehmerischen Entscheidungen treffen." Dem schließt sich Susanne Schlupf von Frenzi Tours an: "Man hangelt sich derzeit von Woche zu Woche." Im schlimmsten Fall, wenn die Einschränkungen weiter andauern, ist das Urlaubsjahr 2020 komplett gelaufen.

Und selbst wenn Reisen bald wieder stattfinden dürfen, braucht die Branche vermutlich Jahre, um sich zu erholen, schätzt Rudi Rombs. Derzeit ist es so, dass die Kunden das Geld für ihre bis einschließlich Ende April geplanten Reisen zurückerstattet bekommen, auch die Option einer Umbuchung oder einer Rückerstattung via Gutschein gibt es. "Wir haben alle Kunden einzeln angerufen", berichtet Birgit Engeler. Ein enormer Aufwand. Sobald dann die Reisen wieder aufgenommen werden dürfen, gibt es zwar mit den Neubuchungen einen erneuten Aufwand – der Umsatz aber verdoppelt sich nicht. Man versucht derzeit schon, das Programm für 2021 frühzeitig bekannt zu geben, und hofft dann auf Buchungen für das kommende Jahr.

Reisen unter welchen Auflagen?

Doch ein weiterer Unsicherheitsfaktor beschäftigt die Unternehmen: Unter welchen Auflagen dürfen Reisen künftig stattfinden? "Wenn im Bus nur noch jede zweite Reihe besetzt sein darf, dann wäre das ja nicht rentabel", gibt Edwin Engeler zu bedenken. "Und einen Bus voller Personen mit Mundschutz, die stundenlang unterwegs sind – das kann ich mir nicht vorstellen, das macht ja auch die Urlaubsstimmung kaputt."

Zudem sei nicht klar, wie sich die Corona-Krise auf das Reiseverhalten der Menschen auswirke, sagen die Veranstalter unisono. "Wir sind ja eine konjunkturabhängige Branche", weiß Rudi Rombs. Wenn die befürchtete Wirtschaftskrise kommt, spürt das der Reisesektor ganz massiv. "Wenn die Menschen weniger Geld zur Verfügung haben, sind vor allem auch Kurzurlaube oder Musicalfahrten nicht mehr drin", prognostiziert Birgit Engeler.

Und ob die Menschen sich mittelfristig trauen, Fernreisen zu machen, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Die Zukunft wird also in jedem Fall schwierig, denkt auch Susanne Schlupf. "Selbst wenn Lockerungen kommen: Davon werden wir noch lange nichts haben. Bis die Reisebranche sich neu sortiert hat, wird es lange dauern, viele Büros und Veranstalter werden das nicht überleben."

Keine Kommentare