SEK-Munition aus Mittelfranken bei Rechtsextremen gefunden

4.3.2020, 16:56 Uhr
Wie kam die Munition des mittelfränkischen SEK in die Hände von Marco G.? Das ist derzeit noch völlig unklar.

© dpa Wie kam die Munition des mittelfränkischen SEK in die Hände von Marco G.? Das ist derzeit noch völlig unklar.

Er hortete Tausende Schuss Muntion, das geht aus der Anklage gegen Marco G., einem Gründer der Chatgruppe "Nordkreuz" hervor. Sie wurden ursprünglich von der Bundeswehr eingekauft, von Polizeidienststellen in ganz Deutschland - und vom mittelfränkischen Spezialeinsatzkommando (SEK). Das bestätigte ein Sprecher des Landgerichts Schwerin, wo der Fall Ende Februar verhandelt wurde, auf Anfrage der Nürnberger Nachrichten. Es handle sich um 90 Patronen der Sorte '223 Remington Sniperline', die bereits im September 2013 an die Spezialeinheiten Nordbayern geliefert wurden. Zudem seien 540 Schuss gefunden worden, die 2015 ursprünglich an das Polizeipräsidium Mittelfranken gingen. Auch Lieferungen der Bereitschaftspolizei Nordbayern aus dem Jahr 2018 fanden sich in den Beständen von Marco G.

Dass die Munition ursprünglich nach Franken ging, das könne man relativ genau sagen. "Über Serien- oder entsprechende Losnummern oder Kartonbezeichnungen", sagt Detlef Baalcke, Sprecher des Landgerichts Schwerin auf Nachfrage. Die Patronen stammen aber nicht nur von Elite-Einheiten aus Bayern, sondern auch aus Sachsen und Nordrhein-Westfalen. 


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Wie der ehemalige Polizist, der selbst Teil einer Spezialeinheit in Mecklenburg-Vorpommern war, an die Munition kam, ist völlig unklar. "Zum Teil konnte er Dinge legal erwerben", sagt Baalcke. Er sei einer der wenigen Personen in dem Bundesland gewesen, der eine entsprechende Waffenbesitzkarte besaß. 16 Seiten umfasst allein die Auflistung der Munition, die 2017 und 2019 bei Durchsuchungen in Mecklenburg-Vorpommern gefunden wurden. Im Fokus stand dabei die Privatwohnung von Marco G. sowie ein Bungalow, der mit ihm in Verbindung steht.

Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten

Der 49-Jährige wurde bereits im Dezember vom Landgericht Schwerin verurteilt - nicht aber, weil er die Waffen und Munition nicht besitzen durfte. "Es ging nur darum, dass sie in Teilen nicht so untergebracht und verschlossen war, wie das entsprechende Richtlinien vorsehen", erklärt Baalcke. "Nicht verhandelt worden ist etwa eine staatsgefährdende Handlung oder die Hintergründe in der Chatgruppe." Rein juristisch zum Verhängnis wurde G. dabei eine Uzi-Maschinenpistole, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt. Das Gericht sprach eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten aus - wegen der Strafhöhe von über einem Jahr darf der Mann wohl nicht wieder zurück in den Polizeidienst. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, betont der Sprecher des Landgerichts. 

Bei der mutmaßlich rechtsextremen Organisation "Nordkreuz" handelt es sich wohl um eine Gruppe deutscher Prepper, die sich mit Vorräten und Munition auf eine Ausnahmesitution am "Tag X" - etwa den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung - vorbereitet. Die Bundesanwaltschaft wirft den Mitgliedern vor, sich darauf vorbereitet zu haben "Vertreter des politischen linken Spektrums festzusetzen und mit ihren Waffen zu töten". 

Feindeslisten mit politischen Gegnern 

Sie tauschten sich über eine Chatgruppe im Messengerdienst Telegram aus. Enttarnt wurde das Netzwerk auch durch die Terrorermittlungen gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mit Sitz in Nürnberg als syrischer Flüchtling registrieren ließ und - davon geht die Bundsanwaltschaft aus - Anschläge geplant haben soll. Mittlerweile ist der Ex-Soldat wieder auf freiem Fuß, der Bundesgerichtshof (BGH) entschied jedoch, dass er sich demnächst wegen des Vorwurfs des Rechtsterrorismus verantworten muss. Welche Rolle er innerhalb des "Nordkreuz" gespielt hat, ist unklar. 

 Das "Nordkreuz" soll eine Feindesliste mit politischen Gegnern geführt haben, gut 25.000 Namen sollen sich darauf finden. Größtenteils handelt es sich um Politiker der SPD, der Grünen und der Linken, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen zwei Mitglieder der Chatgruppe wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat - Marco G. wird dort allerdings bislang nicht beschuldigt, er soll nur als Zeuge vernommen werden. 

Teil des Netzwerks seien "normale Bürger, vom Banker über den Mediziner, Sportler, wir haben Techniker und Ingenieure, Polizisten", wie G. in einem Interview mit dem ARD-Magazin Panorama erklärte. Viele der Mitglieder trugen bereits Waffen oder legten sich welche zu, G. spricht von Übungen auf Schießplätzen in Norddeutschland. Es sei möglich, sagt Baalcke vom Landgericht Schwerin, dass die Munition bei einem dieser Treffen ausgetauscht wurde. Doch das sei Spekulation. Inwieweit die Fälle derzeit bei den bayerischen Polizeibehörden aufgearbeitet werden, wisse er nicht, sagt Baalcke. Das Präsidium Mittelfranken hat auf eine Anfrage dieser Redaktion bislang noch nicht reagiert.