Club-Kolumne "Nur der FCN!"

Rollproben, Lost in Kamen und Taxi mit Börek: Eine absurde Auswärtsfahrt nach Paderborn

Uli Digmayer

Sportredaktion

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30.5.2023, 10:59 Uhr
Auswärtsfahrten mit der Deutschen Bahn sind immer wieder ein großartiges Vergnügen.

© Bodo Marks, dpa Auswärtsfahrten mit der Deutschen Bahn sind immer wieder ein großartiges Vergnügen.

Dass der ICE am Sonntagmorgen in Nürnberg verspätet startet, lässt das Adrenalin kaum steigen. Genug Puffer bis zum Umstieg in Essen und noch einige Optionen, um pünktlich auf der Pressetribüne in Paderborn zu sitzen. Dass der Zug dann fast im Minutentakt hält, um wegen technischer Störungen eine „Rollprobe“ durchzuführen, vermag die feuchtfröhliche Stimmung unter den ebenfalls bereits recht rollprobenden Club-Fans im Abteil zunächst nicht zu trüben. „Der Zug, der Zug, der Zug hat keine Bremsen“, singen sie.

Wie, bitteschön, geht es nach Ostwestfalen?

Hat er doch, diese werden in Frankfurt final betätigt. Alle Passagiere aus den hinteren Waggons müssen in den vorderen Teil wechseln. Es wird eng, zeitlich wie räumlich. Aus unerfindlichen Gründen beschließt der Lokführer, heute mal nicht bis nach Essen zu fahren. Endstation Düsseldorf, hektische Suche in der DB-App nach Routen gen Ostwestfalen. Es gäbe da Bummelbahnen, die aber just gecancelt wurden, weil bei Hamm Gegenstände auf dem Gleis liegen.

Kurz davor, auch mal ein paar Gegenstände aufs Gleis zu legen, tut sich eine letzte Chance auf. Regionalexpress, Ankunft Paderborn 15.47. Dann eben zweite Halbzeit. Kurz nach 15 Uhr stehen wir. Am Bahnhof in Kamen. „Wegen eines Polizeieinsatzes verzögert sich die Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit.“ Verzweiflung, Panik, purer Hass. Ich renne zum Ausgang, schnappe mir das einzige Taxi vor Ort. Der Fahrer, nennen wir ihn Ali, wirkt irritiert, allzu oft wollen Menschen wohl nicht von Kamen nach Paderborn chauffiert werden. Egal, let’s go. Zuerst aber noch zur Bank, weil leider keine Kartenzahlung möglich ist und ich eher selten 250 Euro mit mir herumtrage.

90 Kilometer in 20 Minuten

„Wann geht Fußball los?“, fragt Ali, „15.30? Schaffen wir.“ 90 Kilometer in 20 Minuten? Mir wird mulmig. Ali gibt Gas, ignoriert eine rote Ampel, schubst einen Fußgänger vom Zebrastreifen. Weil sein Navi die Straße zum Stadion nicht kennt, lotse ich ihn mit Google Maps. Fast biegen wir versehentlich in Richtung Dortmund ab. Scheiße mit BVB, sagt Ali. Scheiße mit FCN, denke ich beim Blick auf den Tacho.

Mit 110 km/h schippern wir auf der Autobahn vor uns hin, werden überholt von Traktoren, Radfahrern, Schnecken. „Motorleistung gedrosselt“, verrät das Display. „Geht nix schneller“, sagt Ali entschuldigend und tröstet mich: „Dafür gewinnt Nürnberg, keine Sorge.“ Dezente Hinweise, dass wir hier vom Club reden, werden beiseite gewischt. „Musst du positiv denken. Ist besser, wirst sehen.“

Um 15.56 erreichen wir die Arena, der Club führt 1:0. „Siehst du?“, sagt Ali triumphierend und bricht mir zum Abschied ein Stück von seinem Börek ab. Die Rückreise trete ich entnervt im Auto eines Kollegen an. Eine weise Entscheidung: Um 22.47 Uhr wäre ich in Hanau gestrandet, Anschlusszug gestrichen. Und bestimmt kein Ali in Sicht.

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