Club rückt in der Krise nah zusammen

15.10.2009, 00:00 Uhr
Club rückt in der Krise nah zusammen

© Wolfgang Zink

Um kurz vor halb elf waren es noch 720 Mitglieder, die über die Satzungsänderung abstimmten. 27 votierten mit Nein, 21 enthielten sich der Stimme – am Ende hatte man Mehrheitsverhältnisse, auf die auch ein sozialistisches Zentralkomitee stolz gewesen wäre. Über 93 Prozent seiner Mitglieder schickten den 1.FC Nürnberg mit der damit genehmigten Satzungsreform in modernere Zeiten.

Teilnehmerzahl halbiert

Zwei Stunden später hatte sich die Zahl der Teilnehmer an der Jahresmitgliederversammlung zwar ziemlich exakt halbiert, aber als um zweiundfünfzig Minuten nach Mitternacht und insgesamt fast siebenstündigem Beratungs- und Abstimmungsmarathon endlich Schluss war, waren es immer noch über 300, die ihre Treue zum Club demonstriert hatten.

Franz Schäfer dankte fürs lange Durchhalten und «das gute Niveau«, auf dem man sich ausgetauscht hatte – man sah einen erleichterten Präsidenten, der vorher, wie ausgesprochen oder unausgesprochen alle Präsidialen, die Befürchtung gehegt hatte, dass die sportliche Schieflage das Beisammensein zur emotional-turbulenten Krisensitzung machen könnte.

Erinnerung an Wirtshausprügelei

Man hatte, beim Karlsruher SC, ja gerade erst eine Hauptversammlung eines Krisen-Klubs erlebt, die am Ende an eine Wirtshausprügelei erinnerte; als Schluss war, fragte der Versammlungsleiter in alkoholgeschwängerter Atmosphäre den gewählten Präsidenten, ob er denn noch in der Lage sei, die Bühne zu betreten – was dem KSC ausnahmweise ein mediales Echo weit über die badischen Grenzen hinaus bescherte.

Annähernd vergleichbare Bilder hat man in Nürnberg lange nicht mehr gesehen. Zwar war in der Vergangenheit manche Sitzung leicht aus dem Ruder gelaufen, am Ende aber siegte immer ein Wille zur Sachlichkeit – wobei in der langen Nacht zum Mittwoch nun schon ein wenig verblüffte, wie ruhig die wenigen kritischen Nachfragen zur Gesamtsituation das Präsidium erreichten.

Kein einziger Buh-Ruf

Es mag daran gelegen haben, dass es schon 23.18 Uhr war, als Vizepräsident Ralf Woy, der kaufmännische Geschäftsführer, den Mitgliedern das satte Minus aus dem Geschäftsjahr 2008/09 vorlegte – oder daran, dass die leidgeprüfte Club-Familie letztlich einverstanden war mit dem Kurs, sich für den sofortigen Wiederaufstieg neu zu verschulden.

Vielleicht auch daran, dass Woy als beredter heimlicher Versammlungsleiter wieder einiges Profil hinzu gewann. Der Bankkaufmann beherrscht beides: das charmante Ausweichen ebenso wie den Anlauf mit offenem Visier, und so ist aus fast sieben Stunden zwar kein frenetischer – die Kür von Ex-Präsident Michael A. Roth zum Ehrenpräsidenten ausgenommen –, aber immerhin viel freundlicher Applaus erinnerlich. Aber kein einziger Buh-Ruf. Gemeinsam mit Sportdirektor Martin Bader also wird Woy, sodenn keine größeren Unfälle dazwischenkommen, den Club ab Oktober 2010 führen (es sei denn, der Aufsichtsrat beruft andere Vorstände).

Gleichberechtigte Vorstände

Beide sind dann gleichberechtigte Vorstände eines Clubs, dessen Mitglieder mit Änderungen in kleinen, aber interessanten Details zum Satzungsentwurf deutlich machten, wie sehr die Basis auch künftig mitbestimmen möchte – ein Club in «fremden« Händen, zum Beispiel als ausgelagerte Kapitalgesellschaft, wäre in Nürnberg bis auf weiteres unvorstellbar.

So soll die Versammlung künftig den Vorsitzenden des Aufsichtsrates wählen und den Vorstand sowie den Aufsichtsrat entlasten; angehören können dem Gremium ferner nur Personen, die seit mindestens 15 Monaten auch Vereinsmitglied sind. «Wir sind näher zusammengerückt«, fasste Ralf Woy den Abend treffend zusammen: «Die Mitglieder stehen unheimlich positiv zum Club, besorgt, aber qualifiziert, sachlich und mit viel Herzblut.« Offenbar tatsächlich: In guten wie in schlechten Zeiten.