Charisteas: Liaison wurde nie echte Liebe

20.1.2009, 00:00 Uhr
Charisteas: Liaison wurde nie echte Liebe

© Günter Distler

Einer, von dem man sich das auch gewünscht hätte, hielt sich am Sonntag im Hintergrund. Angelos Charisteas war da, er drückt sich ja vor nichts; «von der ersten bis zur letzten Minute«, sagt Nürnbergs Manager Martin Bader, verhalte sich der Grieche «vorbildlich« – aber Charisteas ist nie ein Führungsspieler oder Repräsentant seines Vereins geworden.

«Er lässt sich nicht hängen«

Es passte irgendwie nicht, von Anfang an nicht. Angelos Charisteas kam 2007 zu einem Verein, der gerade seine schönste Saison seit fast vierzig Jahren hinter sich hatte. Er war wiederholt verletzt, spielte trotzdem, und mit dem ganzen Team schlitterte er in eine immer tiefere Verunsicherung, die mit dem Abstieg endete. Das war nicht Charisteas’ Schuld, in den letzten Wochen des verlorenen Abstiegskampfes gehörte er sogar zu den besseren Nürnberger Spielern.

Aber gerade von ihm, dem Europameister von 2004, für den man 2,5 Millionen Euro an Feyenoord Rotterdam überwiesen hatte, hatte man sich mehr erwartet. «Harry ist immer an dieser Ablösesumme gemessen worden«, sagt Hans Meyer, sein erster Trainer in Nürnberg, und dabei, meint Meyer, sei ihm viel Unrecht widerfahren. Bader sieht das ähnlich. «Harrys Stellenwert in Nürnberg ist nicht gerade hoch«, sagt er, glaubt aber auch, dass das «meistens sehr gute Bauchgefühl der Fans in diesem Fall nicht stimmt.«

Überragenden Charisteas hat man nie gesehen

Einen überragenden Charisteas hat man in Nürnberg, trotz besonderer Tore im Uefa-Cup (bei Zenit St. Petersburg, gegen Benfica Lissabon) nie gesehen, einen komplett enttäuschenden aber auch nicht. Die Pfiffe gegen ihn, sagt Bader, «haben Harry natürlich sehr weh getan«. Angelos Charisteas selbst hat sich nie beschwert, er trainierte mit Disziplin weiter, als er nur noch Ersatzspieler war und hinter noch unbekannten Twens zurückstehen musste. «Er hat sich nie hängen lassen und sich immer wieder mit Leistung angeboten«, sagt Michael Oenning, sein Trainer.

Oenning mag Charisteas, Bader auch, bei den Mitarbeitern des Vereins ist der Grieche beliebt – es gibt eigentlich keinen im Club, der Charisteas nicht sympathisch fände. Aber andererseits glaubt auch fast keiner mehr, dass eine gemeinsame Zukunft noch Sinn hat. Der Karren ist ziemlich verfahren. Angelos Charisteas ist Nationalspieler, er hat Griechenland mit seinem Siegtor im Finale den sensationellen EM-Titel 2004 beschert und die WM 2010 vor Augen. Aber selbst sein Mythos könnte verblassen, wenn er wiederholt auf der Ersatzbank eines Zweitligisten sitzt, den er eigentlich seit Monaten verlassen will oder soll oder müsste. Transfer-Hängepartien polieren einen Ruf nicht auf; Fans deuten so etwas als einen Mangel an Identifikation mit dem Verein.

Alle hoffen auf den FC Fulham

Jetzt hoffen sie alle miteinander auf den FC Fulham. Der Klub von Mohammad Al Fayed, dem als Beinahe-Schwiegervater der unglücklichen Lady Diana berühmt gewordenen Harrods-Eigner, hat Charisteas auf der Liste. «Sie bemühen sich sehr um ihn«, berichtet Bader, «sie haben ihn vier Tage beobachtet, DVDs angefordert«, alles, was zu einem Transfer gehört – bloß kann selbst die Premier League das Geld nicht mehr mit beiden Händen ausgeben; Bader rechnet damit, dass die Londoner die Akte noch ein paar Tage prüfen werden.

Angelos Charisteas hätte nichts mehr gegen einen Wechsel, obwohl ihm Nürnberg gefällt. «Abwarten«, sagt er, das hat er gelernt. Aber öffentlich mag er eigentlich nichts mehr zu diesem Thema sagen; zu oft, findet er, sei er missverstanden worden. Martin Bader wünscht es Charisteas, dass es jetzt klappt mit diesem Wechsel. «Er würde«, sagt der Manager, «damit in ein vernünftiges Umfeld kommen.«