Krimi in Berlin

Der Gürtel bleibt nach einem Box-Spektakel in Forchheim

29.5.2021, 00:42 Uhr

Kampf ohne Verlierer: Dank eines Unentschiedens gegen Thomas Piccirillo (links) behält Marten Arsumanjan seinen EU-Titel. © Torsten Helmke, NN

In Runde sechs muss man bei Marten Arsumanjan besonders genau hinschauen: Vor einem Jahr in Berlin hetzte er den damaligen Titelträger Björn Schicke derart durch den Ring, dass in der Pause vor der siebten Runde das Handtuch aus der Ecke des Titelverteidigers flog und der Forchheimer völlig überraschend den Gürtel des EU-Champions im Mittelgewicht in die Höhe halten durfte. Am Freitagabend - wieder in Berlin - traf ihn ganz am Ende eine harte Rechte von Thomas Piccirillo. Zum Glück für den Franken war der Gong schon ertönt, sonst hätte er wohl angezählt werden müssen. Und der Kampf wäre vielleicht anders ausgegangen.

Zwar brauchte Arsumanjan die Pause und auch noch die nächsten zwei Runden, um diesen Wirkungstreffer wegzustecken. Aber der 27-Jährige erwies sich als Stehaufmännchen. Das war wohl seine größte Leistung an diesem Abend, die am Ende auch die Ringrichter überzeugte.

Zumindest so, dass es zur erfolgreichen Titelverteidigung reichte. 116:112 für den Zirndorfer mit armenischen Wurzeln urteilte der erste, 116:112 für den Deutsch-Italiener aus Köln der zweite. Nun kam es auf den Oberreferee Daniel van de Wiele aus der Belgien an. Und der hatte ein 114:114 auf seinem Zettel stehen - Unentschieden also. Und in diesem Fall behält der Titelverteidiger seinen Gürtel.

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"Gerechtes Urteil"

"Ein gerechtes Urteil", fand Arsumanjans Trainer Tuncay Kasim, der sich vor allem darüber freute, dass die Jury "in der Höhle des Löwen" so neutral geurteilt habe. Schließlich war der Kampfabend vom Berliner Boxstall Agon organisiert worden, für den auch Piccirillo startet. Und da hätte es auch so laufen können, dass der "No Name" aus der fränkischen Provinz abgewatscht worden wäre.

Kasim fand es "sensationell", dass man es mit den eigenen bescheidenden Mitteln erneut geschafft habe, den Favoriten aus einem Profistall in Schach zu halten: "Die trainieren hier zweimal täglich unter der Anleitung von Olympiasiegern und Weltmeistern." Marten Arsumanjan geht einem ganz normalen Beruf nach und war schon glücklich, dass sein Arbeitgeber, das Nürnberger Autohaus Feser, ihm für die Vorbereitung Urlaub gewährt habe.

Den nutzte er, um vermutlich in den Ranglisten weiter nach oben zu klettern. Denn Piccirillo war sowohl in Deutschland als Vierter und in der Welt als 71. besser gelistet als Arsumanjan (Achter und 93.). Da bringt ein Unentschieden Punkte. Und bei den "Matchmakern" (den Organisatoren von Box-Events) dürfte er ebenfalls im Ansehen gestiegen sein. Die sahen einen top trainierten Athleten, der nach zwölf kräftezehrenden Runden noch Power für eine Schlussoffensive hatte, selbst wenn es für den Lucky Punch nicht mehr reichte.

Lob von den Kommentatoren

Auch die beiden Kommentatoren Matthias Preuß und Ex-Weltmeister Sebastian Sylvester überschlugen sich in Superlativen für beide Akteure, die wohl den besten Kampf des Abends lieferten, selbst wenn er nicht als Hauptkampf im Programm stand.

Unermüdlich attackierte Thomas Piccirillo (links) den Titelverteidiger Arsumanjan, brachte diesen auch in arge Probleme, doch am Ende gab es keinen Sieger. © Torsten Helmke, NN

Denn Thomas Piccirillo war wie erwartet derjenige, der vermehrt die Offensive übernahm, der technisch variablere Marten Arsumanjan hatte ein wenig die Strategie mit auf den Weg bekommen, den Kölner "sich ausschlagen" zu lassen. Und gerade in den ersten Runden schlug der Herausforderer zwar öfter, doch der Titelverteidiger hatte meist eine bessere Antwort. Ab Runde vier aber erhöhte der Kölner die Frequenz nochmals, die Fans vom AC Bavaria Forchheim mussten nun ansehen, wie ihr Mann einige Treffer einstecken musste. Und nach dem besagten Kopftreffer zum Ende der sechsten Runde bangten sie ernsthaft.

Nun war Piccirillo zu "gierig", drosch wild und ohne Konzept auf den durchaus angeschlagenen Gegner ein, der sich aber geschickt verteidigte, um wieder zu Kräften zu kommen. Und die kehrten tatsächlich zurück. Nun wirkte selbst "Duracell-Häschen" Piccirillo etwas müde und musste einige Fäuste von Arsumanjan spüren. Kasim ärgerte sich in dieser Phase darüber, dass der Kölner nicht immer sauber boxte, sich öfter abdrehte und klammerte, um den Schlussspurt des Franken zu bremsen.

"Ich kann besser boxen"

Der selbst gab sich nach dem Urteil beim Interview im Ring selbstkritisch: "Es ist nicht alles so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Ich kann besser boxen." Das wird die Konkurrenz nicht gerne hören. Sein Trainer relativierte das etwas: "Man nimmt sich vieles vor, nicht alles kann man im Ring umsetzen - vor allem, wenn der Gegner so stark ist." Es könnte übrigens schon bald ein Wiedersehen mit Thomas Piccirillo geben. Der Agon-Stall habe unmittelbar nach diesem tollen Fight schon angedeutet, dass Interesse an einem Re-Match bestehe.