Beierlorzer: Speed Dating an der neuen Arbeitsstelle

16.1.2020, 19:01 Uhr
Von Neunkirchen am Brand, über Köln nach Mainz: Das ist die Geschichte von Achim Beierlorzer.

© Armin Weigel, NZ Von Neunkirchen am Brand, über Köln nach Mainz: Das ist die Geschichte von Achim Beierlorzer.

Seit dem 9. November 2019 ist Achim Beierlorzer ein richtiger Bundesliga-Trainer. "Als ich die Urkunde als Fußball-Lehrer überreicht bekam, hat Otto Rehhagel gesagt, man sei erst ein richtiger Trainer, wenn man auch mal entlassen worden ist", erzählt der aus Neunkirchen am Brand stammende Franke mit ein wenig Abstand und einem Schmunzeln auf den Lippen von seiner Entlassung beim 1. FC Köln. Zumal relativ schnell sein neues Engagement beim Ligakonkurrenten FSV Mainz 05 folgte.

Nach der Niederlage in Düsseldorf sei ihm klar gewesen, dass nur ein Sieg gegen Hoffenheim helfen konnte. Ohne Erfolg könne man nirgends längerfristig arbeiten, und gerade in Köln sei dieser Druck noch größer als andernorts, "weil die Emotionalität im Verein und in den Medien das nicht zulassen". Er habe sich während der Zeit auf dem Pulverfass am Rhein auf seine Arbeit konzentriert. "Ich fokussiere mich komplett auf das, was ich beeinflussen kann – das sage ich auch meinen Spielern: Konzentriert euch darauf, was ihr beeinflussen könnt, und einen Schiedsrichter kann man nicht beeinflussen."

Köln abgehakt, kurzfristig in Mainz gestartet

Doch das Kapitel Köln ist für den 52-Jährigen längst abgehakt. Obwohl er den Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder aus gemeinsamen Zeiten bei der SpVgg Greuther Fürth kennt, sei er "total überrascht" gewesen, als der ihn nach der Freistellung von Sandro Schwarz daheim in Stöckach vor den Toren Nürnbergs angerufen habe. "Er hat mir gesagt, dass er mich schon länger auf dem Zettel hatte für den Fall, dass er einmal in der Situation sein sollte einen neuen Trainer verpflichten zu müssen", verrät Beierlorzer bei einem kurzen Heimatbesuch. Natürlich habe er überlegt, ob er so kurz nach der Entlassung in Köln sofort wieder tätig werden sollte. "Ich durfte ja nur vier Monate arbeiten, war also noch voller Energie", nennt er einen Grund für seine Entscheidung. Ein anderer sei eben Schröder gewesen. "Der sportliche Leiter und der Trainer müssen eng zusammenarbeiten, gemeinsam durch dick und dünn gehen können – das ist bei Rouven der Fall."

"Völlig kurios", aber auch hilfreich sei es gewesen, im ersten Spiel mit Mainz gegen Hoffenheim anzutreten, seinem letzten Gegner bei Köln. Das 5:1 bei den Kraichgauern sei natürlich ein Traumeinstand gewesen. Bei einem Verein, in dem und um den herum es "sehr viel ruhiger" zugehe, auch was die Medienlandschaft betrifft. "Es ist einfach ein viel kleinerer Verein. Köln hat über 100.000 Mitglieder, da sind bei jedem Training bis zu 200 Zuschauer. Da ist Mainz einfach viel beschaulicher, aber auch hier ist alles klar strukturiert und der Verein top geführt."

In Mainz ist jemand an der Spitze, der sich mit Fußball auskennt

Zumal Präsident Stefan Hofmann Fußball-Lehrer sei und das Nachwuchszentrum des Bundesligisten jahrelang sportlich geleitet habe. "Da ist an der Spitze jemand, der sich auskennt, was Fußball betrifft, und auch eine klare Philosophie hat, wie man miteinander umgeht", gerät der langjährige Gymnasiallehrer geradezu ins Schwärmen.

"Die ersten Tage waren natürlich geprägt von wahnsinnig vielen Gesprächen und Terminen. Mit meinem Trainerteam ganz am Anfang und mit den Spielern, um die sportliche Situation zu analysieren. Aber ich habe mich auch mit dem Präsidium und dem Aufsichtsrat intensiv ausgetauscht, um den Verein kennenzulernen", berichtet Beierlorzer über seine ersten Tage beim neuen Arbeitgeber in Mainz Ende November. "Ich habe mal von Speed Dating gesprochen, weil es alles so eng getaktet war, aber auch da ist der Verein super organisiert."

Einmal in der Woche geht es für Beierlorzer nach Hause

Es ist keine neue Erfahrung für den Trainer, aber ein Faktor, der in der öffentlichen Wahrnehmung und Beurteilung oft unterschätzt wird, dass sich Beierlorzer in Mainz und mit einer Multikulti-Truppe aus vielerlei Herren Länder konfrontiert sieht: "Es gibt keine Sprachprobleme, aber man muss diesem Umstand Rechnung tragen" Wie er damit umgeht? "Wir kommunizieren viel auf Englisch, haben aber auch drei Spieler, von denen zwei nur spanisch sprechen und einer nur französisch. Da hat man seine Übersetzer, aber es ist schon eine Herausforderung." Wozu es gehöre, dass die Spieler einmal in der Woche verpflichtend zum Deutschunterricht gehen.

Genauso, wie er sich selbst zu einem freien Tag in der Woche verpflichtet hat. An dem er dann einige Stunden auf der Autobahn unterwegs ist, um wenigstens kurze Zeit daheim zu verbringen, wo ihn seine Frau, die ebenfalls als Lehrerin arbeitet, und der jüngste Sohn erwarten, der in diesem Jahr sein Abitur bauen wird.

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