Erlanger Turnerbund holt Hockeytrainer aus Singapur

1.12.2020, 08:51 Uhr
Erlanger Turnerbund holt Hockeytrainer aus Singapur

So ähnlich fangen normalerweise nur romantische Komödien aus Hollywood an. Jahrelang stand die Anzeige des Erlanger Turnerbundes auf einer Stellenbörse für Hockeytrainer im Internet unbeachtet herum. Ab und zu meldete sich jemand, man schrieb ein bisschen hin und her und merkte schnell: So richtig passen wir nicht zusammen.

Bis mitten im Corona-Lockdown plötzlich die Nachricht eines jungen Studenten aus Singapur beim Turnerbund aufploppte. Reynard Goh, 30 Jahre alt, schrieb, er würde gerne hauptamtlicher Jugendtrainer beim Turnerbund werden.

Nach vielen Nachrichten und einigen Video-Anrufen ist klar: Der Turnerbund wünscht sich das auch. "Für uns ist das ein absoluter Glücksfall. Da ist uns etwas gelungen, das wir nicht für möglich gehalten hätten", sagt Hockey-Abteilungsleiter Johannes Oehl.

"Da passt er super rein"

Was der Singapurer an Qualifikationen mitbringt, liest sich beeindruckend: Der 30-Jährige war Nationalspieler seines Landes, hat als Trainer die U 14 und U 16-Nationalteams Singapurs betreut. "Was mich an ihm überzeugt hat, ist dieses Kreative, dass er gerne neue Konzepte erarbeiten möchte. Das ist auch bei uns in den vergangenen zwei, drei Jahren forciert worden. Da passt er super rein", sagt Oehl.

Erlanger Turnerbund holt Hockeytrainer aus Singapur

© Foto: Harald Sippel

Eigentlich sollte Goh beim Turnerbund der zweite hauptamtliche Trainer neben Knut Holzschuh werden. Doch die Suche zog sich so lange hin, dass er ihn nun ablösen kann. Anfang 2021 soll Goh im Idealfall anfangen. Für den Verein ist das trotzdem ein guter Zeitpunkt: Holzschuh geht im Herbst 2021 in den Ruhestand. Ein Dreivierteljahr werden sich beide überschneiden, der erfahrene Trainer kann den jungen Konzept-Coach einarbeiten. Beide sollen den kompletten Nachwuchsbereich mit knapp 230 Kindern und Jugendlichen betreuen.

"Bayern ist im Hockeyland noch Provinz"

Dass sich die Suche so lange hingezogen hat, hat Gründe außerhalb des Turnerbundes. "Es ist wahnsinnig schwer, im Hockey einen hauptamtlichen Trainer zu finden", sagt Oehl. Die großen Bundesligavereine in den Hockey-Zentren um Berlin, Hamburg, Mannheim und dem Ruhrgebiet, die gut zahlen können, grasen den Trainermarkt ab. Viele Vereine behelfen sich mit Studenten oder selbst ausgebildeten Übungsleitern. "Bayern ist im Hockeyland noch Provinz", sagt Oehl.

Dass Goh sich trotz seines ansehnlichen Lebenslaufs für Erlangen entschieden hat, liegt wohl daran, dass seine Lebensgefährtin in der Nähe von München wohnt. Für ihn ist es die Chance, näher bei ihr zu wohnen und nach Deutschland zu kommen. Deshalb hat er in Bayern gesucht.

Ein Risiko?

Aber ist so ein Trainer-Blind-Date nicht auch ein Risiko? "Uns wäre es bei einem deutschen Trainer genauso gegangen. Viele, die für uns infrage gekommen wären, hätten wir auch nicht vorher gekannt", sagt TB-Geschäftsführer Jochen Heimpel. "Die Chance ist für uns deutlich größer als das Risiko. Das liegt eigentlich bei Reynard, der in ein unbekanntes Land kommt."

Zudem gibt es eine Probezeit, wobei sie beim Turnerbund wenig Sorge haben, dass Goh sie nicht bestehen wird. "Er ist ein junger, frischer Trainer. Das asiatische Hockey ist schnell und technisch gut. Wenn das einigermaßen hinhaut, was wir erwarten, werden wir einen großen Schritt machen", sagt Heimpel.

Einzug in die Sportler-WG

Einziger Knackpunkt bleibt die Sprachbarriere, Goh spricht fließend Englisch und Chinesisch, Deutsch lernt er mit seiner deutschen Freundin, steht aber noch am Anfang. Sprachpraxis kann er sich künftig auch in der 2019 gegründeten Sportler-WG auf dem TB-Gelände holen, in die er ziehen wird. Und er soll zunächst bei den älteren Jugendlichen anfangen, die genug Englisch aus der Schule können.

Doch mit Gohs Engagement ist die Geschichte noch nicht beendet. "Wir sind weiter auf der Suche, wir wollen mit zwei hauptamtlichen Trainern arbeiten, die den Bereich von den Erwachsenen bis zu den ganz jungen Kindern abdecken", sagt Oehl. Vielleicht ploppt ja bald noch eine Nachricht beim Turnerbund auf. Es wäre für die Hockey-Abteilung das Happy End.

In einer früheren Version des Artikels hieß es, Franz von Issendorff sei der Abteilungsleiter der Hockey-Abteilung des Turnerbundes. Johannes Oehl hat das Amt allerdings bereits im Frühjahr kommissarisch übernommen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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