Amelie-Sophie Lederer: Die Rakete aus Ornbau

3.3.2021, 05:53 Uhr
Der Gold-Lauf von Dortmund: Amelie-Sophie Lederer (Mitte) läuft Jennifer Montag (links) und Rebekka Haase einfach auf und davon.

© Bernd Thissen, dpa Der Gold-Lauf von Dortmund: Amelie-Sophie Lederer (Mitte) läuft Jennifer Montag (links) und Rebekka Haase einfach auf und davon.

Auf dem Heimweg schaute Amelie-Sophie Lederer noch bei ihrer Familie vorbei, das bot sich an, Ornbau liegt ja ziemlich genau auf der Achse Dortmund – München. Der Sportverein und auch der Bürgermeister nutzten den Zwischenstopp, um die prominenteste Tochter der kleinsten Stadt Mittelfrankens mit einer Ehrung zu beglücken. Vor einer Garage.

Seitdem ist Amelie-Sophie Lederer aus dem Landkreis Ansbach stolze Besitzerin eines Handtuchs mit aufgesticktem Gemeinde-Logo und bestimmt gespannt, was noch so alles kommen könnte an Präsenten. Vielleicht schon nächste Woche, nach den Hallen-Europameisterschaften in Torun.

"Ich wusste, dass ich gut drauf bin"

Dass sie heute als heiße Medaillenkandidatin nach Polen fährt, kommt für die 26-Jährige nicht wirklich überraschend. In den vergangenen Wochen habe sie sehr gut trainieren können, und das seit Ende Januar auch ohne Prüfungsdruck. Nach fünf Jahren Ausbildung darf sie sich jetzt Polizeimeisterin nennen, Deutsche Meisterin über die 60 Meter passt da als Titel ja prima dazu.

"Ich wusste, dass ich gut drauf bin", sagt Amelie-Sophie Lederer rückblickend, wie gut, hatte ihr die eine oder andere freilich handgestoppte Trainingszeit unter sieben Sekunden bewiesen. Am 20. Februar brauchte sie im Halbfinale (7,20) und Finale (7,12) zwar ein paar Hundertstel mehr, war in der Dortmunder Helmut-König-Halle aber trotzdem überraschend die Schnellste.

Zweitbeste Zeit in Europa

Hinterher schaute auch die Siegerin zunächst etwas ungläubig, weil sie ihrem Ruf als spektakuläres Talent zuvor nie so richtig mit Top-Platzierungen hatte gerecht werden können. Aufhorchen hatte sie erstmals 2015 lassen, als Mitglied der U23-EM-Staffel über die vier mal 100 Meter. Mit Alexandra Burghardt, Rebekka Haase und Anna-Lena Freese holte sie in Tallinn damals EM-Gold, lief danach aber häufig im Schatten der anderen aus Deutschlands viel beachteter Sprinterinnen-Generation um Glamour-Girl Gina Lückenkemper.

Der Star der EM 2018 fehlte in Dortmund zwar, ansonsten hatten aber fast alle Favoritinnen gemeldet, was Lederers Erfolg noch etwas bemerkenswerter erscheinen lässt. Im vergangenen Jahr hatte sie bereits mit dem Hallen-Vizemeistertitel über die 200 Meter aufhorchen lassen, wollte aber mehr. „Wie eine Rakete“ habe Amelie-Sophie Lederer über die 60 Meter gezündet, schrieb das DLV-Portal leichtathletik.de, die Zeit (7,12) ist heuer die zweitbeste überhaupt in Europa. Nur 200-Meter-Weltmeisterin Dina Asher-Smith (7,08) war 2021 flotter unterwegs, verzichtet aber angeblich auf ihre Teilnahme an der EM in Polen.

Somit zählt Lederer auch am Sonntag zum Kreis der Medaillenkandidatinnen, nachdem sie in Dortmund unter anderem Jennifer Montag, Yasmin Kwadwo, Rebekka Haase und Titelverteidigerin Lisa-Marie Kwayie geschlagen hatte. Im Olympischen und Paralympischen Trainingszentrum in Kienbaum südlich von Berlin bereitete sie sich in letzten Tagen vor auf den nächsten Saison-Höhepunkt, der ultimative wären die Olympischen Spiele in Tokio.

Schwung-Mitnahme und Leistungsexplosion

Die zu knackende Norm für die 100 Meter liegt bei 11,15 Sekunden, ihre Bestzeit bei 11,27. Was gerade nicht viel heißen muss. "Ich hoffe natürlich, Schwung mitzunehmen in den Sommer", sagt Lederer, die erst als Zwölfjährige beim TSV Ansbach angefangen hatte mit der Leichtathletik. Über das LAC Quelle in Fürth ging es Anfang 2020 zur LG Telis Finanz Regensburg und nur ein Jahr später weiter nach München, wo sie bei der LG Stadtwerke selbst angefragt hatte, ob sie kommen dürfe.

Irgendwann dazwischen muss die Leistungsexplosion passiert sein, obwohl sie mit ihrem Trainer Patrick Saile eigentlich gar nicht viel verändert hat an ihren Vorbereitungsplänen. Tatsächlich sah der Schweizer auch in Dortmund keinesfalls den perfekten Lauf seines Schützlings und insbesondere beim Start noch Optimierungsbedarf.

Sollte der am Sonntag bei der Hallen-Europameisterschaft ebenfalls wie gewünscht klappen, können sie sich in Ornbau schon mal das nächste Geschenk überlegen.

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