Markus Steinhöfer über den "Bomber"

Gerd Müller: "Ein netter Mann und ein Mega-Stürmer"

29.8.2021, 17:09 Uhr
Ganz nah beim „Bomber der Nation“: Markus Steinhöfer (links oben) spielte von 2004 bis 2006 bei den FC-Bayern-Amateuren. Direkt vor ihm sind Trainer Hermann Gerland und Co-Trainer Gerd Müller zu sehen. Zum Kader der Saison 2005/2006 gehörte damals unter anderem auch Thorsten Fink (direkt neben Müller).

© @fcbayern.com, NN Ganz nah beim „Bomber der Nation“: Markus Steinhöfer (links oben) spielte von 2004 bis 2006 bei den FC-Bayern-Amateuren. Direkt vor ihm sind Trainer Hermann Gerland und Co-Trainer Gerd Müller zu sehen. Zum Kader der Saison 2005/2006 gehörte damals unter anderem auch Thorsten Fink (direkt neben Müller).

Als Toptalent hat Steinhöfer unter dem damaligen Co-Trainer Gerd Müller von 2004 bis 2006 rund zweieinhalb Jahre bei den Bayern-Amateuren gespielt und war fast täglich mit dem erfolgreichsten Bundesliga-Torjäger aller Zeiten zusammen. „Über den Gerd Müller können wir sehr gerne reden“, sagt Steinhöfer ganz spontan auf die Interview-Anfrage des Weißenburger Tagblatts. Also los!

Herr Steinhöfer, können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie Gerd Müller kennengelernt haben?

Markus Steinhöfer: Puh, das weiß ich gar nicht mehr so genau, aber das war bestimmt gleich am Anfang, als ich mit 16 Jahren zum FC Bayern kam. Ich wohnte ja im damaligen Jugendhaus an der Säbener Straße, und der Gerd Müller war immer den ganzen Tag auf der Anlage und den Trainingsplätzen unterwegs. Da sind wir uns automatisch begegnet. Enger wurde der Kontakt dann in meiner Zeit bei den Bayern-Amateuren. Das war von Anfang 2004 bis Sommer 2006. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich das damals gar nicht so auf dem Schirm, was für eine lebende Legende er ist. Man ist als junger Profi vor allem auf den eigenen Weg und die eigene Karriere fokussiert. Und es waren ja auch viele Stars in der aktuellen Profimannschaft. Unser Trainer Hermann Gerland hat allerdings immer wieder herausgestellt, welch eine Legende er da als Co-Trainer an seiner Seite hat. Gerland hat Gerd Müller immer „Bomber“ oder „Gerd“ genannt – und das haben wir Spieler genauso gemacht.

Wie haben Sie Gerd Müller, den Bundesliga-Rekordtorschützen, Welt- und Europameister und dreifachen Gewinner des europäischen Landesmeister-Pokals, persönlich erlebt?

Steinhöfer: Ich finde er war ein sehr einfacher, netter Mann, der sehr zurückhaltend, mitunter fast scheu und unsicher war. Wenn er eine Rede halten musste, war ihm das total unangenehm. Er hat sich immer sehr zurückgenommen. Wenn wir mit den Amateuren irgendwohin gekommen sind, wollten alle etwas von ihm. Das war ihm nie recht, denn er hielt sich lieber im Hintergrund.

Voll im Einsatz für die Bayern: Markus Steinhöfer (rechts, hier gegen den 1. FC Nürnberg) kam 2002 als Jugendspieler nach München und lernte Gerd Müller kennen.

Voll im Einsatz für die Bayern: Markus Steinhöfer (rechts, hier gegen den 1. FC Nürnberg) kam 2002 als Jugendspieler nach München und lernte Gerd Müller kennen. © Uwe Mühling, NN

Beim FC Bayern II sollte Gerd Müller ja unter anderem Tipps für die Stürmer geben. Was hat er denn Ihnen als Abwehr- und Mittelfeldspieler mitgeben können?

Steinhöfer: Wir hatten auf dem Trainingsplatz ja nicht so viel miteinander zu tun. Wenn, dann hat er da etwas mit den Stürmern gemacht. Was man von ihm auf jeden Fall lernen konnte war seine Bescheidenheit. Er war einfach gerne dabei und Hermann Gerland hatte den „Bomber“ gerne an seiner Seite. Gerd Müller schlüpfte ganz gerne in die Rolle des „Guten“, wenn Gerland uns zum Teil etwas härter angepackt hat. Gerd Müller war einfach die gute Seele. Und es ist ja auch bekannt, dass die Bayern ihn damals mit dem Co-Trainer-Posten in einer schwierigen Lebenssituation aufgefangen haben. Das ist einfach die familiäre Seite, die beim FC Bayern gelebt wird.

Welche lustige Episode von Gerd Müller bei den Bayern-Amateuren fällt Ihnen spontan ein?

Steinhöfer (lacht): Da hatten wir mal so eine wirklich wilde Aktion auf dem Platz. Der „Bomber“ wollte von außen reinschreien: „Da geht‘s ja zu wie bei Alarm für Cobra 11!“ Er hat sich dann aber leider versprochen und „Cabro 11“ gerufen. Klar, dass danach einiges los war . . .

Die Beiträge, Nachrufe und Würdigungen zu seinem Tod haben in den vergangenen Tagen eine hohe Wertschätzung gezeigt. Woher kommt diese immense Anerkennung über alle Vereinsgrenzen hinweg?

Steinhöfer: Wie gesagt: Er hat nie einen großen Wirbel um sich gemacht, obwohl er für alle der „Bomber der Nation“ war. Man konnte ihn kaum kritisieren, er hat durch seine zurückhaltende Art keine Angriffsflächen geboten. Während zum Beispiel ein Uli Hoeneß oft polarisiert hat, hat Gerd Müller seine Tore geschossen und wollte ansonsten nicht im Mittelpunkt stehen.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Gerd Müller, der „Bomber“ der Nation, bei der Weltmeisterschaft 1974 und dem Triumph im heimischen Münchner Olympiastadion.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Gerd Müller, der „Bomber“ der Nation, bei der Weltmeisterschaft 1974 und dem Triumph im heimischen Münchner Olympiastadion. © Karl Schnörrer, NN

In den vergangenen Wochen ging es immer wieder um die Frage, ob Gerd Müller heute noch 40 Tore in einer Saison schießen würde. Fast noch interessanter ist aber eigentlich die Frage, ob er in der heutigen Zeit mit all den Stützpunkten und Nachwuchsleistungszentren (NLZ) überhaupt so weit gekommen oder eventuell doch durch das Raster gefallen wäre. Wie sehen Sie das?

Steinhöfer: Das ist schwer einzuschätzen, die Zeiten und der Fußball haben sich krass verändert. Ich glaube, man kann es nicht wirklich seriös vergleichen. Und man muss es letztlich ja auch nicht. Ob Pele, Maradona oder Messi der beste Fußballer aller Zeiten ist, ist auch so eine Frage. Was Gerd Müller anbelangt: Er war einfach zu seiner aktiven Zeit der beste Stürmer und Torjäger, den es gab.

Oder wäre er vielleicht doch durchs Sichtungs-Raster gefallen?

Steinhöfer: Es wäre sicher ein Einzelfall, wenn ein Spieler heute erst im Alter von 19 Jahren zu einem Profiklub wechseln würde, so wie es Gerd Müller 1964 mit seinem Schritt vom TSV Nördlingen zum FC Bayern München getan hat. Heute muss man spätestens mit 14 oder 15 Jahren in einem NLZ sein. Es könnte schon sein, dass ein solcher Spieler heute durch das Raster fallen würde, letztlich weiß man es aber nicht. Grundsätzlich bin ich in der ganzen Debatte um die NLZ‘s kein Fan davon, wenn Spieler schon mit zehn Jahren geholt werden. Und ich glaube auch, dass teilweise zu schnell aussortiert wird. Wenn ein Talent mal ein schlechtes Jahr hatte, wird meist nicht lange gefackelt. Auf solche Aspekte sollte man verstärkt achten, wobei ich betonen möchte, dass ich kein genereller Gegner dieser Einrichtungen bin.

Letztlich ist es auch nur spekulativ, einen Gerd Müller in die heutige Zeit zu versetzen. Viel greifbarer ist da schon, was er den Menschen bedeutet und gegeben hat. Auch Ihnen.

Steinhöfer: Ja, für mich ist die Zeit mit dem „Bomber“ bei den Bayern im Nachgang immer besonderer geworden. Es war einfach eine tolle Zeit. Ich bin stolz darauf und freue mich, ihn kennengelernt und viel Zeit mit ihm verbracht zu haben – auch wenn es damals für mich ganz „normal“ war. Als ich vor ein paar Jahren kurzzeitig vertragslos war und mich bei den Bayern-Amateuren unter Trainer Heiko Vogel fit gehalten habe, war Gerd Müller leider nicht mehr dabei. Damals ging es ihm gesundheitlich schon schlechter. Seine letzten Jahre waren tragisch und traurig. Für mich bleibt er aber immer ein Mega-Stürmer und besonderer Wegbegleiter. INTERVIEW: UWE MÜHLING

Zur Person

Erinnert sich gerne an Gerd Müller: Der Weißenburger Ex-Fußballprofi Markus Steinhöfer.

Erinnert sich gerne an Gerd Müller: Der Weißenburger Ex-Fußballprofi Markus Steinhöfer. © Uwe Mühling, NN

Markus Steinhöfer hat einst beim DSC Weißenburg mit dem Fußball begonnen. Über den 1. FC Nürnberg kam er 2002 als 16-Jähriger zum FC Bayern München, wo er bis 2006 zunächst bei den Junioren, dann bei den Amateuren spielte und seine Profilaufbahn startete. Mit Red Bull Salzburg und dem FC Basel gewann er mehrere Meistertitel. Er spielte unter anderem auch für Betis Sevilla und Eintracht Frankfurt. 2019 hat er seine Karriere beim VfB Eichstätt beendet. Der 35-Jährige lebt mit seiner Familie in Weißenburg. An Gerd Müller erinnert sich Steinhöfer sehr gerne – und sehr positiv.

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