Stark wie nie: Der Weißenburger Kunstpreis 2020

26.10.2020, 07:00 Uhr
Stark wie nie: Der Weißenburger Kunstpreis 2020

© Foto: Jan Stephan

Werke von hoher Qualität und politischer Relevanz, Künstler aus ganz Deutschland sowie mehr als 1000 Besucher sind schon mal ein paar Eckdaten. Und bei der Preisverleihung verglich der Nürnberger Kunsthistoriker Dr. Harald Tesan die Weißenburger Auszeichnung mit dem Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten (NN). Viel der Ehre, wenn man weiß, dass der Wettbewerb der NN einer der wichtigsten Kunstpreise Mittelfrankens ist.

Das Lob fiel sogar noch größer aus, denn Tesan bescheinigte dem Weißenburger Kunstpreis "in jedem Bereich jünger, flexibler und innovativer" zu sein als der ältere Bruder in Nürnberg. Weil in Weißenburg nicht nur traditionelle Bereiche der Kunst wie Malerei und Bildhauerei eine Chance bekämen, sondern auch moderne Formate wie Installationen.

Jung und frisch sei das, was den Besuchern auf 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche geboten werde. Auch weil viele der ausgewählten Arbeiten politische Themen reflektierten. Und das aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Denn auch die Internationalität war beim Weißenburger Kunstpreis 2020 so ausgeprägt wie noch nie. Am Ende gewann zwar ein Münchner den ersten Preis, aber ein Iraner und Kanadier landeten auf den Plätzen.

Die Kreativität der Bauhofarbeiter

Die Siegerurkunde überreichte Tesan dem Münchner Stefan Zausinger. Seine großformatigen Fotografien gehörten zu den originellsten Werken in der Schranne. In seinen Arbeiten zeigt er Gemälde, die absichtslos entstanden und doch Sinn in sich tragen. Man würde sich nicht wundern, die kräftigen Strichzeichnungen in den Höhlen von Lascaux zu finden und dahinter einen steinzeitlichen Picasso zu vermuten, so Tesan.

Die eigentlicher Urheber der Arbeiten von Zausinger sind aber Münchens Bauhofarbeiter, die die Wunden ihrer Straßen mit Teerbändern flicken und dabei Bilder malen. Wie Zausinger den ignorierten, mit Füßen getretenen Straßenbelägen der Landeshauptstadt künstlerische Qualität abgerungen hat, beeindruckte die Jury. Die Aussage dahinter könnte sein, dass alles Kunst ist, wenn man es richtig betrachtet.

Diese Aussage gilt auch für den zweiten Preis. Der ging an den Bremer Künstler Sheidaei Hassan, der in Teheran geboren wurde. Er überzeugte die Jury mit seiner Trias "Die Steine" aus in Form gepressten Altkleidern. Auch hier nahm der Künstler den Alltag und gewann aus ihm Kunst. Und zwar, indem er Dinge aus ihrer ursprünglichen Funktion nahm und neu zusammenstellte.

Vom Individuum zur Masse

So wird aus der gepressten Masse der weichen Kleider eine harte Skulptur, die in ihrer Buntheit aber Lebendigkeit ausstrahlt. Man könne das Werk im Bereich der Pop-Art sehen, so Tesan, sich aber auch Gedanken darüber machen, dass hier die Spuren unzähliger Individuen zu einer Masse gepresst wurden.

Eher im klassischen Bereich der Malerei arbeitet der dritte Ausgezeichnete des Weißenburger Kunstpreises 2020, der in Kanada geborene und in Berlin lebende Maler Clement Loisel. Er bekam den Preis für ein großformatiges Werk, das ein Boot in der Nacht auf dem Meer zeigt.

Während Boot und Meer sehr detailliert und fast hyperrealistisch daherkommen, sind die Insassen dieses überfüllen Kahns nur rasch mit Bleistift hingeworfene überindividuelle Figuren. Ein bissiger Kommentar zu den Flüchtlingstoten im Mittelmeer, die unsere Gesellschaft nur als Masse zur Kenntnis nimmt und sich den persönlichen Schicksalen verweigert. 

Neben dem Kunstpreis selbst gab es in diesem Jahr auch erstmals einen Sonderpreis der Bürgerstiftung Altmühlfranken.


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