Erlanger Triathlon: Duell mit dem eigenen Körper

2.8.2016, 06:00 Uhr
Knapp 800 Triathleten waren dabei, darunter auch NN-Sportredakteur Kevin Gudd.

© Klaus-Dieter Schreiter Knapp 800 Triathleten waren dabei, darunter auch NN-Sportredakteur Kevin Gudd.

Viel zu langsam. Dieser Gedanke beschäftigt mich, da ist der Europakanal noch einige Kilometer entfernt. Nachdem ich zwei Stunden vor dem Wettkampf ein hektisches Frühstück zu mir genommen und mich ans späte Packen meiner Sportutensilien sowie dem Bekleben dreierlei Taschen mit Startnummer gemacht habe – hetze ich über die Autobahn. Welch ausgeklügeltes System hinter der auf den ersten Blick peniblen Trennung von Schwimm-, Rad- und Laufbekleidung bei einem Triathlon steckt, erschließt sich später.

Während ich über die logistische Aufgabe sinniere, Ordnung über die Wechselzone und die Ausrüstung von hunderten Sportlern zu halten, bespricht sich das Gros des Feldes über das Wetter. Etwas Gewitter in der Nacht und am ganz frühen Morgen, nun anfangs kühlende Luftfeuchtigkeit, aber trotzdem zu warm für den Einsatz eines Neoprenanzugs beim Schwimmen — ich hätte sowieso keinen gehabt.

Erlanger Triathlon: Duell mit dem eigenen Körper

© Foto: Manuel Kugler

Mit der Variante einer klassischen knappen Badehose stehe ich unter den ganzen Einteilern ebenfalls ziemlich alleine da, als wir uns die Regeln noch einmal anhören. Angekommen an unserer Einstiegsstelle taucht Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik kurz neben mir auf, dann folge ich der Konkurrenz ins Wasser. Was ich in den ersten Minuten erlebe, hat sehr wenig mit Schwimmen zu tun, so wie man sich das in geregelten Bahnen im Becken vorstellt.

Immerhin habe ich Erfahrung, was nervige Überholvorgänge diverser Wellness- und Rückengymnastik-Fans angeht, die sich immer wieder auf die Sportschwimmer-Bahn verirren. Es dauert viele Minuten und anfangs mehrere Phasen im Bruststil, bis sich ein erträglicher Rhythmus inmitten des Gewirrs aus Beinen und wild um sich schaufelnden Armen eingestellt hat. Als ich abermals den Kopf zur Orientierung aus dem Wasser hebe, kommen mir die 1500 Meter viel länger vor als diese 30 Bahnen im Freibad. Der Ausstieg an der Dechsendorfer Kanalbrücke rückt nur in Zeitlupe näher, da ziehen neben mir schon die Spitzenleute der fünf Minuten nach uns gestarteten Mitteldistanz vorbei.

Diese erste kleine Demütigung lässt mich zunächst kalt. Erst als sich auf der Radstrecke zu den hohen Startnummern der Cracks noch andere dazwischen schleichen, fühle ich mich an der Ehre gepackt. Die Komplimente für mein nostalgisches italienisches Renngefährt aus den 80ern haben mich eingelullt. Passend dazu lässt mich die Geschwindigkeits-Anzeige meiner Armbanduhr im Stich. Geschätzte zwei Drittel des Kurses wähne ich hinter mir, da passiere ich die 20-Kilometer-Halbzeitmarke. Ein Hinweisschild alle fünf Kilometer hätten meiner Motivation nicht geschadet, liebe Veranstalter.

Als die Streckenhelfer am Ortsausgang von Hemhofen eine Schwanen-Patrouille auf dem Gehsteig halten, übernimmt mein Kampfgeist die Kontrolle. Die letzten zehn Kilometer bis zur Wechselzone bringen die Muskulatur meines linken Oberschenkels spürbar an seine Grenzen.

Aber das gute beim Triathlon- und Ausdauersport ist, das erzählen viele, dass der Körper auf erste Ermüdungserscheinungen mit der Mobilisierung ungeahnter Reserven beginnt. Ich schlurfe also wenig später nach den ersten zwei unrunden Kilometern über den Membacher Steg und lächle in mich hinein. „Gut in der Zeit“, ruft ein Bekannter mir zu. Ich schwebe die Brücke hinab.

Der Waldweg bis zum Wendepunkt steigert sich zur nervlichen Bewährungsprobe. Es dauert Ewigkeiten, bis die Markierungen von Kilometer vier und fünf ins Blickfeld rücken. Im Kopf rechne ich meine ungefähre Ankunftszeit durch. Positionskämpfe sind selten, hier setzt sich jeder mit sich selbst auseinander.

Ich kenne keine Sportart, in der Ernüchterung und neue Hoffnung ein vergleichbares Wechselspiel aufführen. Vorbei ist mein mentales Zwischenhoch, als mich auf der abfallenden Seite des Membacher Stegs ein Krampf im hinteren rechten Oberschenkel ausbremst.

Der Dehnversuch scheitert mit einem heftigen Aufbäumen meiner Wadenmuskulatur. Ich schleppe mich in Richtung TV48-Sportplatz und warte vergeblich auf den letzten viel zitierten Adrenalinschub, ausgelöst durch die Anfeuerungsrufe des Publikums.

Stattdessen schießt mir auf dem Rasenstück wenige Meter vor dem Ziel der nächste Krampf in den Oberschenkel, diesmal links. Trotzdem schaffe ich es ins Ziel. Die schlimmsten Schmerzen des Tages aber erleide ich bei der anschließenden Massage. Die junge Dame bekommt die Klumpen so weit gelöst, dass dieser Text entstehen konnte.

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