Sozialarbeiter Fleischmann: "Über Jugendarbeit redet keiner"

8.6.2020, 06:15 Uhr
Sozialarbeiter Fleischmann:

© Archivfoto: Patrick Shaw

Ziemlich genau 33 Jahre ist es her, dass die österreichische Band "Erste Allgemeine Verunsicherung" ihr Lied vom "Sandlerkönig Eberhard" veröffentlicht hat. Norbert Fleischmann war auch damals schon in der Jugendarbeit aktiv. Doch den Verein Eber-Hart, dessen zweiter Vorsitzender er heute ist, gibt es erst seit 1995. Und woher Eber-Hart seinen ungewöhnlichen Namen hat, lässt sich eben nur erraten, wenn man sich an das launige Lied von Sandlerkönig erinnert.

Vier Treffpunkte für Jugendliche unterhält der Verein in Pleinfeld, Möhren, Schambach und Ramsberg. Musik, Kunst, Holzhacken – den 14- bis 25-Jährigen, die regelmäßig zu Eber-Hart kommen, wird es nicht langweilig. Normalerweise zumindest. Denn seit Mitte März sind die Türen geschlossen, die Jugendlichen müssen ihre Freizeit anderweitig verbringen. Das Coronavirus hat den Verein hart getroffen.

"Wir wussten lange nicht, wann und wie es weitergeht", berichtet Fleischmann. Eigentlich hätte er die Treffs schon am vergangenen Samstag wieder aufmachen dürfen. "Ohne den Kreisjugendring hätte ich das aber gar nicht gewusst. Die unterstützen uns zum Glück gut in der Krise." Die Informationsarbeit der Behörden scheint indes noch verbesserungswürdig.

Öffnung nur mit Hygienekonzept

Die Nachricht, dass die Jugendlichen vorerst nicht mehr zu ihren liebgewonnen Treffpunkten dürfen, schlug ein wie eine Bombe. "Eine der Gruppen hat das nicht so gut verstanden, bei den anderen drei war die Bereitschaft aber deutlich größer", sagt Fleischmann. Der gelernte Heilerziehungspfleger arbeitet ehrenamtlich mit den Teenagern, opfert einen erheblichen Teil seiner Freizeit für sie. Aktuell entwirft er ein Hygienekonzept, das Voraussetzung ist, um wieder öffnen zu können.

Eineinhalb Meter Abstand und eine Begrenzung der Personenzahl werden auch für die Jugendtreffs gelten, so viel ist klar. Jungen und Mädchen unter 16 werden sogar eine Einverständniserklärung der Eltern brauchen. Details des Konzepts will Fleischmann auch gemeinsam mit den Jugendlichen ausarbeiten. Die sollen die Maßnahmen schließlich einhalten und umsetzen. Und wer die Regeln mitbestimmen durfte, hält sie womöglich auch konsequenter ein. Mitreden sollen die Heranwachsenden bei Eber-Hart ohnehin viel. Sie wählen zum Beispiel den Vorstand des Vereins und damit auch Fleischmann. Durch Getränkeverkauf, Altkleidersammlungen und Musikevents bessern sie die Vereinskasse auf.

Es geht um gesellschaftliches Engagement, prosoziales Verhalten und Demokratieverständnis. Jugendarbeit leistet viel, findet Fleischmann, wird in der öffentlichen Diskussion aber kaum gewürdigt. "Wir reden über Schulen, Kitas und die Autoindustrie, aber über Jugendarbeit redet niemand. Das spielt in der großen Politik gar keine Rolle."

"Was ist, wenn ich aufhöre?"

Auf kommunalpolitischer Ebene immerhin sehe es etwas besser aus. Das erste Gespräch mit der neuen Bürgermeisterin Kristina Becker sei gut gewesen. Er könne sich jederzeit melden, hat das Treuchtlinger Stadtoberhaupt versichert. Angst vor dem Sparzwang, der die Kommunen im Zuge der Krise heimsuchen könnte, hat er trotzdem ein wenig.

Gerade weil, wie Fleischmann kritisiert, die Jugendarbeit sowieso immer um Wertschätzung kämpfen müsse. "Jetzt in der Krise wurden wir als Vergnügungsstätten eingestuft", ärgert sich der 60-Jährige. Vergnügungsstätte, das klingt ein bisschen nach Spielcasino oder Bordell. Da gehörten er und seine Mitstreiter aber definitiv nicht hin. "Jugendarbeit muss man doch bei Familie, Arbeit und Soziales ansiedeln", findet er. Außerdem müssten Ehrenamtliche in Jugendhäusern und Jugendinitiativen viel leisten, während der Staat sparsam sei, wenn es um bezahltes Personal gehe. "Wenn ich mal aufhöre – was ist dann?", fragt Fleischmann.

Noch ist es allerdings nicht soweit – auch wenn man ihm anmerkt, wie sehr ihn das alles wurmt. Anfang September wartet immerhin ein Lichtblick. Vom 6. bis zum 8. September soll das 26. Eber-Hart Musikfestival stattfinden. Wie immer auf dem Gelände am ehemaligen Marmorwerk zwischen den Mühlen und Haag. 300 bis 500 Besucher kommen gewöhnlich pro Tag. Ob das dieses Jahr möglich sein wird, ist offen. Man sei dabei, das mit dem Landratsamt zu klären, sagt Fleischmann. Mit dem Festival kehrt der Verein alljährlich zu seinen Wurzeln zurück. Schließlich waren es musikbegeisterte junge Leute, die Eber-Hart einst gegründet haben.

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