Hubert von Goisern im BergwaldGarten

Der Wille des Künstlers ist das Entscheidende

14.8.2021, 12:03 Uhr
Ein spannender Roman und ein spannendes Leben. Achim Bogdahn befragte Hubert von Goisern alias Hubert Achleitner. Der erzählte bereitwillig und las dazwischen Passagen aus seinem gelungenen Roman "flüchtig".

© Jan Stephan, NN Ein spannender Roman und ein spannendes Leben. Achim Bogdahn befragte Hubert von Goisern alias Hubert Achleitner. Der erzählte bereitwillig und las dazwischen Passagen aus seinem gelungenen Roman "flüchtig".

Hubert Achleitner, so heißt Hubert von Goisern im echten Leben, hatte natürlich auch eine Erklärung dabei, warum er ein Problem mit Lesungen hat: Das Buch müsste man ja trotzdem noch selber lesen, das reine Vorlesen sei nicht sonderlich spannend und er selbst lese ungern vor. „Aber keine Angst, man merkt mir das nicht an“, schickte er lächelnd hinterher. Und so sollte es dann auch sein.

Der Einstieg war einigermaßen kurios, aber auch bezeichnend. Sie steht für den Menschen Hubert Achleitner. Er ist ein nachdenklicher, eigenwilliger, kluger Kopf, der sagt, was er denkt. Ob das gefällt oder nicht? Nicht sein Problem.

Unaufgeregt und humorvoll

So erzählt er etwa, dass er es aufgegeben habe, Konzerte an besonderen Orten in der Natur zu geben. Der Grund: „Ich war am Ende immer enttäuscht von meinen Fans, die jeden Ort in einen Saustall verwandelt haben.“

In Weißenburg gelingt es Moderator Achim Bogdahn, der Kulisse im BergwaldGarten und einem aufmerksamem Publikum aber den Autor zu gewinnen. Auf einmal erzählt er in seiner ruhigen und unaufgeregten Art voller mildem Humor über sich und die Welt.

Und es passiert das, was im besten Fall bei einer solchen Veranstaltung passiert: man bekommt einen Eindruck vom Menschen hinter dem Künstler, von dem, was ihn bewegt, von dem, was ihn erst dorthin gebracht hat. Und man merkt, dass es zwar mitunter etwas unangenehm sein kann, einem so unverstellten Menschen zu begegnen, aber eben auch spannend. Denn er liefert keine Phrasen ab, sondern hat etwas zu erzählen.

Etwa von dem 7000-Einwohner Ort Goisern in einem Talkessel in den Kärntner Bergen, wo er aufgewachsen ist. Als angepasstes und braves Kind. „Es gab da sieben Blaskapellen und drei Chöre, überall um mich herum war Musik, es war kein Wunder, dass ich Musiker geworden bin.“ Aber doch eine Anstrengung.

"Was bist du für ein Depp?"

Seine Familie ist dagegen. Musik ist ein Hobby und nichts, womit man Geld verdient. Alle versuchen ihm die Flausen auszutreiben, Eltern, Tante, seine Frau. „Und dann habe ich vier Jahre keine Musik gemacht, bis ich ein Aha-Erlebnis hatte und mir dachte: Was bist du für ein Depp?“ Er müsse es nochmal versuchen mit seinem Traum, erklärte er seiner Frau. „Ich könnte sonst im Alter nicht in den Spiegel schauen.“

Drei Monate später war Achleitner geschieden. Seine Frau hatte das mit der Notwendigkeit, große Träume in die Realität umzusetzen, offenbar anders beurteilt.

Und man kann ihr das kaum verdenken. Mitte der 1980er-Jahre lebt Goisern von 10 000 Schilling im Jahr. Eine Summe, mit der man nur zurechtkommt, wenn man auf den Couchen von Freunden, Bekannten und Veranstaltern schläft und an ihren Tischen isst. „Aber wenn du für etwas brennst, dann brauchst du nichts anderes als diese Sache und ein bisschen Essen“, erzählt er seinem Weißenburger Publikum.

Das hört sich im Rückblick sehr überzeugend an. Wenn man weiß, dass die Geschichte gut ausgeht und aus dem armen Achleitner einer der berühmtesten deutschsprachigen Musiker wird. Aber diese Unbedingtheit aufzubringen, ohne zu wissen, dass es gut ausgeht, muss ein unerhörter und ein vermutlich auch irgendwie unvernünftiger Kraftakt sein.

Mit der Welt gehadert

„Meine Frau sagt, ich soll diese Zeit im Rückblick nicht verklären, weil ich schon auch viel mit der Welt gehadert habe“, räumt er ein. Aber der Wille sei fast wichtiger als das Talent. „Viele, die besser waren als ich haben es nicht geschafft. Meistens, weil sie nicht den Willen hatten, alles dafür aufzugeben.“

Achleitner liefert in der rund zweistündigen Veranstaltung im Bergwaldgarten selbst den Beweis, dass er sehr im unrecht war. Lesungen können eine wunderbar bereichernde Sache sein. Vor allem, wenn sie den Autor zum Erscheinen bringen, was Moderator Bogdahn wunderbar gelingt.

In das moderierte Gespräch mischen sich Lesepassagen. Und Goisern liest tatsächlich gut. So, wie er es eingangs versprochen hat.

Sätze voller Kraft

Mit tiefer Stimme verleiht er seinem Text Gewicht und der österreichische Zungenschlag bringt eine eigene Note in diesen literarischen Roadmovie. In seinem Roman „Flüchtig“, der mehrere Wochen auf Platz eins der österreichischen Bestsellerliste stand, geht es um eine Frau, die abends aus dem Haus geht und einfach nicht mehr wiederkommt. Ihren Mann lässt sie allein. Ein Unfall, ein Ausbruch, ein Ende oder vielleicht ein neuer Anfang?

Ihr Mann versucht sie zu finden und die Geschichte gerät in Bewegung. Sie liefert für Achleitner den Rahmen, um ganz verschiedene Geschichten an sehr unterschiedlichen Orten zu erzählen. Er tut das mit schroffen, klaren Sätzen, die in ihrer Einfachheit poetische Kraft gewinnen. Vor allem, weil sie Gehalt haben. Es warten viele großartig formulierte Nachdenklichkeiten in ihnen und es steckt ganz eindeutig ein bisschen Hemingway in diesem Achleitner. Ein wunderbarer Abend und ein Buch, das man wohl tatsächlich in Ruhe und allein zuhause lesen muss.

Der BergwaldGarten geht auf die Zielgerade. Am Samstag läuft ab 14 Uhr „Das große Fest der Blasmusik“ und am Sonntag startet um 17 Uhr das Heimspiel-Festival. Tickets gibt es noch online unter www.bergwaldgarten.de

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