Wer mit Dialekt aufwächst, tut sich leichter

21.06.2011, 18:14 Uhr

 „Kinder, die im Vorschulalter mit zwei Sprachen aufwachsen, bilden nur ein neuronales Netz aus“, erläutert der Hochschullehrer für Englisch-Didaktik der Katholischen Universität (KU) Eichstätt-Ingolstadt. „Beide Sprachen werden in diesem einen neuronalen Netz integriert.“

Böttger sagt, dass man dies bereits geahnt habe, da Kinder, die bilingual zum Beispiel mit Deutsch und Englisch aufwachsen, nicht von der einen in die andere Sprache übersetzen können. In diesem Fall speichern die Kinder die Wörter „Stuhl“ und „chair“ nebeneinander ab, statt diese jeweils zu übersetzen. „Bis zum Alter von fünf bis sechs Jahren ist die Begriffsbildung abgeschlossen“, erläutert Böttger. „Deshalb ist es wichtig, im Vorschulalter zweisprachig aufzuwachsen, wenn es einen Vorteil bringen soll.“ Ansonsten werden zwei neuronale Netze ausgebildet.

Dies haben erste Untersuchungen im Magnetresonanztomografen (fMRT) gezeigt. Darin erkennt man, welche Gehirnregionen angesprochen werden. Der Eichstätter Professor führt diese Untersuchungen derzeit fort und setzt darauf, in Eichstätt ein Neurodidaktikzentrum aufbauen zu können. Damit will er dann erforschen, wie Sprachen gelernt werden.

Das Interessante an Böttgers Untersuchung ist: Wenn die Kinder später eine weitere Sprache lernen, wird auch diese in dieses eine neuronale Netz integriert, statt ein drittes herauszubilden. „Mit jeder weiteren Sprache geht das so“, meint Böttger, „deshalb sind diejenigen die effizienteren, besseren Sprachenlerner.“

Dazu sind allerdings weitere Untersuchungen mit fMRT nötig. „Wenn sich das damit dann beweisen lässt, haben wir einen Erdrutsch in der sprachlichen Bildung vor uns.“

Böttgers Erfahrung: Mit welchen beiden Sprachen die Kinder aufwachsen, ist unerheblich. „Anscheinend spielt auch der Dialekt eine Rolle“, erklärt der Hochschullehrer, der früher an der Universität Erlangen-Nürnberg gelehrt hat. Neben bilingual aufwachsenden Kindern im oberfränkischen Hof untersucht er auch Kinder in der Schweiz, die mit Schwitzerdütsch und der deutschen Hochsprache aufwachsen. Auch hier wird nur ein neuronales Netz ausgebildet. „Ein ganz starker Dialekt garantiert eventuell auch eine partielle Bilingualität.“ Sicher ist das ein Grund, warum die Mundart – wie Fränkisch oder Oberpfälzisch – nicht versteckt, sondern vielmehr gepflegt werden sollte.

Heiner Böttger zieht aber noch weitere Schlüsse aus seinen Untersuchungen: „Alles, was wir in Bezug auf Sprachenlernen machen, ist zu spät.“ Bereits in Kindergärten müsse eine weitere Sprache neben Deutsch gesprochen werden – egal welche. Außerdem müsse bei Migranten die Muttersprache gepflegt werden.

„Die Umgangssprache Deutsch bleibt in der Schule und in der sonstigen Umwelt ja erhalten.“ Den politischen Ruf, Deutsch intensiv zu lernen, kann Böttger hier nur unterstreichen – allerdings eben gepaart damit, auch die Heimatsprache zu Hause zu sprechen und gut zu beherrschen. „Dann haben diese Kinder später beste Chancen beim Sprachenlernen.“

Problematisch sei dies nur, wenn dies zu einer „doppelten Halbsprachigkeit“ führe. Dies komme in Deutschland insbesondere bei türkischstämmigen Familien vor. Wenn Kinder von türkischen Eltern mit diesen zu Hause nur gebrochen Deutsch sprechen ohne korrekte Grammatik, führe dies zu Problemen. „Wenn sie weder richtig Deutsch noch richtig Türkisch sprechen, ist dies eine Blockade für das weitere Sprachenlernen“, meint Professor Heiner Böttger.

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