Alarmierende Entwicklung im Mädchenfußball

30.12.2019, 15:52 Uhr
Alarmierende Entwicklung im Mädchenfußball

© Foto: Andreas Goldmann

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Würzburger Julius-Maximilians-Universität unterstreicht das, was vielen Beteiligten längst klar war: "In Bayern stirbt der Mädchenfußball besonders schnell."

Das Team um Professor Heinz Reinders, der auch das Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen leitet, belegte diese These mit der rapiden Abnahme von Mädchenfußballmannschaften im Freistaat.

Die Zahl der Teams habe sich, so Reinders, in den vergangenen zehn Jahren fast halbiert. Zählten die Forscher im Jahr 2010 noch 1305 gemeldete Mädchenmannschaften, so sind es aktuell nur noch 712 Teams. Mit 45,2 Prozent Rückgang hat Bayern damit, gemeinsam mit Baden-Württemberg, bundesweit die stärksten Verluste zu verzeichnen.

"Eine Sportart, die fast jedes zweite Team verliert, ist in sehr großer Not", stellt Reinders fest und führt das auf strukturschwache Gegenden mit unzureichender Förderung zurück. Innerhalb Bayerns ist damit besonders der Norden betroffen. "Ein Talent aus Unterfranken in den bayerischen oder gar deutschen Spitzenfußball zu hieven, war in den vergangenen zehn Jahren faktisch unmöglich", so Reinders.

Rückgang um 40 Prozent

Die Studie zeigt aber auch: Je näher sich die Vereine an Ballungsräumen befinden, desto besser geht es ihnen. Trotzdem liegt der Rückgang im Fußballkreis Nürnberg/Frankenhöhe ebenfalls bei rund 40 Prozent. Waren es in der Saison 2011/12 noch 76 Mannschaften in den unterschiedlichen Jugendaltersklassen, so sind aktuell nur noch 46 Teams zwischen U 11 und U 17 im Spielbetrieb.

Wie sehen die lokalen Verantwortlichen die Problematik? "Wir sind noch mit zwei Jugendmannschaften gesegnet", freut sich Luca Herrmann, Trainer der Frauen beim STV Deutenbach. Er schränkt aber gleichzeitig ein: "Unsere U 17 besteht komplett aus dem jüngeren Jahrgang und aus Spielerinnen, die noch in der U 15 spielen könnten. Bei der U 15 sind auch alle der jüngere Jahrgang oder Mädchen, die noch U 13 spielen könnten."

Den Grund dafür sieht Herrmann darin, dass "mit der JFG Bibertgrund, dem TSV Altenberg und uns drei Vereine den gleichen Markt abgrasen. Da wird es schwierig, genug Mädchen zu finden".

Neben der Konkurrenz durch andere Vereine gibt es aber noch weitere Gründe, dass die Zahl der Fußball spielenden Mädchen abnimmt, so Herrmann: "Man hat heute ein ganz anderes Angebot als früher. Man muss nicht mehr in einem Verein sein, um sich zu bewegen oder seine Nachmittage zu füllen. Dann sind teilweise auch von Elternseite her die Verpflichtungen, die man in einem Verein eingeht, nicht mehr so angesagt. So gibt es immer weniger Mannschaften, dadurch werden die Strecken und der Aufwand höher, und das wollen wieder weniger auf sich nehmen."

Nicht beschweren wollen sich die JFG Bibertgrund und deren B-Juniorinnen-Coach Christian Eichhorn: "Ich bin zwar erst seit diesem Jahr Trainer bei der JFG, aber uns geht es eigentlich gut. Ich merke es allerdings schon bei uns, wir sind 13. Unsere U 13 und U 15 sind jedoch gut belegt." Er sieht die Vereine und Verantwortlichen selbst in der Pflicht, etwas für die Nachwuchsgewinnung zu tun. "Man muss eben schauen, dass man etwas Werbung macht. Da kann sich der jeweilige Trainer drum kümmern, dann geht das auch."

Das sieht auch Alexander Roos, Trainer der C-Juniorinnen des SV Poppenreuth so: "Wir als Vereine müssen einfach mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten. Ich glaube, es ist ein großes Informationsdefizit vorhanden, dass es überhaupt Mädchenfußball gibt." So hat er im Sommer Plakate aufgehängt, und prompt meldete sich die eine oder andere Nachwuchskickerin.

Dennoch kann Roos die Ergebnisse der Studie bestätigen: "Wir sind jetzt seit einigen Jahren mit der U 15 auf dem Großfeld. Als wir angefangen haben, waren wir 18 Mannschaften. Jetzt sind wir, glaube ich, noch acht in ganz Mittelfranken. Das liegt aber auch daran, dass der Fußball allgemein im Rückgang ist." Den SV Poppenreuth sieht Roos jedoch gut gerüstet: "Wir können uns nicht beschweren, denn bei uns wird es konstant eher mehr. Wir profitieren aber natürlich auch davon, dass andere Vereine in der Gegend den Mädchenfußball aufgegeben haben."

Es hapert an der Werbung

Entgegen dem Trend hat der FSV Stadeln sogar kürzlich eine neue Mannschaft gegründet. "Das funktioniert bei uns, weil wir im Juniorenbereich bei den Jungs so viele Mädchen gehabt haben und einen Trainer, der gesagt hat, wir probieren das einfach. Da gehört viel persönliches Engagement und Unterstützung des Vereins dazu", berichtet FSV-Juniorinnen-Leiter Jochen Winner. Auch er ist der Meinung, die Vereine müssten mehr Werbung betreiben. Winner sieht allerdings auch den Bayerischen Fußballverband in der Pflicht: "Der Verband geht nicht auf die Altersstufen der Jugendlichen ein. Es wird genauso gemacht wie bei den Jungs, wo man die entsprechende Quantität hat. Aber das geht bei den Mädchen nicht."

Sein Vorschlag: Nicht im zweijährigen Zyklus die Altersklassen staffeln, sondern drei oder vier Jahrgänge zusammenfassen. Zudem müsse man weg von einer Elfer-Liga quer durch Mittelfranken und mit kürzeren Fahrstrecken hin zu fünf oder sechs Vereinen, die am Ende den Meister ausspielen.

"Wir können uns eigentlich vor Spielerinnen nicht retten", sagt Peter Münz, seit über zehn Jahren Trainer der U 17-Juniorinnen bei der SpVgg Greuther Fürth. "Aber natürlich macht da der Name viel aus, und wir haben schon große Vorteile anderen Vereinen gegenüber."

Doch Münz kommt viel herum und sieht daher die Probleme deutlich: "Man darf als Verein nicht darauf warten, dass die Spielerinnen von alleine kommen. Man muss selbst aktiv werden und Mädchen ansprechen, die noch in Jungsmannschaften spielen."

Das Interesse der Mädchen am Fußball sei seinem Gefühl nach unverändert groß, "es fehlt aber oft an Möglichkeiten, dass Mädchen nach der D-Jugend bei den Jungs noch weiterspielen können". Viele hörten dann auf, weil sie keine Perspektive mehr sähen, da es in ihrem Verein keine Mädchenmannschaft gibt.

Eine Spielerin pro Schulteam

Hier sieht Münz die Vereine in der Pflicht, gemeinsam Lösungen zu finden und sich Spielerinnen auch gegenseitig zu vermitteln. Doch auch den Verband seien laut Münz gefordert. Einerseits fehle es an unterschiedlichen Fördermöglichkeiten für Ausnahme- und reine Breitensportspielerinnen. Andererseits fände Münz noch eine weitere Regelung charmant: "Zu meiner Schulzeit hat in jeder Schulhausmannschaft immer mindestens ein Mädchen mitspielen müssen. Vielleicht sollten der BFV und der DFB so eine Lösung anstreben, denn ein Mädchen in einer Mannschaft zu haben, ist kein Schaden."

 

ANDREAS GOLDMANN

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