Ex-Fürther Sararer: "Ich war kurz davor aufzuhören"

30.12.2020, 18:29 Uhr
Ballgewandt wie eh und je: In der bayerischen Landeshauptstadt erlebt Sercan Sararer derzeit seinen zweiten Frühling. 

© imago images Ballgewandt wie eh und je: In der bayerischen Landeshauptstadt erlebt Sercan Sararer derzeit seinen zweiten Frühling. 

Wie weit nach unten eine Krise einen gezerrt hat, merkt man oft erst, wenn man sich wieder von ihr erholt und aus einem anderen Blickwinkel darauf zurückblickt. Sercan Sararer (31), einer der besten Spieler, die das Nachwuchsleistungszentrum der SpVgg Greuther Fürth je hervorgebracht hat, weiß das aus eigener Erfahrung, wenn er davon spricht, wie seine Karriere am seidenen Faden hing.

Ein Stück Knochen in der Sehne

Ein Adduktorenabriss ist es, der den Dribbler mehrere Monate auf Talfahrt schickt, der dafür sorgt, dass er bei der Spielvereinigung 2018 keinen neuen Vertrag erhält, ein halbes Jahr vereinslos ist, bis ihn der Karlsruher SC verpflichtet. Doch die Schmerzen bleiben, die Liaison hält nur sechs Monate. Sararer steht erneut ohne Verein da. "Damals war es ganz schwierig für mich", blickt der Offensivspieler zurück. "Ich hatte das Vertrauen in meinen Körper verloren. Ich war bei so vielen Ärzten, bis endlich entdeckt wurde, dass ich ein Stück Knochen in der Sehne hatte."

Die Operation verlief erfolgreich, mit hartem Training und einer Ernährungsumstellung nimmt er ab, zeigt sich fitter und definierter denn je. "Es war eine Befreiung, sich wieder ohne Schmerzen bewegen zu können. Andererseits hat man auch immer noch Angst, ob alles hält. Es ging einfach darum, wieder Vertrauen in mich selbst zu finden."

Smoothies statt Burger

Die Ernährung hilft ihm dabei: Aufs Intervallfasten ist der gebürtige Nürnberger umgestiegen, isst nur noch zwischen 12 und 20 Uhr und ernährt sich so gesund wie möglich: "Ich habe wahnsinnig viel über Ernährung gelesen. Viel Gemüse und Smoothies, Reis und gutes Fleisch. Ich bin viel disziplinierter als früher. Man gewöhnt sich schnell daran", sagt derjenige, der in seiner Fürther Zeit zum Ärger seiner Trainer gerne mal bei McDonald’s einkehrte.

Der Neujahrstag 2020 wird dann zum Wendepunkt der Krise. Der ambitionierte Regionalligist Türkgücü München nimmt den Angreifer unter Vertrag. Und Sararer zahlt das Vertrauen zurück: Zwar kommt er in der Regionalliga aufgrund des vorzeitigen Aufstiegs nur zu einem Kurzeinsatz, doch in der Dritten Liga erreicht er in dieser Saison Sahnewerte: Ihm gelingen bis dato vier Tore und elf Vorlagen. Mit Petar Sliskovic (elf Tore) bildet Sararer das gefährlichste Sturmduo dieser Spielklasse, im Fachblatt kicker ist Sararer der notenbeste Feldspieler der Dritten Liga.

Aufstiegpläne, Parks und Seen

Erstmals in seiner Karriere ist er nun Kapitän und fühlt sich pudelwohl im Verein. "Mit Petar versteh’ ich mich super. Er weiß genau, in welche Lücken er gehen muss, das hilft auch mir", beschreibt er seinen kongenialen Sturmpartner, der Kader strotze vor Qualität, "man merkt, dass mit Türkgücü etwas entsteht. Wir haben das Ziel, in den nächsten zwei, drei Jahren aufzusteigen."

In München hat sich Sararer eingelebt, er liebt es, im Sommer draußen zu sein und genießt Ausflüge in die städtischen Parks und zu den Seen im Umland. Längst abgehakt ist die zweite Zeit in Fürth von 2016 bis 2018, in der er aus der Verletzungsspirale nicht mehr herauskam. "Ich kann das irgendwo auch verstehen, dass mein Vertrag in Fürth nicht verlängert wurde, weil ich mit der Verletzung nicht mehr planbar war." Planbarkeit im Kader steht aber bei der SpVgg im Sommer 2018 ganz oben auf der Liste, nachdem sich das Kleeblatt mit einem aufgeblähten Kader gerade so in der zweiten Liga gehalten hat.

In Fürth war's schön: Nicht immer, aber hauptsächlich schon. 

In Fürth war's schön: Nicht immer, aber hauptsächlich schon.  © imago images

Wieder alles gut

Sararers Abgang hätte harmonischer ausfallen können, doch der Hispano-Türke ist niemandem beim Kleeblatt böse. In der Zwischenzeit hat er sich mit Manager Rachid Azzouzi darüber ausgetauscht und ist mit der Situation im Reinen. "Es war am Ende einfach schade für beide Seiten, dass es nicht so geklappt hat, wie wir uns das vorgestellt haben."

Vor allem Vater Cengiz hätte sich gewünscht, dass sein Sohn dort weiterkicken darf, wo alles seinen Lauf nahm: Sein Sercan wurde zum türkischen Nationalspieler (zwölf Einsätze), wechselte ablösefrei - sehr zum Ärger von Präsident Helmut Hack - nach dem Bundesliga-Jahr 2013 nach Stuttgart, wo er aber ebenso wenig glücklich wurde wie in Düsseldorf.

"Ich hab' mich in Fürth immer wohlgefühlt"

Ein wenig (fußball-)romantisch klingt es, wenn Sararer über seinen alten Verein spricht: "Fürth ist meine alte Liebe und die Verbundenheit zu ihr wird immer bleiben. Ich hab’ mich in Fürth immer wohlgefühlt, es ist Heimat. Ich verfolge die Spiele und habe noch Kontakt zu Mergim Mavraj oder David Raum."

Ganz besonders ist die Beziehung zum Aufstiegstrainer Mike Büskens, der Coach, der ihn laut eigener Aussage am meisten geprägt hat: "Es war zwar nicht immer einfach, aber er wusste ganz genau, wann er mir auch mal einen Tritt in den Hintern geben musste. Ich hab’ das als junger Spieler auch gebraucht. Er hat mir wirklich viel beigebracht."

Büskens ist sein Fan

Besonders menschlich habe Büskens überzeugt: "Er hat mich während meiner vereinslosen Zeit angerufen, mir Mut gemacht und in der schweren Zeit mit aufgebaut. Ich habe großen Respekt vor ihm." Respekt, der auf Gegenseitigkeit beruht. Im Gespräch mit den FN im Frühjahr antwortete Büskens auf die Frage, wer denn der beste Kicker in Fürth gewesen sei, wie aus der Pistole geschossen: "Sercan Sararer! Viel zu gut eigentlich für die Dritte Liga."

Der Ruf, nicht genügend aus dem Talent gemacht zu haben, hängt Sararer nach, das weiß er auch selbst: "Ich habe gemischte Gedanken über das, was ich aus meinem Potenzial gemacht habe. Einerseits weiß ich, dass mehr drin gewesen wäre. Hätte ich damals den Kopf von heute gehabt und weniger Mist gebaut, hätte ich wahrscheinlich lange in der Bundesliga und vielleicht Champions League spielen können."

Reifeprozess und eine geplatzte Bombe

Andererseits standen auch die kleinen, lang anhaltenden Verletzungen im Weg. "Das Schönste ist aber, dass ich wieder Spaß am Fußball habe und gesund bin, das hat mehr Wert als das ganze Geld." Auch, wenn man das schon zu oft über ihn gelesen hat, trifft es wohl diesmal zu: Es klingt nach einem Mann, der gereift und mit sich im Reinen ist. Vielleicht gibt es ja doch noch ein Wiedersehen mit Fürth in der zweiten Liga.

Nach diesem Interview platzte in München die Bombe: Hasan Kivran zieht sich als Investor bei Türkgücü zurück. Dank seines Geldes gelang der steile Aufstieg. Ob Sercan Sararer bleibt? Im Januar öffnet das Transferfenster.