Rassismus im Stadion und im Netz

Umfrage zeigt: Deutlich mehr Diskriminierung im Max-Morlock-Stadion als dem FCN bekannt

Elia Hupfer

Online-Redaktion

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17.5.2023, 06:00 Uhr
"Stop Racism": Auch beim 1. FC Nürnberg ist das noch nötig.

© IMAGO/Kevin Voigt/Jan Huebner "Stop Racism": Auch beim 1. FC Nürnberg ist das noch nötig.

Anfang Mai gibt Benjamin Henrichs auf TikTok einen Einblick, was für menschenverachtende, rassistische und antisemitische Nachrichten er nach dem Viertelfinale im DFB-Pokal erhalten hat. Die Woche darauf wird Bayern Münchens Dayot Upamecano nach dem Champions-League-Hinspiel gegen Manchester City im Netz rassistisch beleidigt.

Eine Umfrage des Podcasts Ka Depp zeigt: Auch Spieler des 1. FC Nürnberg und der Gastmannschaften im Max-Morlock-Stadion werden diskriminierend beleidigt.

"Habt ihr diese Saison im Max-Morlock-Stadion rassistische oder andere diskriminierende Äußerung mitbekommen?", fragten wir am 9. April auf dem Instagram-Kanal. 448 Menschen nahmen an der Umfrage teil.

105 Menschen gaben an, in der aktuellen Spielzeit rassistische oder andere diskriminierende Äußerung mitbekommen zu haben. Das macht einen Anteil von 23 Prozent. 343 antworteten mit Nein. 77 Prozent gaben also an, keine derartigen Äußerungen in dieser Spielzeit im Stadion mitbekommen zu haben.

Neben der Umfrage folgten zahlreiche Menschen unserem Aufruf, persönliche Erlebnisse mit Diskriminierung im Max-Morlock-Stadion zu schildern. Auf Twitter und Instagram erreichten uns weit über 30 detaillierte Schilderungen zu Erlebnissen. Zum Teil ging es um ganz aktuelle Vorfälle, teils um sexistische, rassistische und antisemitische Vorfälle aus vorangegangenen Spielzeiten. Triggerwarnung: Im Folgenden teilen wir einige der uns erreichten Erlebnisse von Rassismus und anderen Arten von Diskriminierung.

Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft

Der Sportsoziologe Gunter A. Pilz sieht in einem Gespräch mit der Funke Mediengruppe einen Zusammenhang zwischen der "Verrohung der Sprache in Social Media" und der "Qualität der Beleidigungen im Stadion". Pilz beobachte eine Zunahme rassistischer Anfeindungen in deutschen Stadien. Für ihn habe der Anstieg was mit der aktuellen politischen Lage zu tun, "denn auch in der Gesellschaft beklagt man ja eine Zunahme von Rassismus, Rechtsextremismus, Diskriminierung jeglicher Form".

Eine Antwort auf die Frage: Wie oft bekommt ihr rassistische oder andere diskriminierende Äußerungen im Max-Morlock-Stadion mit?

Eine Antwort auf die Frage: Wie oft bekommt ihr rassistische oder andere diskriminierende Äußerungen im Max-Morlock-Stadion mit? © Screenshot: twitter.com/Gopankhurst

Das Ergebnis der Ka-Depp-Umfrage ist auch mit Blick auf die Äußerungen von Sportsoziologe Pilz wenig überraschend. Bei den bis dahin 14 Heimspielen in dieser Saison kam der FCN auf einen Schnitt von 29.215 Zuschauerinnen und Zuschauern im Max-Morlock-Stadion. Der Fußball mit seinen Fans ist ein Spiegelbild der Gesellschaft: Unter annähernd 30.000 Menschen befinden sich auch Fans mit rassistischem und anderem menschenverachtenden Gedankengut.

Nachricht auf Instagram: "Hatten gegen den VfB einen Vorfall im Block 8. Als nach einem kleinen Rempler von Guirassy gegen Vindahl, der vor uns stehende Mann ihn als Bimbo bezeichnet hat. Wir, als auch die vor ihm stehenden Zuschauer, haben ihn gleich gefragt, was das soll. Er wurde gleich handgreiflich."

Der Verein könne Vorfälle, die ihm gemeldet wurden, in dieser Saison an zwei Händen abzählen, sagt Katharina Fritsch in Folge 172 von Ka Depp. Fritsch ist beim FCN zuständig für die gesellschaftliche Unternehmensverantwortung und die Kommunikation des Unternehmens.

Bei einem Fall in der Hinrunde im Heimspiel gegen Hannover 96 machte sich ein Mann zum rassistischen Clown. Immer wenn für Hannover 96 der Schwarze Spieler Derrick Köhn am Ball war, begleitete das der Zuschauer mit Affenlauten. Neben Äußerungen aller Art von Diskriminierung ging es bei den acht bekannten Fällen auch um Tattoos und Kleidungsmarken. "Einzelfälle, doch jeder Fall ist einer zu viel", sagt Fritsch.

Rassismus im Achteck.

Rassismus im Achteck. © Screenshot: twitter.com/Gopankhurst

Rassismus beim FCN: An wen kann ich mich wenden?

Zu dieser Saison hat der Club ein sogenanntes Spieltagshandy eingeführt. Der Verein möchte damit eine Meldekette für jede Form der erlebten Diskriminierung etablieren. Fans, die diskriminierende Äußerungen mitbekommen, können sich an allen 34 Spieltagen unter 0173-7540544 an den Verein wenden. Neben dem Spieltagshandy können sich Zeuginnen und Zeugen sowie Betroffene auch direkt an Ordner und die Club-Volunteers wenden. "Meldet euch bitte, wir müssen das gemeinsam angehen", fordert Fritsch.

Nachricht auf Instagram: "Ich bin seit fast 20 Jahren Clubfan und Stadiongänger. Rassistische, antisemitische Äußerungen höre ich in Nürnberg regelmäßig. Auch bei Auswärtsfahrten habe ich schon einiges von Clubanhängern gehört. Als Mann mit dunkler Hautfarbe ist es extrem schmerzhaft, solche Kommentare hören zu müssen. Nicht nur die beleidigenden Kommentare, sondern auch das Schweigen Anderer, geben mir immer ein sehr einsames Gefühl."

Immerhin: Seitdem das Thema im Podcast aufgegriffen worden ist, ist die Nummer des Spieltags-Handys an und um die Spieltage herum sehr viel präsenter in der öffentlichen Kommunikation des Vereins. Zuletzt gegen den 1. FC Kaiserslautern lobten das sogar AnhängerInnen der Gäste.

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