Der Steherkönig von einst radelt heute am liebsten alleine

8.9.2012, 12:00 Uhr
Der Steherkönig von einst radelt heute am liebsten alleine

© Radsport-Archiv Manfred Marr

Sonderlich gut geht es ihm nicht, aber dafür hat er ja seine Medizin. „Seit einer schweren Operation im vergangenen Jahr habe ich schon meine Probleme“, sagt Heinz Jakobi, „doch dafür habe ich auch eine besondere Medizin. Ich setz mich auf mein Rad, dann geht es mir wieder etwas besser.“ Von seiner Wohnung in der Gartenstadt hat Jakobi nicht weit zu seiner „Lieblingsstrecke“ am Kanal: „Recht schnell fahre ich da zwar nicht mehr, doch ein etwas flotteres Tempo muss es schon noch sein, dann macht es mir mehr Spaß.“

Bei gutem Wetter radelt Jakobi — am liebsten allein — auch mal 20 Kilometer. „Das macht Spaß“, sagt er. Erstaunlich oft wird der einstige Rad-Star bei seinen Fahrten noch von früheren Fans erkannt und muss dann einige Minuten absteigen. Gemeinsam schwelgt man dann in Erinnerungen.

Schlimmer Sturz

Der Radsport lag bei Jakobi in der Familie, als er vor 75 Jahren als 15-Jähriger damit begann, stieg er in die Fußstapfen seines Vaters Josef. „Mein Vater war 1911 der erste Deutsche Rad-Meister aus Nürnberg“, sagt Jakobi, der 1937 für den „Tourenklub Nürnberg“ seine ersten Rennen fuhr. Seinen ersten Meistertitel erkämpfte er sich ein Jahr später als fränkischer Straßenmeister der Jugendklasse.

1952 wagte er den Schritt ins Lager der Profi-Steher, die in jenen Jahen noch die populärsten und bekanntesten Radsportler waren. „Mit 70 bis 80 km/h hinter dem Motor zu fahren, sieht viel leichter aus, als es ist. Man braucht da mindestens zwei Jahre, um Feinheiten zu lernen, vor allem um die optimale Technik und Übersetzung zu finden.“ Nach zahlreichen Rückschlägen, Enttäuschungen und Stürzen gelang Jakobi 1954 mit zehn Saison-Siegen der Durchbruch. Die Spitze der damals noch großen Anzahl namhafter deutscher Profi-Steher eroberte er sich nach zwei weiteren Jahren, als er 1956 in Frankfurt hinter dem belgischen Schrittmacher-Ass Martin Vandenbosch die Deutsche Meisterschaft gewann.

Zugleich stellte er einen bis heute einmaligen Rekord auf: Mit 32 Siegen war Jakobi 1956 der erfolgreichste Profi-Steher der Welt. Zwei weitere Meisterschaften — die damals noch über die mörderische 100 km-Distanz gefahren wurden — holte sich Jakobi 1958 und 1959 mit dem Katzwanger Schrittmacher Kurt Schindler. „Wir beide waren ein perfekt eingespieltes Team und es lief super“, erinnert sich Heinz Jakobi an seinen Partner. Als 1960 die Deutsche Meisterschaft der Steher in Nürnberg stattfand, wollte sich Jakobi als Topfavorit und Lokalmatador seinen vierten Titel holen. Doch leider kam es dann ganz anders. Ein schwerer Sturz schockierte die 8000 Zuschauer am Keller.

Durch einen Rahmenbruch an Schindlers Schrittmachermaschine stürzten beide in hohem Tempo in der Steilkurve. Während Schindler mit Prellungen und Abschürfungen davon kam, musste Jakobi lebensgefährlich verletzt mit einem Schädelbruch und zehn weiteren Knochenbrüchen ins Klinikum eingeliefert werden.

Erst nach Wochen konnte er das Klinikum wieder verlassen. An eine Fortsetzung seiner Karriere war eigentlich nicht mehr zu denken. Doch Jakobi wagte gegen den Rat seiner Ärzte im Frühjahr 1961 ein Comeback: „Ich war total verzweifelt, wollte wieder Rennen fahren, doch die Schmerzen waren schon nach wenigen Minuten zu stark.“ Nach mehr als 20 erfolgreichen Radsportjahren erklärte Heinz Jakobi im Sommer 1961 schweren Herzens seinen Rücktritt vom Rennsport.

Bis heute blieb der Radsport für den Altmeister der Steher die „wichtigste Nebensache der Welt“. Bei den Rennen am Reichelsdorfer Keller hat er seinen Stammplatz. Den Fußballsport verfolgt er ebenso aufmerksam: „ Ein schönes Spiel hat immer wieder seinen Reiz.“

 

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