Club stürmte 1968 mit nur 15 Spielern zum neunten Meistertitel

15.5.2008, 00:00 Uhr
Club stürmte 1968 mit nur 15 Spielern zum neunten Meistertitel

© Archiv Schmidtpeter

Wenige Stunden zuvor hatten sie im Uralt-Stadion an der Grünwalder Straße dem FC Bayern München mit zwei Kopfballtoren von Franz Brungs und Heinz Strehl mit 2:0 das Nachsehen gegeben. Der Titelgewinn war perfekt, und der Alkohol – damals wurde noch der Sekt dem heute üblichen Weizenbier vorgezogen – floss in Strömen. Dass sich die Helden und die Gratulanten schier erdrückten, lag natürlich an der Jubelstimmung, aber auch an der winzigen Kabine. Einer der ersten Gratulanten war ein Prominenter: Mister «Goldfinger« aus dem gleichnamigen James-Bond-Film, der Schauspieler Gert Fröbe.

Stürmisch begrüßt wurden die Meisterkicker natürlich von einigen tausend Fans in der Heimat am Hauptbahnhof. Teil drei der Feiern, der offizielle Teil, stieg eine Woche später im restlos ausverkauften Stadion am Dutzendteich: Nach dem krönenden sportlichen Abschluss mit dem 2:1-Sieg über Borussia Dortmund (Tore: Heinz Müller, Strehl) überreichte DFB-Präsident Dr. Hermann Gösmann die Meisterschale, vom Volk nur «Salatschüssel« genannt, an Kapitän Heinz Strehl. Ganz Franken befand sich in einem einzigen Freudentaumel. Seitdem, seit genau 40 Jahren, warten die lechzenden Fans auf Titel Nummer zehn. Doch davon ist der Renommierverein aus der Noris leider Lichtjahre entfernt. Der Pokalsieg vor einem Jahr und die unbeschreiblichen Jubelszenen ließen ahnen, dass die fränkische Metropole in so einem Fall aus allen Fugen geraten würde.

Eigentlich war die
Meisterschaft ein Wunder...

Die Meisterschaft 1968 war genaugenommen ein Wunder, denn ein Jahr zuvor hatte die Truppe aus dem Zabo noch lange Zeit gegen den Abstieg gekämpft. Das Wunder hatte viele Väter. Der Hauptverdienst gebührt unbestritten Trainer Max Merkel, den sie Dompteur nannten. War er wirklich, wie er allgemein eingeschätzt wurde, ein harter Hund? Nach außen gewiss. Aber in seinem Inneren hatte der manchmal sarkastisch und zynisch auftretende Wiener einen weichen Kern. Wenn die für ihn aus seiner Heimatstadt zu einem Kameradschaftsabend extra angereisten Schrammeln sein Lieblingslied «Mei Mutterl war a Weanerin« anstimmten, flossen ihm die Tränen über das Gesicht. Er war im Prinzip ein gestrenger Vater, der aber seine «Söhne« manchmal auch mit unerwartetem Entgegenkommen überraschte.

Eine der köstlichsten Storys, die ich hautnah erlebte, ereignete sich in der Rückrunde: Nach dem Vormittagstraining feierten die Spieler in einem Autohaus und genossen fröhlich Champagner. Das Ergebnis des Umtrunks: Torhüter Roland Wabra erschien nicht zur nachmittäglichen Trainingseinheit. «MM«, wie Merkel nur genannt wurde, reagierte darauf heftig. Vor den extra von ihm in die Kabine gebeteten Medienvertretern forderte er Zeugwart Hans Meyer auf: «Schmeiß alle Sachen vom Wabra raus. Den will ich hier nie mehr sehen!« Die Fortsetzung dieser Story erzählte der Trainer später schmunzelnd immer wieder: «Ich saß am Abend in meinem Stammlokal «Bratwurst Friedel«, als plötzlich eine schwankende Figur durch die Türe kam. Es war «Rolly« Wabra, der stammelte: Trainer, Trainer, ich will… – Trainer ich habe einen großen Durst.« Sprach’s, nahm Merkels Glas Weinschorle und trank daraus. Des Trainers Reaktion: Er spendierte seinem Torhüter ein Getränk, ließ ihn danach heimfahren – und stellte ihn einige Tage später beim Auswärtsspiel in Kaiserslautern wieder zwischen die Pfosten.

Merkels Verdienste sind unbestritten, zumal er auch mit hartem Training den Grundstein für den Erfolg gelegt hatte. «Ich bin in meinem Leben nie soviel gelaufen wie beim Trainingslager in Wattens«, klagte einmal Kapitän Heinz Strehl. Doch was wäre der «Schleifer« aus Wien ohne die großartige Mannschaft, die er natürlich – daran ist nicht zu rütteln – auch zusammengestellt hat. «Es war die richtige Mischung zwischen Spielern und Kämpfern«, lobte der damalige Bundestrainer Helmut Schön. Für ihn war es aber auch eine Überraschung, dass der 1.FCN in der gesamten Saison mit nur 15 eingesetzten Spielern auskam. Ein Riesenwunder, das in der heutigen Zeit nicht mehr vorstellbar ist. Die Erklärung dazu lieferte damals der konsequente Mittelläufer Ferdinand Wenauer, dem mit Fritz Popp und «Luggi« Müller zwei eisenharte Abwehrspieler assistierten: «Wir hatten glücklicherweise kaum große Verletzungen zu beklagen und waren absolut durchtrainiert.«

Bei den älteren Club-Fans sind in der Erinnerung vor allem zwei Heimspiele aus der Meisterschaftssaison haften geblieben: Das 1:0 gegen Borussia Mönchengladbach am 13. September 1967 und das 7:3 gegen den FC Bayern München am 2. Dezember. Natürlich stand der Triumph über das Starensemble aus der Landeshauptstadt mehr im Blickpunkt. Es war das «Spiel des Lebens« für Franz Brungs als fünffachem Torschützen. Frappierend aber, dass der wegen seiner Kopfballstärke «Goldköpfchen« genannte Mittelstürmer sämtliche Tore mit dem Fuß erzielte. Es spricht für ihn, dass er – auch heute noch – die Mithilfe seiner Mitstreiter würdigt. Die brillanten

Außenstürmer Zvezdan Cebinac und Georg Volkert fütterten ihn permanent mit Maßflanken. «Cebi« harmonierte prächtig mit Horst Leupold, der damals schon einen Offensivverteidiger verkörperte. Strehl war Aufbauspieler und Torschütze zugleich, einfach unersetzlich.

Der große Tag für
Charly Ferschl und Hanni Müller

Zwei wichtige Stützen erlebten ihren großen Tag beim Duell mit Borussia Mönchengladbach, das viele Experten – auch die Stars von einst – hinsichtlich der Qualität noch heute höher einstufen als den Kantersieg gegen die Bayern: Charly Ferschl schoss das Tor des Tages – und Heinz Müller schaltete den exzellenten Spielmacher Günter Netzer total aus. Auch wenn man nicht auf einen gemeinsamen Nenner über die Güte der beiden Schlagerspiele kommt, steht eines unwiderruflich fest: Die damalige Club-Truppe war in der Saison 1967/68 der Konkurrenz weit voraus. Sie zelebrierte sehenswerten Fußball und hatte nur ganz wenige Schwächen.

Dass der 1. FCN ein Jahr später als Meister aus der Bundesliga abgestiegen ist, lag einzig und allein an der unglücklichen Personalpolitik von Max Merkel, der wichtige Stützen wie Ferschl, Brungs und Starek wegschickte. Diese Blamage steht leider auch in den Annalen des Vereins, aber die Leistung der Meistertruppe von 1968 kann dadurch nicht geschmälert werden. Und für viele Anhänger ist sie in diesen Tagen, 40 Jahre danach, verständlicherweise der Anlass, in Freude darauf zurückzuschauen.

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