Siebener: Garanten für den Frieden im Dorf

17.3.2016, 09:00 Uhr
Siebener: Garanten für den Frieden im Dorf

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Frau Massl, wie fühlt es sich denn an, als erste Frau in diese im Fürther Land bisher ausschließlich Männern vorbehaltene Domäne einzubrechen?

Jutta Massl: Nach meiner Vereidigung im Gemeinderat war ich beim letzten Feldgeschworenentag in Cadolzburg dabei. Außer einigen Behördenvertreterinnen und einer Politikerin war ich tatsächlich die einzige Frau. Aber man ist mir sehr aufgeschlossen begegnet. Siebener werden auf Lebenszeit eingesetzt, sie gehören der Gemeinschaft ihr ganzes Leben lang an. Das ist ein Kreis von Männern zwischen 28 und 97 Jahren. Den Austausch gerade mit der älteren Generation erlebe ich als sehr bereichernd.

Wie kamen Sie denn zu der Ehre, in die Herrenrunde aufgenommen zu werden?

Massl: Ich hatte das ganze Jahr über engen Kontakt zu Hans Satzinger, dem Vorstand der Feldgeschworenen-Vereinigung des Landkreises und der Stadt Fürth. Mit ihm, seinen Vorstandskollegen und der Unterstützung des früheren Kreisheimatpflegers Helmut Mahr und Vermessungsdirektor Ernst Grünbeck habe ich den Antrag für die Aufnahme der Siebener in die bayerische Liste des immateriellen Kulturerbes vorbereitet. Als in Fernabrünst ein Nachfolger für einen 85-jährigen Siebener gesucht wurde, hat Satzinger mich gefragt, ob ich das nicht machen wollte. Er wusste um meine Leidenschaft für das Feldgeschworenen-Wesen.

Und woher rührt die?

Massl: Ich war schon immer von Steinen und Geschichte fasziniert, allerdings eher in Verbindung mit alten Kulturen wie in Ägypten, Südamerika oder China. In dem Kontext bin ich auf das immaterielle Kulturerbe gestoßen, das die Unesco seit 2003 würdigt. Anders als beim Weltkulturerbe geht es dabei nicht um den Erhalt von Bauwerken, sondern um gelebte Traditionen, Bräuche oder Handwerkstechniken. Deutschland ist dem Abkommen 2013 beigetreten, Bayern hat parallel ein Landesverzeichnis eingerichtet. Und da dachte ich mir, die Siebener-Tradition hätte es verdient, auf diese Liste zu kommen.

Warum?

Massl: Ich kenne keine andere Tradition bei uns, die so weit zurückreicht. In Franken lassen sich die Siebener bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Eine Urkunde im Stadtarchiv Langenzenn belegt, dass es dort bereits 1426 eine Vereinigung von Feldgeschworenen gab. In Zeiten der Globalisierung ist das ein Phänomen, das Heimatverbundenheit stiften und Regionalbewusstsein schaffen kann. Gerade wenn man bedenkt, dass viele junge Menschen gar nicht mehr wissen, was es mit diesem Ehrenamt auf sich hat.

Erklären Sie doch mal die Aufgabe der Siebener.

Massl: Sie machen die Grundstücksgrenzen durch so genannte Abmarkungen mit Granitsteinen und Grenzzeichen eindeutig kenntlich und überwachen deren Einhaltung. Da sind sie in Neubaugebieten, bei der Flurbereinigung oder beim Bau von Windparks gleichermaßen gefragt. Was den Grundstückbesitzern übrigens viel Geld spart, denn die Siebener arbeiten ehrenamtlich.

Aber ist das Siebenerwesen in Zeiten, da satellitengestützte Vermessungstechniken jeden Grenzpunkt zentimetergenau koordinieren, nicht überflüssig geworden?

Massl: Heute sind die Siebener tatsächlich eher für das Setzen der Steine und Grenzzeichen verantwortlich. Früher hatten sie viel weitreichendere Kompetenzen: Sie haben richtiggehend Recht gesprochen, wenn es um Grundstücksstreitigkeiten oder auch um Wasserrechte ging. So waren sie von alters her Garanten für den Frieden im Dorf. Als 1801 die staatliche Vermessung eingeführt wurde, sind ihre Kompetenzen massiv beschnitten worden. Allein die Tatsache, dass sie diesen Bruch ausgehalten und sich weiter bewährt haben, ist doch bemerkenswert. Ich bin als Tochter eines Siebeners aufgewachsen. Dass mein Vater zu den Siebenern ging, war für mich eine Selbstverständlichkeit. Später zu entdecken, dass es die gar nicht überall, sondern nur noch in Bayern und Rheinland-Pfalz gibt, war für mich eine ganz überraschende Erkenntnis. In Nürnberg hat man auch einmal gedacht, es ginge ohne. Aber dort hat man sie in den 1970er Jahren wieder eingeführt.

Und weshalb?

Massl: Die Feldgeschworenen kennen die Gegebenheit vor Ort ganz genau und sie kennen die Menschen. Umgekehrt genießen sie ein hohes Ansehen in den Dörfern, die Bevölkerung vertraut ihnen. Das wiederum wissen die Behörden, denen die Bürger oft mit Skepsis begegnen, zu schätzen. So fungieren die Feldgeschworenen auch als Vermittler zwischen der Bevölkerung und dem Amt.

Sie hatten noch keinen praktischen Einsatz, aber das Siebenergeheimnis von Fernabrünst hat man Ihnen sicher schon verraten, oder?

Massl: Ja, aber ich werde mich hüten, nur ein Wort auszuplaudern. So viel aber lässt sich sagen: Gemeint sind damit die geheimen Zeichen, die Siebener verwenden, um Grenzpunkte zweifelsfrei zu sichern. An Form und Lage der Zeichen erkennen sie, ob ein Stein verändert wurde. Das Wissen darum wird mündlich von Siebener zu Siebener weitergegeben und das nimmt jeder mit ins Grab.

Rechnen Sie sich denn Chancen aus, dass es das Siebenerwesen auf die bayerische Liste des immateriellen Kulturerbes schafft?

Massl: Das wäre ein Riesenerfolg, aber das hängt natürlich von der Qualität der Mitbewerber ab. Der Fachmann von der Beratungsstelle in München, der uns unterstützt hat, hält unsere Bewerbung für vielversprechend. Ende Mai fällt die Entscheidung. Und selbst wenn es nicht klappt, ist nichts verloren. Man kann sich immer wieder bewerben.

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