Billy Wechsler: Kunst im Zeichen des Todes

Roth: Wo das letzte Hemd stirbt...

1.11.2021, 06:27 Uhr

"Das letzte Hemd" wird an Allerheiligen im Zuge einer Kunstaktion zu Grabe getragen. Der Künstler Billy Wechsler hat im Rother Schlosshof eine dreiteilige Aktion vorbereitet, die dazu anregen soll, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. © Billy Wechsler, NN

Das Leben? Eine einfache Rechnung, sollte man meinen. Schließlich steht das Ergebnis von Anfang an fest: Am Ende prangt als Resultat stets das Sterben. Allein der Weg dorthin kann individuell bestückt werden. Mit Bedeutung. Mit Sinn. Oder anderen Faktoren.

Den menschlichen Exitus mit den eigenen Mitteln und Möglichkeiten betrachten: Künstler Billy Wechsler.  © Privat, NN

Kein angenehmes Thema? Aber ein existenzielles. Eines, dessen Unausweichlichkeit im sogenannten „Totenmonat“ November wieder die Luft schwängert, denn: „Der Tod ist groß“.

So lautet jedenfalls der Titel, unter dem sich Billy Wechsler – seines Zeichens Künstler, Literat und Gärtner – Gedanken über die Endlichkeit macht. Eine gesicherte Erkenntnis dabei sei: „Wir sind länger tot als lebendig.“ Also lohne es doch, dem „Gevatter“ einmal ins Auge zu blicken.

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Auf dem Friedhof groß geworden

Billy Wechsler hat´s getan. Nicht nur, weil er als Spross einer Totengräber-Familie quasi auf dem Friedhof groß wurde. Sondern auch, weil das „Stadtkultur“-Netzwerk Bayerischer Städte freistaatweit den Impuls dazu gab. Schon 2020. Warum die Wechsler´sche Kunst- und Literaturaktion erst jetzt vonstatten geht, muss wohl kaum erklärt werden.

Corona ist zwar noch immer nicht ausgestanden, aber die Maßgaben machen´s nun möglich: So startet Wechsler am Montag, 1. November, 15 Uhr, mit einer dreiteiligen Aktion im Museum Schloss Ratibor und der Stadtbücherei durch, um den menschlichen Exitus „mit meinen Mitteln oder Möglichkeiten zu betrachten“. In seinem Fall bedeute das: „Mit Achtung und Respekt.“

Konkret geht’s dazu erst einmal treppauf ins Museum. Dort droben hat Billy Wechsler eine Miniatur-Ausstellung installiert, die „schnell erfasst“ sei. Jedenfalls auf den ersten Blick. Da reihen sich nämlich zehn archaische, von ihm selbst getöpferte Gefäße aneinander. Gleich und doch nicht gleich. Gefäße, die zwar vom Bauprinzip her identisch sind, sich aber trotzdem im Aussehen unterscheiden.

Keramische Unikate als Metapher des Menschseins? „Kann man so sehen...“, sagt Wechsler zögerlich. Doch lieber entzieht er sich jedweder Festlegungstendenz, tritt stattdessen Assoziationen los und verrät nur so viel: „Ein Gefäß ist die Urform des Lebens. Es kann alles aufnehmen, was man ihm anvertraut - Wasser, Essen, wertvolle Dinge...“

Sarg und letztes Hemd

Diese Urform habe im Lauf der Zeit Bedeutungserweiterungen erfahren. Darauf verweisen Worte, die willkürlich zwischen den Keramiken platziert sind und letztlich auf ihn zeigen – den Tod. Denn ein Gefäß ist es, das am Ende auch den Rest von uns schützt: die Urne, der Sarg.

Eingedenk dieses Endes wird Billy Wechsler in einem zweiten Aktions-Teil zu einer Performance überleiten, worin „Das letzte Hemd“ die Hauptrolle spielt. Das Publikum darf die Textilie bei ihrer „Hemdwerdung“ begleiten, um dann mitzuerleben, wie sie sich in die Gemeinschaft der Anwesenden integriert und am Schluss stirbt. In einem Trauermarsch soll das Kleidungsstück schließlich in der Bücherei zu Grabe getragen werden, wo der Künstler es „dem großen Wissen“ übereignet.

Ein kollektives Wissen, dessen Teil wir alle sind. - „Ist doch ein schöner Gedanke, oder?!“, findet Billy Wechsler und will sein Publikum daher nicht mit Trauermienen entlassen. Vielmehr möchte er für Erheiterung sorgen, indem er Erzähltes und Gelesenes aus seiner „Friedhofs-Kindheit“ zum Besten gibt: „schöne, abenteuerliche Geschichten von unserem riesigen, ruhigen Spielplatz“ - dem Totenacker.

Weil das Leben nämlich weitergeht. Immer. Allerdings: Das Nachdenken darüber, „das darf ruhig bleiben...“

INFO

„Der Tod ist groß“: Dreiteilige Kunst- und Literaturaktion mit Billy Wechsler im Rahmen von „Stadtkultur. Netzwerk Bayerischer Städte“ und in Kooperation mit dem Museum Schloss Ratibor sowie der Stadtbücherei Roth. Beginn ist an Allerheiligen, 1. November, 15 Uhr, im Rother Schlosshof. Es gilt die 3G-Regelung.