Drama in Madrid

"Absolutes Desaster": Kostete ein Schiri-Fehler die Bayern das Finale? Trainer und Mannschaft sauer

Georgios Tsakiridis

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9.5.2024, 09:15 Uhr
Thomas Müller und seine Mitspieler sind nach dem Aus enttäuscht.

© Eibner-Pressefoto/joerg Nieberga, Eibner-Pressefoto Thomas Müller und seine Mitspieler sind nach dem Aus enttäuscht.

Es hätte die Neuauflage des deutschen Champions-League-Finals von 2013 werden sollen, ein Wiedersehen in Wembley zweier deutscher Top-Mannschaften elf Jahre später. Borussia Dortmund machte mit einem Sieg in Paris am Dienstagabend den Einzug ins Endspiel perfekt - lange sah es am Mittwoch so aus, als würden die Bayern folgen. Doch dann sorgen ein Neuer-Patzer, zwei schnelle Gegentreffer und eine knifflige Schiedsrichter-Entscheidung in buchstäblich letzter Minute für die Wende. Eine Einordnung der Ereignisse.

Alphonso Davies, ausgerechnet Davies möchte man sagen, der seit längerem mit einem möglichen Wechsel zu Real Madrid in Verbindung gebracht wird, schoss die Münchner sehenswert in der 68. Minute in Führung. Lange sahen die Gäste wie der zweite deutsche Finalist aus, doch entfaltet sich ein Drama im Bernabèu zu Madrid. Erst lässt der sonst überragende Neuer in Minute 88 einen Schuss direkt vor Joker Joselu abprallen, der eiskalt einnetzt - dann schlägt Real nur drei Minuten später nochmal zu. Doch die Geschichte dieses Champions League Abends ist damit noch nicht zu Ende.

13 Minuten Nachspielzeit beraumt Schiedsrichter Szymon Marciniak an. Im letzten Angriff der Partie trifft der FC Bayern tatsächlich noch zum Ausgleich, bevor sich Ernüchterung einstellt: Das so wichtige Tor wird wegen einer vermeintlichen vorausgegangenen Abseitsposition nicht gewertet, danach ist Schluss - und vom deutschen Rekordmeister hagelt es Kritik. Der Ausgleich von Matthijs de Ligt wurde nicht durch den Videoassistenten überprüft, weil Schiedsrichter Marciniak kurz vor dem Abschluss des Niederländers abgepfiffen hatte.

Tuchel wütet

"Das ist ein absolutes Desaster", sagte Trainer Thomas Tuchel nach dem Spiel über die Szene. "Die Spielszene muss zu Ende gespielt werden, das ist die Regel - vor allem, wenn sie so eng am Tor ist, vor allem, wenn es so knapp ist", echauffierte sich der Bayern-Coach: "Den Fehler macht der Linienrichter und den zweiten Fehler macht der Schiedsrichter." Die Abseitsstellung von de Ligt nach einem langen Pass von Joshua Kimmich war umstritten, weil Real-Abwehrspieler Antonio Rüdiger auf ähnlicher Höhe war.

"Ich finde das unglaublich. Ich kann das nicht verstehen. Es ist nicht ganz klar, da musst du durchspielen lassen", sagte de Ligt und verriet, dass sich der Schiedsrichter entschuldigt habe. "Aber das ist manchmal der Unterschied gegen Real Madrid." Der eingewechselte Thomas Müller, der den Ball zu de Ligt geköpft hatte, sprach von einer "absolut wilden" Szene. Und Torhüter Manuel Neuer meinte: "Ich glaube, das weiß er selbst, dass es am Ende ein Fehler war und man die Entscheidung da nicht zu früh treffen darf."

Bitteres Eingeständnis

Der 43 Jahre alte Pole hatte sich nach dem 1:2 des FC Bayern im Halbfinal-Rückspiel bei Real Madrid am Mittwochabend dafür entschuldigt, dass er beim 2:2-Ausgleich von Matthijs de Ligt in der 13. Spielminute der Nachspielzeit wegen einer vermeintlichen Abseitsposition zu früh gepfiffen hatte. "Natürlich nehmen wir die Entschuldigung als Sportsmänner an. Aber es ist ein Halbfinale, es ist nicht der Moment für Entschuldigungen, ehrlich nicht", sagte Tuchel und redete sich in der Pressekonferenz förmlich in Rage.

"Es ist nicht der Moment für so krasse Video-Verstöße. Alle müssen ans Limit, alle müssen leiden, alle müssen fehlerfrei spielen. Da müssen halt die Schiedsrichter auf diesem Niveau das auch tun. Das hilft halt nicht, wenn du nachher Entschuldigung sagst. Dafür bist du auf dem Feld, dafür bist du der Beste, den es da draußen gibt. Und wenn du das nicht liefern kannst, hilft das nicht", schimpfte Tuchel. Bayerns Sportvorstand Max Eberl war ebenfalls fassungslos. "Es ist null Komma null zu erklären." Solche Szenen würden sonst nie unterbrochen, um sie nachträglich per VAR überprüfen zu können. "Logisch war das ein Fehler."

Tragischer Held

Marciniak gilt als einer der weltbesten Schiedsrichter. Er leitete das WM-Endspiel 2022 zwischen Argentinien und Frankreich und das Champions-League-Finale 2023 zwischen Manchester City und Inter Mailand. Auch am Mittwoch war er lange ein guter Spielleiter. Erstmals seit 2012 beenden die Bayern damit eine Saison ohne Titel. Untröstlich ist deshalb auch der Kapitän, der die Niederlage mit einem Fehler einleitete. Nationaltorhüter Neuer macht im Bernabéu ein Weltklassespiel - bis zur 88. Minute. Er fühle sich einfach nur "schlecht".

"Von 10.000 Mal hält Manu den Ball 10.000 Mal. Das ist das 10.001. Mal", sagte Tuchel. "Das ist ausgeschlossen, dass Manu einen Fehler macht. Und er macht ihn ausgerechnet heute nach dem Weltklassespiel. Das ist sowas von bitter", kommentierte Tuchel. „Die Situation war schwer für mich. Ich habe den Ball anders erwartet“, sagte Neuer zum falsch eingeschätzten Schuss von Real-Angreifer Vinicius Junior, den er fangen wollte, aber dann folgenschwer nach vorne auf Torschütze Joselu abprallen ließ. "Der Ball ist hochgesprungen Richtung Hals, und ich konnte ihn einfach nicht festmachen", schilderte der Kapitän seinen Fauxpas.

Für die Bayern ist die Saison damit eigentlich gelaufen, in der Bundesliga geht es darum, Platz zwei festzumachen. Vorstandschef Jan-Christian Dreesen ruft im Nachgang der Partie deshalb ein neues Ziel aus: Das Heimfinale 2025 müsse nun "das große Ziel" sein. Bis dahin wird sich bei Kader und Trainerstab allerdings einiges verändern.

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